Kampf um Sportrechte:Die Internetgiganten planen den Großangriff

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Neben dem TV-Sender Sky gibt es inzwischen einige Bewerber aus der Internetbranche um die attraktivsten Sportrechte. (Foto: dpa)
  • Während der traditionelle TV-Markt zu schwächeln droht, stoßen die großen Sportligen auf neue Möglichkeiten.
  • Denn die Internetgiganten Amazon, Youtube, Twitter und Facebook entdecken den Sport.
  • In Deutschland erwarten Experten, dass Dazn, der Streamingdienst des US-Milliardärs Len Blavatnik, 2021 zum Großangriff auf die Bundesligarechte von Sky blasen wird.

Von David Wiederkehr, München

Immer weiter, immer gieriger. Das war bislang die Richtung für die großen Sportligen der Welt. Das Geld floss, und es floss fast ohne eigenes Zutun: Die Fernsehsender lieferten die Milliarden pflichtbewusst ab, auf der Suche nach immer mehr Publikum. Und nun das: Auf einmal gibt es weniger Geld. Nicht für irgendeine Wald-und-Wiesenliga, sondern für die Premier League. Der neue nationale Vertrag, laufend ab der Saison 2019/20, bringt der lukrativsten Fußballliga der Welt in drei Saisons 676 Millionen Pfund weniger ein. Pro Jahr rund 250 Millionen Euro. Nachdem es jahrelang nur eine Richtung gab, ist es der erste Rückgang. Ist das Wachstum ausgeschöpft?

Jein. Denn die Liga streicht insgesamt noch immer über zwei Milliarden Pfund jährlich ein. Mindestens. Der Markt erschöpft sich nur zu Hause. Andernorts sprudeln die Millionen weiter, vor allem in Asien. An diese - insgesamt 80 - internationalen TV-Deals macht sich die Premier League als Nächstes. Der Guardian rechnet mit "signifikant mehr" als der einen Milliarde Pfund, die sie derzeit im Ausland einnimmt: "Die Blase platzt nicht so schnell." Anzuzweifeln ist, ob sie das je tut.

Bayern-Chef Rummenigge glaubt, die Preise werden "explodieren"

Livesport, vor allem Fußball, ist attraktiv und sorgt für Quote. Und für immer noch mehr Interessenten. So werden die großen Sportarten bald von weiteren Vertriebskanälen profitieren. Von besonders zahlungskräftigen: Amazon, Youtube, Twitter, Facebook - die Internetgiganten aus den USA entdecken gerade den Sport. Noch tun sie das in kleinen Schritten.

Für Karl-Heinz Rummenigge, den Vorstandsvorsitzenden von Bayern München, ist aber klar, dass "die Preise explodieren", sobald sich diese Firmen in der Sportwelt erst einmal so richtig einnisten. Wenn in Deutschland 2021 und in England 2022 die Rechte das nächste Mal neu vergeben werden, könnte es bereits so weit sein. "Diese Unternehmen sammeln erste Erfahrungen, um sich dann später stärker und gezielter zu engagieren. Wenn sie voll einsteigen, werden die Preise in die Höhe schießen, weil sie andere Budgets zur Verfügung haben als traditionelle Sender", sagte Rummenigge zuletzt im Interview mit dem Magazin GQ.

Fernsehen
:Nur die Nummer zwei

Die Fernsehsender ARD und ZDF waren an den ersten Olympiatagen erwartungsgemäß die Quoten-Besten. Discovery/Eurosport kann es dagegen bei weitem nicht mit der jahrzehntelangen olympischen Erfahrung der Sublizenznehmer aufnehmen.

Ob die TV-Rechte nun 500 Millionen Dollar oder eine Milliarde kosten, das sei für die neuen Bieter "nicht entscheidend", glaubt er. Erste Erfahrungen mit Internet-Übertragungen macht die Bundesliga in dieser Saison: Die meisten Spiele am Freitag und Montag werden exklusiv im Eurosport-Player gezeigt.

Amazon investierte 2017 rund 4,5 Milliarden Dollar in Übertragungsrechte

Der amerikanische TV-Riese Discovery darf nach einer Entscheidung des Bundeskartellamts in dieser Spielzeit 40 Erstligaspiele übertragen. Ein umstrittener Deal: Kunden benötigen jetzt zwei Pakete für das Pay-TV, um alle Bundesligapartien zu sehen. Außerdem verstärkten enorme technische Probleme bei den ersten Internetübertragungen den Ärger. Fußballabende fielen teilweise ganz aus.

