Kanu:Das richtige Maß Risiko

ICF Canoe Slalom Worldcup Augsburg

Siegerin in Augsburg: Ricarda Funk kämpft sich, unterstützt von vielen Fans an der Strecke, durch den schwäbischen Eiskanal.

(Foto: Matthias Hangst/Getty)

"Manchmal ist es auch so, dass man sich viel mehr Gedanken macht, wenn man die Strecke so gut kennt": Ricarda Funk gewinnt beim Weltcup daheim in Augsburg.

Von Christian Bernhard

Ricarda Funk probierte es erst einmal so, mit dem Boot in der Hand an den Menschen vorbeizulaufen. Schnell war aber klar, dass es so nicht funktionieren würde. Zu viele Kinder standen am Ausstieg des Augsburger Eiskanals um sie herum und baten um ein Autogramm. Also legte Funk ihr Boot doch auf den Boden - und unterschrieb alles, was ihr entgegen gehalten wurde. Kanu-Slalom-Fahrerin Funk war am vergangenen Wochenende nicht nur nach ihrer Halbfinal-Bestzeit eine gefragte Person. Denn nach dem Finallauf im Kajak am Sonntag war der Rummel um sie beim Weltcup in Augsburg noch größer. Sie nahm zahlreiche Glückwünsche an, ehe sie in das kleine Zelt kam, in der die Führende stand. Funk ging hinein - und gab direkt ihr Sieger-Interview, denn nach ihr kam keine Fahrerin mehr. "Einfach nur geil" sei das Gefühl, sagte die 25-Jährige aus Bad Kreuznach, die in Augsburg lebt und trainiert, nach ihrem fünften Weltcupsieg.

Funks Kollege Tasiadis kommt mit dem Klapprad zur Siegerehrung

Funk kannte die Strecke in- und auswendig, was nicht immer nur ein Vorteil ist: "Manchmal ist es auch so, dass man sich viel mehr Gedanken macht, wenn man die Strecke so gut kennt", erklärte sie. Man wisse umso genauer, was alles schiefgehen und passieren kann. Deshalb ging es für sie ganz besonders darum, die Balance zu finden. "Das hat heute gut geklappt." Die Suche nach der Balance ist eine der zentralen Aufgaben, der sich Kanu-Slalom-Fahrer stellen müssen. Wie viel Risiko geht man ein, ohne zu überdrehen und Fehler zu produzieren? "Wer zu viel will, verkrampft schnell", sagte Thomas Apel, der Kajak-Bundestrainer. Wenn das Timing nicht stimmt, "fährt man nur gegen das Wasser". Das bemerken die Fahrer schnell - und das macht es meistens noch schlimmer. Auf der anderen Seite darf man nicht zu kontrolliert fahren, dafür ist die Weltspitze viel zu eng zusammen, erklärte Apel. Fahre man zu vorsichtig, reiche es zu Platz sieben oder acht. Mehr nicht. Wenn es aufs Podest gehen soll, muss man das "richtige Maß Risiko" finden, sagte er.

Auch Sideris Tasiadis gelang das. Der 27-Jährige aus Augsburg fuhr im Canadier-Einer hinter dem Weltranglisten-Ersten Matej Benus aus der Slowakei auf den zweiten Platz. Eine Berührung des drittletzten Tores kostete ihn den Sieg. "Mir ist es ziemlich gut gelungen, das richtige Maß zwischen Vollgas und Sicherheit zu finden", sagte der Silbermedaillengewinner von London 2012, er war zufrieden. Insgesamt sammelten die deutschen Athleten im Eiskanal, in dem 1972 die ersten olympischen Rennen der Kanu-Slalom-Fahrer ausgetragen wurden, sechs Podestplätze. Neben Funk gewannen auch Robert Behling und Thomas Becker (Schkopau) im Canadier-Zweier. Bei Tasiadis und Funk schaut es nach dem zweiten starken Ergebnis sehr gut im Rennen um den Gesamt-Weltcup aus, Funk war kürzlich beim ersten der fünf Weltcup-Rennen in Prag Dritte geworden, Tasiadis hatte in der tschechischen Hauptstadt gewonnen. Am kommenden Wochenende geht es in Markkleeberg bei Leipzig mit der dritten Weltcup-Station weiter. Jetzt schiele er "auf jeden Fall" auf den Gesamt-Weltcup, sagte Tasiadis.

Die guten Ergebnisse in Augsburg kamen nicht überraschend, die Deutschen fühlen sich in diesem Eiskanal nicht nur wohl, weil sie ihn so gut kennen. Sie profitierten am Wochenende auch von der familiären Atmosphäre, die über der gesamten Anlage lag. Neben den Betreuern liefen viele Fans an der Strecke mit und brüllten die heimischen Athleten ins Ziel, während sie auf die direkt am Kanal befestigten Werbebanden klopften. "Das ist einmalig", sagte daher auch die Siegerin Funk, "die schreien einen bis ins Ziel, auch wenn etwas schiefgegangen ist." Tasiadis hatte die Streckenbesichtigung am Finaltag mit seinem Hund Milou absolviert, dem danach von seinem Fanklub eine Deutschland-Blumenkette umgehängt wurde. Zur Siegerehrung kam Tasiadis mit einem alten Klapprad, das er später auf einem Rasenhügel zusammen mit der Akkreditierung, Startnummer, seinem Käppi und Trainingsanzug-Oberteil ablegte. Es sei schon ein anderes Feeling, betonte er, "diese Stätte ist etwas ganz besonderes". Die Stimmung am Eiskanal könne man mit nichts vergleichen, sagte er, während er mit dem kleinen Siegerehrungs-Blumenstrauß in der Hand ebenfalls fleißig Autogramme am Eiskanal schrieb.

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