Süddeutsche Zeitung

Kanu:"Eine Farce"

Weil sich die Kosten des Verbandes für Dopingkontrollen fast verdoppelt haben, werden nun die Athleten indirekt für die Tests zur Kasse gebeten.

Von Barbara Klimke, Berlin

Morgens schwimmen, abends grillen: Das hätte der Plan sein können am Erholungstag der Kanu-Nationalmannschaft im Trainingszentrum Kienbaum, östlich von Berlin. Sebastian Brendel, 30, stieg trotzdem in seinen Canadier. Ein dreimaliger Olympiasieger gönnt sich keine Pause, wenn einen Monat später eine Weltmeisterschaft ansteht; Kanu ist ein kräftezehrender, trainingsintensiver Sport. Zu erfahren, dass die Kanuten künftig persönlich für ihre Dopingkontrollen zur Kasse gebeten werden, hat die Tiefenentspannung Brendels an diesem Erholungstag dann aber auch nicht gefördert. "Kurios", nannte er die Nachricht. Und: "eine Farce".

Am Dienstag mussten der Generalsekretär des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV), Wolfram Götz, und der Präsident, Thomas Konietzko, den Athleten eröffnen, dass der Anteil, den die Kanuten an die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) abzuführen haben, für dieses Jahr erheblich gestiegen ist: von 45 000 auf 88 000 Euro. Diese Summe muss, so ist es vorgeschrieben, aus den Eigenmitteln der olympischen Spitzensportverbände kommen, aber so viel Rücklagen hat der DKV nicht: Die Kanuten sind reich an Meriten - allein bei den Sommerspielen in Rio sammelten sie sieben Olympiamedaillen -, aber nicht reich an Geld. Und so hat die Verbandsführung nun beschlossen, dass sie für die Abgabe an die Nada zumindest teilweise Sponsorenbeträge verwenden will: Das sind Einnahmen, die der DKV bisher an seine Athleten weiterreichte, von denen keiner zu den Großverdienern im Sport gehört. Sebastian Brendel, angestellt bei der Bundespolizei als Polizeihauptmeister, verheiratet, zwei Kinder, hat in einer ersten Rechnung grob überschlagen, dass ihm im Jahr rund 300 Euro fehlen werden, wenn die Sponsoreneinnahmen an die Nada gehen. "Ich finde es sehr gut, dass wir kontrolliert werden und beweisen können, dass wir sauber sind", sagte er: "Aber wenn wir selber dafür bezahlen sollen - das geht gar nicht."

Die Situation ist exemplarisch für einen kleinen Verband, und sie zeigt die Durchschlagskraft sportpolitischer Gremienentscheidungen bis hinunter an die paddelnde Basis. Denn über die Finanzierung der Nada wird debattiert, so lange es sie gibt. 2015 verständigten sich die im DOSB organisierten Sportverbände darauf, das komplette Management aller Trainings- und Wettkampfkontrollen an die Nada abzugeben und es anteilig zu finanzieren. Die Gesamtkosten für das Dopingkontrollsystem belaufen sich auf 5,5 Millionen Euro im Jahr; davon finanzierten die Sportverbände bislang eine Million, der Rest sind Bundesmittel. Nun wird die Beteiligung des Sports auf 1,25 Millionen Euro erhöht. Zugleich greift ein neuer Verteilungsschlüssel, der "auf ausdrücklichen Wunsch" der Sportverbände, wie die Nada erläutert, erarbeitet und im Juni bei einer Tagung in Berlin abgesegnet wurde. Das ist der Grund für die Kostensteigerung, die mehrere Verbände trifft, nicht nur die Kanuten.

Der neue Verteiler sollte gerechter sein, weil er nach einer Formel berechnet wird, die sich auf die tatsächlich durch die Nada durchgeführten Trainings- und Wettkampfkontrollen der Jahre 2013 bis 2016 bezieht. Und bei den Kanuten wurde viel getestet, wie DKV-Präsident Konietzko bestätigt: "Wir haben Wert auf die Ausschöpfung der Kontrollmöglichkeiten gelegt, und wir wollen das auch weiter tun." Man könne es sich leicht machen und weniger Kontrollen anfordern, sagt er - "aber das ist das Letzte, was wir wollen".

Allerdings sieht er nun die Gefahr, dass andere Sportverbände womöglich auf die Idee kommen könnten, Kosten zu senken, indem sie an Dopingkontrollen sparen. Das größere Problem aber, sagt Konietzko, sei der Umstand, dass die Nada "immer noch von Pontius zu Pilatus laufen muss, um sich zu finanzieren". Zuwendungen aus der Wirtschaft gab es 2017 nicht mehr.

Den Unmut der Kanuten, die nun für ihre Dopingtests zahlen, könne er gut verstehen, sagt der DKV-Präsident. Sie hätten sich aber schließlich "zähneknirschend" gefügt, "und das zeigt ja auch Größe". Gegrillt wurde am Dienstag in Kienbaum übrigens trotzdem noch.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2018
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