Pita Taufatofua:Jetzt auch noch Kanu

Olympics: Opening Ceremony

2018 als Langläufer in Pyeongchang: Pita Taufatofua.

(Foto: Rob Schumacher/USA Today Sports/Reuters)
  • Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro wurde Pita Taufatofua aus Tonga 2016 schlagartig berühmt.
  • Zwei Jahre später qualifizierte er sich als Skilangläufer, in Tokio 2020 will er nun als Kanute antreten.
  • Taufatofua hat Botschaften, die hinter der Ölfassade und den Muskelbergen stecken.

Von Saskia Aleythe

Er kippt im Boot einfach um. Eine Woche vor der WM. Pita Taufatofua hat das vor Kurzem auf seiner Facebook-Seite gepostet: Wie er schon beim Versuch, in ein Kajak zu steigen, scheitert. Kaum sitzt er, dreht er sich auch schon zur Seite. Oben ist plötzlich ein nasses Unten. "Okay, wir haben ein Problem", schrieb Taufatofua dazu und erzählte australischen Medien, was ohnehin offensichtlich war: "Ich komme keine 20 Meter weit." Für Anfänger ist das Ausbalancieren eine Sache, die Übung braucht. Viel Übung. Taufatofua ist erst seit ein paar Monaten Kanute, falls man das überhaupt so nennen kann. Und jetzt schon bei der WM dabei.

Tatsächlich, in der Startliste taucht sein Name auf: Mittwoch, 17.55 Uhr, Vorlauf über 200 Meter, auch im Zweier tritt er später noch an. Er ist wieder da, schon wieder. Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2016 redeten alle über ihn, ohne seinen Namen, geschweige denn sein Land zu kennen. Mit eingeöltem Oberkörper und traditioneller Kluft marschierte Taufatofua damals als Fahnenträger ins Maracana ein, als Taekwondo-Kämpfer hatte er es zu den Spielen geschafft. 2018 tauchte er als Skilangläufer bei den Spielen in Pyeongchang wieder auf, 2020 in Tokio will er als Kanute dabei sein. Ist das nun sportlich beachtlich? Oder alles nur eine große Show?

230 Millionen Suchanfragen auf Google soll es in der Woche nach der Eröffnungsfeier in Rio gegeben haben: "Wo ist Tonga?" Das erzählte Taufatofua dem britischen Guardian im Januar, der mittlerweile 35-Jährige ist ein gefragter Mann, zu olympischen und nichtolympischen Zeiten. In dem Pazifikstaat in der Nähe der Fidschi-Inseln ist Taufatofua aufgewachsen und dass er dann bei der Eröffnungsfeier in Rio nicht im Anzug auflief, sollte mehr Marketing für seine Heimat als für sich selbst sein. Mitglieder seiner eigenen Delegation wollten ihn noch daran hindern. "Ich habe 1000 Jahre Geschichte vertreten. Meine Vorfahren haben nicht Anzüge und Krawatten getragen, als sie den Pazifischen Ozean überquert haben", sagte Taufatofua. Dass sein Auftritt plötzlich zum Internet-Hit wurde, machte ihn schlagartig berühmt. Seinen einzigen Kampf in Rio verlor er mit 1:16 Punkten.

Taufatofua hat Botschaften hinter der Ölfassade

In Pyeongchang in Südkorea hat Taufatofua dann den größten Pressesaal gefüllt. Den, den sonst nur Lindsey Vonn, Ski-Olympiasiegerin von 2010, richtig voll bekommen hat. Die Exoten-Geschichten werden immer wieder gerne erzählt, auch weil einer wie Taufatofua dann so was sagt: "Ich will die Menschen zum Träumen ermuntern, zum Scheitern und Wiederaufstehen." Die Sportverbände lockern dafür auch gerne mal die Statuten, das hat im Fall Taufatofua auch nicht jedem Konkurrenten gefallen. Sechs Roller-Ski-Rennen konnte er für die Qualifikation mit einbringen, nur ein Rennen musste er vorab auf Schnee bestreiten. Als 114. von 119 Langläufern kam er nach 15 Kilometern schließlich ins Ziel, 23 Minuten nach dem Goldgewinner.

