Sein Herz in die Hand zu nehmen, gilt als Akt der Courage. Es geht in diesem geflügelten Wort um Leidenschaft, Mut und Vertrauen. Derlei Empfindungen finden zwar im Kopf statt, werden poetisch aber im Herzen gebündelt. Eher schwierig ist zu ergründen, was es bedeuten könnte, "den Arsch in die Hand" zu nehmen. So hatte es Bayer Leverkusens Mittelfeldspieler Kevin Kampl vor dem rheinischen Derby gegen Borussia Mönchengladbach gefordert. Doch in diesem Falle sollte sich Kampls Wortwahl als dennoch treffende Forderung nach einer Reaktion auf die mauen Leistungen der vergangenen Wochen entpuppen. Der Trainer jedenfalls hat im Spiel die erforderliche Poesie gesehen. "Meine Mannschaft hat heute großes Herz gezeigt", sagte Roger Schmidt.
Kämpferisch und leidenschaftlich demütigten die zuvor kriselnden Leverkusener die zuvor euphorischen Gladbacher, gewannen durch drei Treffer von Javier Hernandez und zwei von Stefan Kießling mit 5:0 (1:0) und schlossen tabellarisch zu den Europapokalplätzen auf. Die Gladbacher, die nach acht Siegen und zwei Unentschieden die erste Bundesliga-Niederlage unter ihrem Trainer André Schubert erlitten, rutschten aus der Champions-League-Region. "Das hat uns hart getroffen heute", sagte Schubert, "das müssen wir erstmal verdauen."
Drei Tore von Chicharito, zwei Treffer und zwei Vorlagen von Kießling
Vor allem Kießling, der auch zwei Treffer von Hernandez vorbereitete, wurde von den Leverkusener Fans frenetisch bejubelt und erntete von Trainer Schmidt "Respekt". Kießling, der zuletzt fünf Bundesligaspiele nicht mehr in der Startelf gestanden hatte und bereits mit anderen Vereinen liebäugeln soll, feierte ein bemerkenswertes Comeback und bewies, dass er auch gemeinsam mit Hernandez spielen kann. Dies hatten viele Experten immer bezweifelt. "Was so gut funktioniert, muss man sicher öfter mal auf den Platz bringen", sagte Schmidt über die Zukunft dieser Doppelspitze bei Bayer, womit er keine Diskussion zuzulassen schien über das Gerücht, Kießling könne womöglich bereits in der Winterpause den Klub verlassen. "Wir müssen uns aber seine Wünsche anhören", sagte Schmidt - und da klang es schon wieder nicht mehr so klar.
Das Duell jener beiden Mannschaften, die unter der Woche ihr vorerst letztes Champions-League-Spiel bestritten hatten, begann sogleich mit erfrischendem Fußball. Während Schmidt mit Kießling für Admir Mehmedi nur einen Wechsel vorgenommen hatte, brachte Schubert gleich drei neue Männer in die Startelf: Tony Jantschke, Ibrahima Traoré und Josip Drmic für Nico Elvedi, Fabian Johnson und Raffael. Während Johnson verletzt fehlte, saßen Raffael und Elvedi auf der Bank. Sie fehlten Gladbach. Jantschke und Drmic spielten fehleranfällig. Die Gäste mussten sich schon in der ersten Halbzeit der Leverkusener Dominanz hart erwehren. Bayer schnürte Borussia weitgehend ein, schon lange vor dem 1:0.