Kajak:Glückliches Auspaddeln

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Kämpft sich für den TSV Schwaben Augsburg durch die Wellen: Alexander Grimm, 31. Der Olympiasieger von Peking 2008 ist der große Star der deutschen Meisterschaften an der Münchner Floßlände.

(Foto: Tilo Wiedensohler/imago)

Olympiasieger Alexander Grimm aus Augsburg beendet im Alter von 31 Jahren seine Karriere - obwohl er noch Spaß an seinem Sport hat.

Von Matthias Schmid

Alexander Grimm hat schon einige Bewerbungsunterlagen an Unternehmen verschickt. Er ist selbst gespannt, wie sein Lebenslauf in der Wirtschaftswelt ankommt. Der 31-Jährige hat bereits ein Maschinenbau-Studium abgeschlossen, im Moment macht er in München noch seinen Master of Business Administration (MBA), er darf sich danach Wirtschaftsingenieur nennen. "Ich bin dann fachlich breit aufgestellt", sagt er selbst. Aber da gibt es da ja noch einen Punkt in seinem Lebenslauf bei weiteren Referenzen, bei dem er nicht so recht weiß, ob und inwiefern dieser sich für seine Jobchancen bezahlt machen könnte: Grimm ist Olympiasieger im Kajak-Slalom. Bei den Sommerspielen in Peking vor zehn Jahren gewann der Augsburger überraschend Gold. Mit gerade mal 21 Jahren.

"Man wird sehen, ob mir das hilft", sagt Grimm nüchtern wie ein Notar bei der Testamentseröffnung. Er will nicht verraten, ob ein Unternehmen sich schon bei ihm gemeldet hat. Er ist da vorsichtig mit Prognosen, wie ein Sportler vor einem wichtigen Wettkampf. Seit ein paar Tagen steht fest, dass sich Grimm nur noch um seine berufliche Karriere kümmern wird. Sein anstrengendes Doppelleben aus Studium und Leistungssport hat er beendet. "Es gab keinen konkreten Anlass dafür", sagt er selbst.

Grimm fühlt sich fit, auch konkurrenzfähig. Mit seiner Bronzemedaille bei der Extrem-Weltmeisterschaft und seinem zehnten Platz bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr hat er gezeigt, dass er noch mit den Weltbesten mithalten kann. Er hat aber irgendwie gespürt, dass es an der Zeit ist, etwas in seinem Leben zu ändern, etwas Neues zu beginnen. "Und ich wollte aufhören, wenn mir der Sport noch Spaß macht und keine Qual ist." Drei Wochen verbrachte Grimm zuletzt im englischen Plymouth. An der Universität dort besuchte er einen Intensivkurs. Er konnte da in drei Wochen den Stoff lernen, der normalerweise in einem ganzen Semester gelehrt wird. Er wollte das unbedingt machen und zog den England-Aufenthalt auch einem Trainingslager in Australien mit der Nationalmannschaft vor. "Mein Boot habe ich gar nicht mitgenommen", erzählt Grimm. In Plymouth, einer Hafenstadt im Südwesten des Landes, hat er dann endgültig feststellen können, dass er ohne seinen Sport leben kann: "Ich habe erfahren, dass es auch außerhalb des Wildwasserkanals spannende Themen gibt."

"Ich war mit 21 noch zu jung, um aufzuhören."

Es war die letzte Gewissheit, die er gebraucht hatte, um dem Bundestrainer Thomas Apel seine Entscheidung mitzuteilen, dass er nicht an der internen Ausscheidung Ende April für die internationale Großereignisse in diesem Jahr mitmachen wird. "Ich bin mit mir im Reinen und stehe zu einhundert Prozent zu der Entscheidung", sagt Grimm. Bis zuletzt hatte sein Tag noch so ausgesehen, dass er dreimal trainierte, jeweils 90 Minuten lang. Zweimal war er im Wasser anzutreffen und einmal im Kraftraum, danach fuhr er von Augsburg nach München, um zwischen 17 und 21 Uhr die Vorlesungen zu besuchen. Die akademische Ausbildung neben dem Sport ist nötig, weil ein Olympiasieger im Kanusport nichts für später zurücklegen kann. "Für den Moment kann ich gut davon leben", sagt er. Von seinen Eltern, von den Sponsoren und den Zuwendungen seines Klubs Kanu-Schwaben Augsburg.

Sein Leben ist nach Peking dennoch ein anderes geworden. Die Bilder von seinem Erfolg sind Grimm noch so präsent, als wäre es gestern gewesen. Jedes Mal, wenn er irgendwohin eingeladen wird, werden seine Läufe eingespielt. "Ich bekomme dann noch immer Gänsehaut davon", sagt Grimm, "weil den Titel verliert man nicht. Olympiasieger ist man ein Leben lang." Er war damals jung, ein krasser Außenseiter. "Ich war froh, dass ich dabei war", erzählt er im Rückblick. Doch dann gelangen ihm durch den anspruchsvollen Wildwasserkanal von Peking zwei rasante Durchgänge, welche sogar die Favoriten einschüchterten. Er holte Gold und musste danach in Deutschland erst einmal erklären, dass man auch als Olympiasieger nicht alle Rennen gewinnen kann, weil die wilden Fluten keine Rücksicht auf Titel nehmen.

Erschwerend zu der neuen Erwartungshaltung kam hinzu, dass nach den Spielen das Reglement geändert wurde, nur noch ein Lauf kommt seitdem in die Wertung, alles ist unübersichtlicher geworden, die Sieger wechseln sich häufiger ab. Aber Grimm besitzt die Gabe, um die ihn viele Rivalen stets beneidet haben. "Er kann unter Druck einen herausragenden Lauf fahren", hat sein Heimtrainer Apel mal erzählt. Grimm war nie ein Trainingsweltmeister, aber trotzdem holte er sich bei den Großveranstaltungen regelmäßig Medaillen. Er gewann 2015 EM-Silber im Einzel, mit der Mannschaft sammelte er jeweils zwei EM- und WM-Titel. "Ich bin mit meiner Karriere sehr glücklich", sagt Grimm.

Dabei wäre es beinahe gar nicht zu dieser Titelsammlung gekommen. Nach dem Olympiasieg schwirrte in einem Kopf der Gedanke herum, ob es nicht besser wäre, die Karriere zu beenden. Auf dem Höhepunkt sozusagen, denn viel mehr könne ja nicht mehr kommen. Das hatten ihm einige Leute eingeredet. Aber Grimm ignorierte sie. "Ich war mit 21 noch zu jung, um aufhören", sagt er selbst. Er liebte seinen Sport, die Reisen um den Globus, zum Beispiel nach Australien. Jetzt will er nur aus Spaß paddeln. "Ich bin nur noch Hobbysportler", sagt er fröhlich. Aber einer, der erst mal noch täglich abtrainieren muss. Er freut sich auf ein neues Kapitel in seinem Leben, Olympiasieger wird Alexander Grimm ja bleiben.

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