Und doch hat Taufatofua Botschaften, die hinter der Ölfassade und den Muskelbergen stecken und über den Sport hinausgehen. Als er gerade in Südkorea seine Geschichten vor der Presse erzählte, fegte ein Wirbelsturm über seine Heimat hinweg, zerstörte das Regierungsgebäude und andere Teile der Insel. "This one is for the planet" schrieb er als Hashtag unter seinen Post, als er bekannt gab, nun Kanufahren zu wollen. Taufatofua, der heute die meiste Zeit im australischen Brisbane lebt, hat sich jetzt dem Umweltschutz verschrieben. "Leute zeigen mir Statistiken über den Klimawandel. Aber alles, was ich weiß, ist, dass das Meer jedes Jahr näherkommt", sagte er dem Fernsehsender ABC. Früher sei alle zehn Jahre mal ein Zyklon über Tonga gestürmt, nun fast alle zwei Jahre. "Ich habe genügend Aufmerksamkeit bekommen, jetzt ist es Zeit, Aufmerksamkeit auf den Planeten zu richten", sagt Taufatofua.

Und es ist ja tatsächlich so, dass er die ganze Aufmerksamkeit vor allem im vergangenen Jahr genutzt hat, um sie auf wichtigere Dinge zu leiten. Nach Olympia in Südkorea hielt er eine Rede vor den Vereinten Nationen und im Massachusetts Institute of Technology. Er wurde Unicef-Botschafter, 15 Jahre hatte er als Sozialarbeiter sein Geld verdient und mit obdachlosen Kindern gearbeitet. "Da habe ich gesehen, was wahre Stärke ist", sagte Taufatofua dem Guardian. Er hat ein Motivations-Buch geschrieben. Auf Instagram folgen ihm 140 000 Leute, viele Posts des Sportlers drehen sich nicht um sich selbst. Auf dieser Plattform eine Seltenheit.

Sein alter Taekwondo-Trainer trainiert ihn wieder

Das Geld war immer knapp, auch nach Rio, nach den Momenten, die ihn berühmt gemacht hatten. Der Ski-Langlauf brachte hohe Reisekosten mit sich, per Crowdfunding sammelte er mehr als 24 000 Dollar. Immer wieder fand er Leute, die ihn unterstützten. Die Verhältnisse in der Kindheit waren schwierig, die Familie lebte zu acht in einem kleinen Haus ohne warmes Wasser. Er selbst wurde gehänselt, der Körper zu schmächtig, die Mutter keine Tongaerin. Sportlich setzten ihn immer wieder Verletzungen außer Gefecht, erst mit 32 Jahren schaffte er schließlich die Olympia-Teilnahme. Sechs Monate schlief er in einem südkoreanischen Kindergarten, um tagsüber in der Nähe zu trainieren.

Als er seinen Einstieg in den Kanusport verkündete, twitterte der Weltverband: "Wir freuen uns sehr, dass er unseren Sport gewählt hat für eine mögliche dritte Olympia-Teilnahme. Es wird ein harter Weg, aber wenn es jemand schaffen kann ..." Um sich in diesen Tagen in Ungarn bei der WM direkt für Tokio zu qualifizieren, müsste er im Endlauf unter die besten fünf kommen. Ein aussichtsloses Szenario. "Mein Kajak dreht sich nach 20 Metern um, dann muss ich noch 180 Meter schwimmen", sagte Taufatofua, "ich kann aber nicht so weit schwimmen. Entweder muss ich länger im Boot sitzen oder ich werde gegen das Ertrinken kämpfen."

Sein alter Taekwondo-Trainer hat versucht, ihm den Sport per Youtube-Videos näherzubringen. Einen Crashkurs gab es nun vor Ort in Ungarn durch den Weltverband, der ihm auch ein Boot stellt. Im kommenden Februar gibt es noch eine Chance, sich über die Kontinentalwettbewerbe zu qualifizieren. Mit starken Neuseeländern und Australiern ist Taufatofua aber auch dort der absolute Außenseiter. Seine einzige realistische Möglichkeit: Einen der Einladungsplätze zu bekommen, über die das IOC dann entscheidet. Und so einen Taufatofua will man schon gerne dabei haben.

Als Prinz Harry und Meghan im vergangenen Herbst Tonga besuchten, trugen sie den traditionellen Überrock, den Taufatofua bei der Eröffnungsfeier 2016 berühmt gemacht hatte. Auch er selbst wurde zum Empfang eingeladen, doch seine Lieblingsgeschichte davon hat mit seinem Vater zu tun, der als Doktor der Agrarwissenschaften für die Regierung arbeitet. "Als ich meinem Vater davon erzählt habe, dass ich zum Essen mit Prinz Harry und Meghan eingeladen wurde, hat er gesagt: Das ist schön. Jetzt lass uns aufs Feld gehen, unsere Kühe brauchen Wasser." Er will doch gerne einer von ihnen bleiben.

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