Kanuslalom-WM:Entzückende Widersacherinnen

Kanuslalom-WM: Die "Königin des Paddelns": Jessica Fox.

Die "Königin des Paddelns": Jessica Fox.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Den deutschen Kanutinnen könnte bei der Heim-WM in Augsburg die Australierin Jessica Fox im Wege stehen. Gegen Ricarda Funk will sie sich für Olympia revanchieren.

Von Benjamin Zügner

Dezent sind türkisblaue Poloshirts mit gelber Aufschrift keineswegs. Die australische Teamkleidung sticht bei der Kanuslalom-WM hervor wie keine zweite. Und doch fallen die Aussies am Augsburger Eiskanal kaum auf: Der Rummel dreht sich auch am dritten Wettkampftag, dem Freitag, um die Deutschen. Fans und Fotografen belagern sie regelrecht. Verständlich, nach der Schwabensause, die mit Doppelgold bereits in den Teamwettbewerben am Mittwoch startete. Am Wochenende sollen auch die Einzeldisziplinen eine Vollendung bekommen. Dann vor einem tosenden Heimpublikum, mehr als 7000 Zuschauer werden pro Tag erwartet.

Dabei könnte den deutschen Kanutinnen allerdings der internationale Star der Szene im Weg stehen: Jessica Fox. Mit einem breiten Grinsen steht die 28-Jährige am Freitagvormittag in Augsburg auf den Holzbalken beim Ausstieg aus dem Eiskanal, "the job is done", der Minimalauftrag der Qualifikation am Vormittag nahezu mühelos geschafft. Sie trägt zwar nicht Türkisblau-Gelb wie ihre Teambetreuer, dafür ein Känguru auf dem Spritzdeck, einem Bauchschutz am Neoprenanzug, durch den kein Wasser in das Boot gelangt.

Dabei ist Fox eigentlich eine Marseillaise, geboren an der französischen Mittelmeerküste. Der Paddel-Einfluss war damals schon unumgänglich: Sechs Monate alt sei sie gewesen, erzählt Fox, da saß sie das erste Mal im Boot. Mama Myriam wurde nur drei Jahre nach Jessicas Geburt Olympiadritte in Atlanta, im Kajak-Einer. Sie ist ebenfalls in Augsburg an der Strecke, gibt Jessica noch im Wasser Tipps in der Muttersprache Französisch. Im Alter von drei Jahren, so Fox weiter, sei sie dann nach Australien ausgewandert, zusammen mit ihren Eltern. Der Vater übrigens, Richard, ist britischer Fünffach-Weltmeister im Kajak-Einer.

"Die Deutschen sind so gut auf ihrem Heimkurs", sagt Fox. Sie will dennoch nach zwei WM-Titeln greifen

"Eigentlich wollte ich erst schwimmen oder turnen", sagt Fox, noch triefend nass, wie sie dieser Tage oft anzutreffen ist, sie fährt sowohl im Kajak als auch im Canadier. Einzel und Team. "Dann habe ich mir aber den Arm gebrochen, und in der Reha meinte der Arzt, ich solle es mal mit Paddeln versuchen." Das war dann doch der Auftakt zur Weltkarriere. Als später Schwester Noemie zur Welt kam und sich auch ins Paddelboot setzte, war die Richtung endgültig klar: im Wildwasser immer kanalabwärts - außer bei den Aufwärtstoren.

Sieben derer hängen, rot markiert, über dem Augsburger Eiskanal, sie müssen stromaufwärts durchfahren werden, die restlichen 15 (grün) flussabwärts. "Die Deutschen sind so gut auf ihrem Heimkurs", sagt Fox nach der Qualifikation. Sie will am Wochenende dennoch nach zwei Weltmeistertiteln greifen. Dabei ist Fox ohnehin schon die erfolgreichste Slalomkanutin der Geschichte: Mehrfache Weltmeisterin, Olympiasiegerin, die Liste ihrer Titel ist lang. Von vielen wird Fox als goat bezeichnet, als die Beste, die jemals ein 3,50 Meter langes Boot bestiegen hat, um auf dem Wildwasser Slalom zu fahren. Der Guardian bezeichnete sie sogar einst als "paddling royalty", die Königin des Paddelns. Spricht man Fox darauf an, lächelt sie nur, fast beschämt wirkt die Australierin, "unser Sport ist so unterhaltsam, ich habe im Training und Wettkampf einfach nur Spaß".

Fox und Funk machten sich mit der Zeit gegenseitig besser - und es entwickelte sich eine Freundschaft

Große Teile des Jahres verbringt Fox im heimischen Sydney, vier Monate allerdings ununterbrochen in Europa, die Saison ließe das gar nicht anders zu. Und eine sportliche Verbindung in den europäischen Raum hat sie ohnehin, genauer gesagt: sogar an den Augsburger Eiskanal. Myriam Fox-Jerusalmi, die Mama, wurde hier 1985 Weltmeisterin im Kajak-Team. Die Schwester tritt auch bei der WM an, Jessica selbst duelliert sich mit einer Wahl-Augsburgerin.

Kajak-Kanutin Ricarda Funk hatte Fox nämlich im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokio die Goldmedaille weggeschnappt. Am Samstag kann sie sich im Kajak-Finale revanchieren, umkämpft wird es allemal. "Ricarda ist eine herausragende Paddlerin", sagt Fox, die in der Kajak-Rangliste der internationalen Kanu-Föderation ICF auf Platz eins steht, Funk auf zwei. Sie hätten sich mit der Zeit gegenseitig besser gemacht, währenddessen habe sich aber auch eine Freundschaft entwickelt. "Ricarda ist entzückend", beschreibt Fox ihre Widersacherin voller Respekt.

Dass Fox das genau so meint, wird klar, als sie über ihre Ambitionen für das Wochenende spricht. "Offensichtlich will ich gewinnen", sagt sie, "aber wenn ich nicht gewinnen kann, dann will ich, dass es Ricarda tut."

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