Das Lee Valley White Water Centre liegt in den Hügeln von Hertfordshire zwischen Bäumen und Strommasten. London ist 30 Kilometer weg, und wenn nicht gerade Olympische Spiele stattfinden und 12 000 Zuschauer von Stahlrohrtribünen aufs wilde Wasser des künstlichen Kanals schauen, liegt hier eine große Ruhe über der Landschaft. 31 Millionen Pfund hat das Zentrum gekostet, trotzdem soll es ein Beispiel für die britische Spiele-Politik der Nachhaltigkeit sein, weil hier nicht nur 2015 die Kanuslalom-WM stattfindet und die britische Nationalmannschaft ein Trainingszentrum bezogen hat.
Olympia-Silber im Wasser: Sideris Tasiadis.
(Foto: AP)Sondern, weil es außerhalb der Wettkampfzeiten ein gut besuchter Freizeitpark ist. Im Lee Valley White Water Centre steckt also offensichtlich viel britische Wertarbeit. Und bestimmt wird das auch der Augsburger Kanuslalom-Fahrer Sideris Tasiadis zu schätzen wissen, der mit dem Kurs im sattgrünen englischen Hinterland fortan aber noch etwas ganz anderes verbinden wird: seinen Silber-Gewinn im Canadier bei den Olympischen Spielen von London, hinter dem Franzosen Tony Estanguet und vor dem Slowaken Michal Martikan.
Sideris Tasiadis wird noch seinen Enkeln erzählen können von diesem mausgrauen Dienstag, an dem er sich nur knapp geschlagen geben musste im Kampf um Gold. Und er wird seinen Bericht verbinden können mit einem Verweis auf den Wert von Idolen fürs eigene Fortkommen. Denn die Männer, zwischen die er sich im Wettkampf geschoben hatte und mit denen er später auf dem Siegerpodest zusammentraf, waren ja nicht irgendwelche Rivalen.
Der eine war Estanguet, 34, der Olympiasieger von 2000 und 2004, der andere war Martikan, 33, der Olympiasieger von 1996 und 2008. Zwei große weise Männer seines Sports, die für ihn, Tasiadis, den 22 Jahre alten Sohn griechischer Eltern, schon Bezugspersonen waren, als diese noch gar nicht wussten, dass er existiert. "Das waren ja meine Vorbilder", sagt Sideris Tasiadis. "Das ist ja der Witz. Immer noch, kann ich schon sagen."
Sideris Tasiadis ist ein Naturtalent, ausgestattet mit einem außergewöhnlichen Gefühl fürs Wasser und mit einem belastbaren Nervenkostüm. Klaus Gebhard, sein früherer Sportlehrer und späterer Trainer entdeckte ihn, coachte ihn zu den wichtigsten Junioren-Titeln, und bald konnte Tasiadis auch mit den besten Routiniers mithalten.
In der vergangenen Saison war er die deutsche Nummer drei im Canadier, anschließend arbeitete er an seinen Schwächen. Er bügelte die technischen Fehler aus, die seiner Jugend geschuldet waren, aber wurde als Kanufahrer nicht gleich so erwachsen, dass er seine ganze Kühnheit verlor. Das Ergebnis ist eine fast perfekte Olympiasaison: Ausgerechnet er, der Jüngste im Kader, setzte sich im nationalen Nervenkampf um den einen Olympia-Platz durch und wurde anschließend in Augsburg Europameister.