50 Jahre nach Olympia:Paddeln zur Geburtstagsparty

50 Jahre nach Olympia: Hohe Ziele: Auf ihrer Heimanlage will Elena Lilik ihren WM-Titel verteidigen, oder mindestens eine Medaille holen.

Hohe Ziele: Auf ihrer Heimanlage will Elena Lilik ihren WM-Titel verteidigen, oder mindestens eine Medaille holen.

(Foto: Opokupix/Imago)

Diesen Sommer trägt Augsburg wieder eine Kanuslalom-Weltmeisterschaft aus. Nicht nur Elena Lilik rechnet sich für die Heim-WM auf der generalsanierten Anlage einiges aus.

Von Benjamin Zügner, Augsburg

Es ist ein sonniger Aprilmorgen, die Vögel zwitschern in den Lechauen am Rande des Siebentischwaldes. Elena Lilik hat dafür gerade keinen Sinn. Die 23-Jährige kennt dieses Idyll am Hochablass des Lechs in- und auswendig, für sie ist es ihr täglicher Trainingsort seit Kindertagen. Die Slalomkanutin ist auch aktuelle Weltmeisterin im Einer-Canadier, jener Wildwasser-Variante, die mit einem Stechpaddel gefahren wird - und sie hat in diesem Jahr wieder große Ziele. Die hübsche Landschaft hier am Augsburger Eiskanal täuscht aber nicht wirklich über die unangenehme Wassertemperatur hinweg, mit der sie gleich zu kämpfen hat. Zehn Uhr, Techniktraining.

"Das wird heute ein Sisters Act", kündigt Thomas Apel die Einheit an, die Elena Lilik zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Emily absolviert. Apel ist nicht nur der Vater der beiden, sondern auch der Bundestrainer. Gerade gibt er Anweisungen, welche Tore abwärts, welche aufwärts gefahren werden sollen, und er versucht, neue Hindernisse zu schaffen - teils schwieriger als im Wettkampf, wie er versichert. Das gemeinsame Ziel ist die Heim-WM im Kanuslalom, die hier Ende Juli stattfinden wird, 50 Jahre nach den Olympischen Spielen 1972, für die diese Anlage gebaut wurde. An diesem Wochenende wird hier die nationale Ausscheidung stattfinden.

Die Augsburger Innenstadt ist nicht weit weg. Im Juli soll es dort eine große Eröffnungsfeier geben. Heute schon fährt dort eine Straßenbahn hindurch, auf der einige der aktuellen Helden des Augsburger Kanusports überlebensgroß abgebildet sind: Hannes Aigner, der mehrmalige Weltmeister; Sideris Tasiadis, der 2012 bei Olympia in London Silber holte und auf seiner Heimstrecke EM-Gold; Ricarda Funk, die Olympiasiegerin von Tokio im Kajak-Einer; und auch Elena Lilik. Mehr als 60 Weltmeistertitel hat der Verein "Kanu Schwaben Augsburg" in seiner Geschichte schon gewonnen, elf Gesamtweltcupsiege und viermal Olympiagold gefeiert. Lilik freut sich auf die Weltmeisterschaft, aber sie spürte schon beim Weltcup in Augsburg, dass das zu Hause ein ganz besonderer Druck ist: "Da hängen Plakate, auf denen steht local hero, und man denkt sich nur so: Huh, shit, jetzt muss ich performen!" Aber das will sie ja auch: "Den Titel verteidigen oder zumindest eine Medaille holen", das ist Elena Liliks Anspruch.

Dass Elena Lilik von ihrem Vater gecoacht wird, ist kein Problem: "Im Familien-Chat ist Kanuslalom kein Thema"

Dass sie mittlerweile von ihrem Vater gecoacht wird, sei kein Problem, erzählt sie. Der Umgang sei sehr professionell, man trenne Privates und den Sport: In der familieninternen Chat-Gruppe jedenfalls "ist der Kanuslalom kein Thema".

Seit ihrem achten Lebensjahr trainiert Elena Lilik am Augsburger Eiskanal, damals noch auf der Jugendstrecke. Es ist die älteste künstlich gebaute Kanuslalomstrecke der Welt, gespeist durch den Lech, weshalb sie kostengünstig ohne elektrische Pumpe auskommt. Die Münchner Landschaftsarchitekten Gottfried und Anton Hansjakob haben die Anlage vor mehr als 50 Jahren geplant. Aufgrund des natürlichen Zuflusses ist es "eine sehr tückische Strecke, weil sich das Wasser ständig ändert", erklärt Lilik. Zuerst gemeistert haben den Kurs die DDR-Athleten, die bei der Premiere des olympischen Kanuslaloms 1972 alle vier Goldmedaillen abräumten. Olympisch musste der Kanuslalom danach lange pausieren, das IOC strich die Sportart für 20 Jahre aus dem Programm. In Augsburg aber fanden in all der Zeit Weltcups, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften statt.

50 Jahre nach Olympia: Bereit für die Weltmeisterschaft im Sommer: Die Kanuslalom-Wettkampfstrecke im für mehr als 20 Millionen Euro generalsanierten Olympiapark.

Bereit für die Weltmeisterschaft im Sommer: Die Kanuslalom-Wettkampfstrecke im für mehr als 20 Millionen Euro generalsanierten Olympiapark.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Beim Trainingsbesuch im April stehen noch Bagger am Rand der Strecke, der Augsburger Olympiapark ist für die WM generalsaniert worden. Kostenpunkt: gut 20 Millionen Euro, wie Johannes Heiß sagt. Er ist der Leiter des eigens für die Wettkämpfe im Sommer eingerichteten WM-Büros und führt die geladenen Gäste über das Areal. Im Frühjahr 2020 war Spatenstich, am vergangenen Freitag ist das Areal dann an Oberbürgermeisterin Eva Weber übergeben worden. Insbesondere das Athleten- und Organisationszentrum war sanierungsbedürftig: "Da pfiff schon der Wind durch die Ritzen", erinnert sich Heiß. Zudem wurde die terrassenförmige Stehstufenanlage im Rahmen einer denkmalgerechten Erneuerung neu modelliert - als Teil des Augsburger Wassermanagement-Systems zählt auch der Eiskanal zum Unesco-Welterbe.

Für die Strecke selbst gab es lediglich eine Flutlichtanlage und eine neue Stangenaufhängung, die wird allerdings wohl erst im Juni fertig - als kleines Geburtstagspräsent. "Augsburg ist Kanustadt, daher ist es schön, dass hier wieder internationale Großveranstaltungen stattfinden können", findet Heiß. Dass die Anlage nicht nur internationalen Ansprüchen gerecht wird, sondern auch Trainingsmöglichkeiten für den Nachwuchs bietet, ist mindestens genauso wichtig. Die nationale wie internationale Elite bereitet sich hier auf die WM vor, daneben trainieren aber auch die Jugend- und Kaderathleten des Bundesstützpunkts.

Elena Lilik will bei der WM im Einer-Canadier, im Kajak-Einer und im Extremslalom an den Start gehen. Auf die interne Qualifikation hat sie sich in kräftezehrenden Einheiten vorbereitet. Immerhin: An jenem Nachmittag im April steht dann nur noch lockeres Paddeln an.

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