Süddeutsche Zeitung

Kanu:Ruhrfestspiele für Solisten

Die Kanuten paddeln bei den deutschen Meisterschaften in Duisburg zurück in die Normalität - allerdings mit einer Beschränkung: Dieses Mal finden die Entscheidungen nur im Einer statt.

Von Barbara Klimke

An diesem Wochenende wäre Max Rendschmidt in der Bucht von Tokio gepaddelt. Unter Aufbietung all seiner Kräfte, geradewegs durch den Sea Forest Waterway, eine Wettkampfstrecke zwischen künstlichen Inseln. Doch Olympia ist verschoben. So wird er stattdessen über die Regattabahn in Duisburg gleiten. Mit großer Freude, übrigens, wie er sagt, denn in den vergangenen Monaten traf er im Leistungszentrum in Essen auf Kollegen aus Hallensportarten, die wegen der Pandemie wochenlang nicht trainieren konnten. Er selbst saß nie auf dem Trockenen: Max Rendschmidt, 26, hat sein Kanu auf dem Baldeneysee, auf Brandenburger Seen und auf dem Rhein zu Wasser gelassen.

"Wir Outdoor-Athleten hatten Glück", erklärt Rendschmidt, der Doppel-Olympiasieger von Rio im Zweier und Vierer. Schon früh saßen die Rennkanuten wieder in ihren Kajaks, zunächst mit Sondergenehmigungen. Als Erste bezogen sie nach dem Lockdown im Bundesleistungszentrum Kienbaum Quartier. Nun fahren sie in Duisburg von Freitag bis Sonntag tatsächlich um die Wette. Die deutschen Meisterschaften sind ihr erster Wettkampf in diesem Jahr. Ein kleiner Paddelschlag zurück in die Normalität, wenn auch aus gegebenem Anlass nur in kleinen Booten.

Denn die Meisterschaften 2020 für Junioren und Senioren werden nur im Einer ausgefahren. Alle anderen Klassen, die Zweier und Vierer, bleiben diesmal an Land. Diese Beschränkung war aus logistischen Gründen nötig, erklärt Thomas Konietzko, der Präsident des nationalen Verbandes DKV: 250 Athleten sollen sich auf dem Wasser messen können, hundert Begleitpersonen, Kampfrichter und Techniker sind zusätzlich vonnöten. Damit sind die Kapazitäten des Hygienekonzepts ausgelastet, das der DKV mit den Behörden abstimmte. Für die Sportler sind drei Unterbringungscluster eingerichtet, an der Regattastrecke wurde ein Einbahnsystem abgesteckt. "Hätten wir noch die Mannschaftsboote zugelassen, wären wir 500 oder 600 Leute gewesen", rechnet Konietzko vor: "Da war uns das Risiko zu groß."

So treten also Einzelkämpfer an, Mann gegen Mann, Frau gegen Frau. Und weil fast die gesamte deutsche Elite vorstellig wird bei diesen Kanu-Ruhrfestspielen, mit Ausnahme von Franziska John, Olympiasiegerin 2012 im Kajak-Zweier, die schwanger ist, erwartet DKV-Präsident Konietzko, dass die jüngeren Athleten den Etablierten ein bisschen Wellengang bereiten: "Alles geht wieder bei Null los." Die Boote für 2021 seien noch längst nicht voll besetzt.

Für Max Rendschmidt sind solche einsamen Rennen nichts Außergewöhnliches. Als er in den Wochen, als die Bootshäuser wegen der Pandemie versperrt waren, sein Kajak vom Autodach nahm, wo er es zwischenlagerte, war er immer als Solist unterwegs. Auch die beiden Leistungsüberprüfungen für Kaderathleten im Juni und Juli fanden, wie üblich, im Einer statt. Und in den Wintermonaten trainieren die Rennkanuten ohnehin allein: "Nur dass der Winter in diesem Jahr durch Corona gewissermaßen sehr viel länger war", sagt er. In den Trainingslagern der Nationalmannschaft wird im Vierer, dem Flaggschiff des DKV, bereits wieder das synchrone Eintauchen der Paddel feinjustiert. Nur ob dieser Vierer, bei dem Rendschmidt ganz vorn sitzt, in diesem Jahr auch international getestet wird, steht noch nicht fest.

Bis September sind weitere Trainingsmaßnahmen in Kienbaum und Oberschleißheim geplant. Dann endet diese vorolympische Saison, die eine olympische hätte sein sollen. Den Termin für die deutschen Meisterschaften just an den Tagen, da in Tokio ursprünglich die Finals anstanden, hat der Verband bewusst gewählt. "Es soll ein Zeichen sein", sagt Konietzko: "Dass es weiter geht."

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SZ vom 07.08.2020
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