Diesen (mittlerweile offenbar überwundenen) Schwierigkeiten zum Trotz scheint Streaming die Zukunft im Sportrechtemarkt zu sein. Amerikanische Sender wie NBC oder ESPN haben bereits eigene Streamingdienste gegründet. Oder Know-how teuer eingekauft.

Um ihren Abonnenten ein breites Angebot zu bieten, sind die Internetkonzerne bereit, ein Vermögen auszugeben. Amazon investierte 2017 rund 4,5 Milliarden Dollar in Verwertungs- und Übertragungsrechte, bei Netflix waren es sechs Milliarden. Beide Streamingdienste wenden bereits mehr auf als klassische US-Sender wie CBS (4,2 Milliarden). Tendenz steil steigend.

In den USA verlagern sich die Sportrechte außerdem zunehmend in die sozialen Netzwerke. So waren 2016 die Donnerstagspartien der National Football League (NFL) im Kurznachrichtendienst Twitter zu sehen. Es genügte, dort ein kostenloses Konto zu besitzen. Im Jahr darauf übernahm Versandhändler Amazon die Rechte an jenen elf Spielen. Ein 50 Millionen Dollar teures Mittel zum Zweck, seine kostenpflichtige Plattform Prime Video zu vermarkten.

Oder die Major League Baseball (MLB): Sie ließ im vergangenen Jahr 20 Spiele zusätzlich auf Facebook vertreiben, kostenfrei zu empfangen. Das Experiment war derart erfolgreich, dass in der just angebrochenen Saison 25 MLB-Partien gar exklusiv auf dem konzerneigenen Videoportal Facebook Watch zu sehen sein werden. Auch an der Major League Soccer, dem Volksspektakel Wrestling und dem populären College Football hat Facebook die Rechte erworben.

Warum das Unternehmen dies tut? Erstens, sagt Dan Reed, Facebooks Verantwortlicher der weltweiten Sport-Kooperationen, "weil Sport perfekt zu Facebook passt: Es ist von sich aus sozial und sehr beliebt". Um den Kauf weiterer Rechte voranzutreiben, warb Facebook Eurosports Geschäftsführer Peter Hutton ab, unmittelbar nach den Olympischen Winterspielen. Und zweitens - doch das sagt Dan Reed nicht - bezahlt der Kunde für das Angebot ja trotzdem, ob es für ihn nun kostenlos ist oder nicht. Und zwar mit Daten, Informationen zu seiner Persönlichkeit und seinen Konsumgewohnheiten.

Streamingdienst Dazn zeigt die Champions League - und 2021 die Bundesliga?

"Dies ist für diese Firmen eine riesige Chance", sagt Philipp Ostsieker. Der Fachmann glaubt, dass Facebook in den nächsten zehn Jahren Nachahmer finden wird. Die Affäre um die dubiose Politikagentur Cambridge Analytica, die auf Facebook die Daten von 50 Millionen Nutzern abgeschöpft und zu Wahlkampfzwecken missbraucht haben soll, zeigt allerdings auch die negative Seite dieser Entwicklung.

Neben Facebook interessieren sich freilich auch herkömmliche Sender für die digitalen Profile der Nutzer - wie nie zuvor lässt sich beim Streaming das Sehverhalten der Zuschauer messen. Wie aggressiv die Internetfirmen im Kampf um Kundschaft vorgehen, zeigt Dazn. Der Streamingdienst des britischen Medienunternehmens Perform Group lauert in den verschiedensten Sportarten auf frei werdende Rechte und hat sich schon lukrative Pakete gesichert: die Champions League, Premier League, Primera División, NFL, NBA, Rugby, Darts und von der Bundesliga zumindest die Höhepunkte. Und noch immer läuft Dazn, gegründet 2016, bloß in einer Testphase, ist lediglich in Kanada, Japan und dem deutschsprachigen Raum zu empfangen.

Hinter dem Dienst steckt US-Milliardär Len Blavatnik. Der russischstämmige US-Amerikaner ist laut Forbes fast 20 Milliarden Dollar schwer und auch am schwedischen Musikdienst Spotify beteiligt. Mit Goal.com und Spox.com betreibt die Perform Group auch populäre Sportportale und mit Opta Sports einen Datenriesen. Experten erwarten, dass Dazn 2021 zum Großangriff auf die Bundesligarechte von Sky blasen wird. Bei den Übertragungsrechten der Champions League ab der kommenden Saison hat der Dienst in Deutschland immerhin schon Sky Sublizenzen abgekauft - das ZDF überträgt nicht mehr.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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