Bundesliga:Im Keller kreiselt das Kader-Karussell

Fussball, Bundesliga, Deutschland, Herren, Saison 2020/2021, 19. Spieltag, Rhein Energie Stadion Köln, 1. FC Köln (rot)

Ein neues Gesicht im Abstiegskampf: Max Meyer bei seinem Einstand für den 1. FC Köln.

(Foto: Uwe Kraft /Imago)

Meyer, Kabak, Mustafi, Modeste: Um den Abstieg in der Corona-Saison zu vermeiden, arbeiten die Abstiegskandidaten an ihrem Personal. Gerade für Schalke bieten sich noch Millionen-Chancen.

Von Philipp Selldorf, Köln

Wie es dazu kam, dass beim Premier-League-Klub Crystal Palace aus dem Stammspieler Max Meyer zunächst ein Ersatzspieler und dann ein permanenter Trainings- und Tribünengast wurde, das vermag nicht mal ein Kenner der Verhältnisse beim Londoner Mittelklasse-Verein zu erklären. Dabei sollte der besagte Kenner eigentlich Bescheid wissen, denn er ist nicht nur mit dem Innenleben des Klubs vertraut, sondern auch mit dem Werdegang des teuer importierten deutschen Gelegenheits-Nationalspielers. Doch auch Max Meyer höchstpersönlich kann sich den Abstieg nicht erklären, der ihm im Laufe seiner zweieinhalb Jahre bei den "Eagles" widerfahren ist. "Großartig erklärt wurde mir das nicht", sagt er, "und warum ich dann drei, vier Monate nicht mal mehr auf der Bank gesessen habe, weiß ich auch nicht". Sein Verdacht: Er habe wohl "nicht zu 100 Prozent" den Wunschvorstellungen von Palace-Trainer Roy Hodgson entsprochen.

Meyers Geschichte bietet mal wieder Einblick in die eigenartige Kommunikation beziehungsweise das seltsame Schweigen, das oft in professionellen Fußballmannschaften herrscht. Und sie erzählt auch etwas über den Umgang der Klubs mit dem vielen Geld, das ihnen TV-Anstalten und Großunternehmen zur Verfügung stellen. Dem damals 22-jährigen Meyer überließ Crystal Palace außer einem babylonischen Jahresgehalt von mehr als vier Millionen Euro auch eine Gratifikation - angeblich weitere zehn Millionen -, weil er ablösefrei aus Schalke kommen durfte. Die englische Presse bezeichnete den Transfer als Coup und lobte den dafür verantwortlichen Manager: einen Mann namens Roy Hodgson.

Masaya Okugawa und Michel Vlap sollen die Aussichten der Bielefelder verbessern

Am Sonntagnachmittag nun nahm Max Meyer, 25, wieder auf der Tribüne eines Stadions Platz, aber diesmal trug er Trikot und Fußballschuhe - und er durfte davon ausgehen, bei seinem Trainer erwünscht zu sein. Tatsächlich hat ihm Markus Gisdol zum Comeback nach fast sechs Monaten Match-Abstinenz verholfen, obwohl der Heimkehrer Meyer erst am Mittwoch die Trainingsarbeit beim 1. FC Köln aufgenommen hatte. Viel schief gehen konnte nicht mehr: Der FC lag 3:1 im Kellerduell mit Arminia Bielefeld vorn und durfte sich seiner Führung einigermaßen sicher sein. Meyer kam kurz vor Abpfiff in ein Siegerteam und berichtete, er sei "sehr glücklich, wieder in der Bundesliga zu spielen".

Es ist eine andere Liga als die, die er im Sommer 2018 als Schalker "Vizemeister" verlassen hatte, aber einige ihrer wesentlichen Merkmale sind noch dieselben. Oben herrscht um den einsamen FC Bayern gepflegte Langeweile - und auf den hinteren Rängen wird eine dramatische Meisterschaft um den goldenen Platz 15 ausgetragen. In diesem Spezialwettbewerb hat sich Köln am Sonntag Punkte gesichert, die gegen den direkten Konkurrenten Arminia einen besonderen Wert haben. Doch beide Trainer versicherten, dass noch einige andere Klubs an dieser Auseinandersetzung partizipieren: "Ende offen, nicht nur für vier oder fünf Vereine - da passiert noch einiges", weissagt Bielefelds Uwe Neuhaus. "Heute genießen, aber nicht durchschnaufen", ordnete der Kölner Gisdol an, denn er glaubt: "In der Tabelle ist alles möglich, in alle Richtungen." Den weiteren Weg wird Gisdol jedenfalls ohne Anthony Modeste antreten. Der ehemals in Köln gefeierte Stürmer wurde am Montag noch an den französischen Erstligisten AS Saint-Étienne ausgeliehen. In dieser Saison blieb er ohne Treffer.

