Kanu-Silber für Sideris Tasiadis:Ausgerechnet der Jüngste

Kanuslalomfahrer Sideris Tasiadis setzt mit seiner Silbermedaille im Kanadier eine deutsche Tradition bei Olympischen Spielen fort und verblüfft damit seine Mitstreiter. Als Junior ließ der Sohn griechischer Eltern keinen wichtigen Titel aus - jetzt ist er Olympiazweiter. Als Jüngster im gesamten Kanu-Kader.

Thomas Hahn, London

Das Lee Valley White Water Centre liegt in den Hügeln von Hertfordshire zwischen Bäumen und Strommasten. London ist 30 Kilometer weg, und wenn nicht gerade Olympische Spiele stattfinden und 12 000 Zuschauer von Stahlrohrtribünen aufs wilde Wasser des künstlichen Kanals schauen, liegt hier eine große Ruhe über der Landschaft. 31 Millionen Pfund hat das Zentrum gekostet, trotzdem soll es ein Beispiel für die britische Spiele-Politik der Nachhaltigkeit sein, weil hier nicht nur 2015 die Kanuslalom-WM stattfindet und die britische Nationalmannschaft ein Trainingszentrum bezogen hat.

Kanu-Silber für Sideris Tasiadis: Olympia-Silber im Wasser: Sideris Tasiadis.

Olympia-Silber im Wasser: Sideris Tasiadis.

(Foto: AP)

Sondern, weil es außerhalb der Wettkampfzeiten ein gut besuchter Freizeitpark ist. Im Lee Valley White Water Centre steckt also offensichtlich viel britische Wertarbeit. Und bestimmt wird das auch der Augsburger Kanuslalom-Fahrer Sideris Tasiadis zu schätzen wissen, der mit dem Kurs im sattgrünen englischen Hinterland fortan aber noch etwas ganz anderes verbinden wird: seinen Silber-Gewinn im Canadier bei den Olympischen Spielen von London, hinter dem Franzosen Tony Estanguet und vor dem Slowaken Michal Martikan.

Sideris Tasiadis wird noch seinen Enkeln erzählen können von diesem mausgrauen Dienstag, an dem er sich nur knapp geschlagen geben musste im Kampf um Gold. Und er wird seinen Bericht verbinden können mit einem Verweis auf den Wert von Idolen fürs eigene Fortkommen. Denn die Männer, zwischen die er sich im Wettkampf geschoben hatte und mit denen er später auf dem Siegerpodest zusammentraf, waren ja nicht irgendwelche Rivalen.

Der eine war Estanguet, 34, der Olympiasieger von 2000 und 2004, der andere war Martikan, 33, der Olympiasieger von 1996 und 2008. Zwei große weise Männer seines Sports, die für ihn, Tasiadis, den 22 Jahre alten Sohn griechischer Eltern, schon Bezugspersonen waren, als diese noch gar nicht wussten, dass er existiert. "Das waren ja meine Vorbilder", sagt Sideris Tasiadis. "Das ist ja der Witz. Immer noch, kann ich schon sagen."

Sideris Tasiadis ist ein Naturtalent, ausgestattet mit einem außergewöhnlichen Gefühl fürs Wasser und mit einem belastbaren Nervenkostüm. Klaus Gebhard, sein früherer Sportlehrer und späterer Trainer entdeckte ihn, coachte ihn zu den wichtigsten Junioren-Titeln, und bald konnte Tasiadis auch mit den besten Routiniers mithalten.

In der vergangenen Saison war er die deutsche Nummer drei im Canadier, anschließend arbeitete er an seinen Schwächen. Er bügelte die technischen Fehler aus, die seiner Jugend geschuldet waren, aber wurde als Kanufahrer nicht gleich so erwachsen, dass er seine ganze Kühnheit verlor. Das Ergebnis ist eine fast perfekte Olympiasaison: Ausgerechnet er, der Jüngste im Kader, setzte sich im nationalen Nervenkampf um den einen Olympia-Platz durch und wurde anschließend in Augsburg Europameister.

"Ich mag diesen Sport"

Jetzt steht er im Silberglanz zwischen seinen Idolen und sagt: "Schon cool." Es kam ihm vor, als wäre er ins Geschichtsbuch seines Sports hineingetreten. Ihre Konkurrenz hat Estanguet und Martikan doch fast schicksalhaft miteinander verbunden. Als der Franzose 2000 in Sydney und 2004 in Athen Gold gewann, war der Slowake jeweils Zweiter. Tasiadis sagt: "Die sind seit Jahren Rivalen." Und jetzt? "Ich dazwischen. Das haben sie nicht so erwartet, denke ich."

Junge Leute und Vorbilder. Kein ganz einfaches Thema. Die neue Sportlergeneration tritt doch meistens eher an, um die Alten zu verdrängen, nicht um ihnen zu huldigen. Und natürlich wäre auch Sideris Tasiadis gerne noch etwas respektloser gewesen und hätte auch die 97,06 Sekunden von Tony Estanguet im Finale der besten Acht übertroffen statt mit seinen 98,09 nur die 98,31 von Michal Martikan. Aber dass er zu den beiden aufschaut, dazu steht er.

Schon vor zehn Jahren, als er gerade angefangen hatte zu paddeln, zeigte Coach Gebhard auf Estanguet und Martikan und sagte: An die musst du dich halten. "Ich habe immer angeschaut, was die machen, und dann habe ich versucht das nachzumachen und den Mittelweg zwischen den beiden zu finden", sagt Tasiadis.

Estanguet ist größer und leichter, er pflegt kürzere, schnellere Paddelzüge, Martikan ist schwerer und kleiner, er fährt technischer, mit längeren Paddelzügen. Das Beste von beiden wollte er übernehmen und kombinieren. Sideris Tasiadis findet Vorbilder wichtig. "Damit man den Weg findet, auf den man hinarbeitet."

Das haben die alten Männer nun davon, dass sie ihre schwierige Disziplin mit solcher Meisterschaft ausgeführt haben. Die Jugend nimmt sich ein Beispiel und attackiert sie, und natürlich kam später die Frage auf, wie es nun weitergehen werde mit ihnen. "Ich mag diesen Sport, ich werde nicht aufhören nach diesen Spielen, ich hoffe, 2016 noch gesund zu sein", sagte Martikan. Estanguet glaubt eher nicht mehr an einen Start in Rio, aber übers Aufhören sagt er: "Ich habe vor ein paar Monaten entschieden, das nicht heute zu entscheiden."

Nur bei dem jungen Mann in ihrer Mitte stellte sich die Frage nicht. Für Sideris Tasiadis hat das Sportlerleben doch erst so richtig angefangen.

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