Wie unsicher die Situation beim 1. FC Köln ist, sah man auch am Sonntag. Da wäre ein anderer Spielverlauf durchaus denkbar gewesen, doch die Bielefelder Deckung ließ bis zur Pause zwei Treffer von Marius Wolf zu, die sie in Normalform zu verhindern gewusst hätte. "Mangelhaftes Abwehrverhalten - ansonsten gibt es nicht viel zu bemängeln", meinte Neuhaus. Seine Arminen fuhren aber keineswegs als gedemütigte Verlierer heim, ihre Chancen auf den Klassenverbleib sind nach dem 19. Spieltag besser, als man erwarten durfte. Schalke 04 und Mainz 05 halten auf den direkten Abstiegsplätzen Abstand zum Aufsteiger auf Rang 16, und speziell in Gelsenkirchen nehmen die Planungen für die zweite Liga nun bereits Gestalt an.

Der FC Liverpool möchte Verteidiger Ozan Kabak aus Gelsenkirchen übernehmen

Am Montag verhandelten die Schalker mit dem FC Liverpool, der Verteidiger Ozan Kabak, 20, übernehmen möchte - am Montagabend folgte dann der Vollzug: Ein Leihgeschäft bis Saisonende samt einer Kaufoption. Schalke würde ungefähr 22 Millionen Euro für den türkischen Nationalspieler erlösen, falls der englische Meister sich zum Kauf entschließen würde. Das wäre nicht nur deshalb ein guter Handel, weil Kabak im Sommer 2019 für 15 Millionen Euro aus Stuttgart gekommen war. Die Transaktion würde den Schalkern auch sichere Einnahmen verschaffen, um den Übergang in die zweite Liga abzusichern. Das Risiko bestünde darin, dass Liverpool von der Option keinen Gebrauch machen könnte und Kabak mit einem möglicherweise beschädigten Marktwert zurückkäme. Im vorigen Sommer hatte der AC Mailand noch 20 Millionen Euro für ihn geboten - Schalke lehnte ab.

Eine zweite große Einnahme hat Schalke aus Turin zu erwarten, wo sich Leihspieler Weston McKennie bisher glänzend bewährt hat. Juventus hat sich verpflichtet, im Falle der Champions-League-Qualifikation den US-Nationalspieler mit 18,5 Millionen Euro abzulösen. Mit weiteren Bonus-Zahlungen könnte McKennies Verkauf den Schalkern bis zu 30 Millionen Euro einbringen. Die Schalker planen zwar zweigleisig, haben aber den Abstiegskampf trotz des großen Rückstands in der Tabelle noch nicht aufgegeben. Am späten Montag stellten sie direkt einen Ersatz für Kabak vor. Shkodran Mustafi vom FC Arsenal, Weltmeister von 2014, kommt bis zum Saisonende.

So bewegt der Abstiegskampf den ganzen Markt. Auch die Bielefelder haben vor dem Schließen des Wintertransferfensters noch Anstrengungen unternommen, um ihre Chancen zu erhöhen: Nach dem Japaner Masaya Okugawa, 23, von RB Salzburg soll auch der Niederländer Michel Vlap, 24, von RSC Anderlecht die in Köln eher zahnlose Offensivabteilung der Ostwestfalen stärken. Und auch der Tabellenvorletzte Mainz 05 fand noch Ersatz für den zu Crystal Palace gewechselten Torjäger Jean-Philippe Mateta: Der frühere Heidenheimer Stürmer Robert Glatzel, 27 Jahre alt, 1,93 Meter groß, wird vom englischen Zweitligisten Cardiff City geliehen.

Was aus Max Meyer wird, ob er vielleicht dauerhaft in Köln bleibt, entscheidet sich im Sommer: "Erst mal drinbleiben", sagt er, "den Rest besprechen wir dann."

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