Juventus vs. Bayern:Peps gut gemeinte Lüge über Kimmich

Lesezeit: 3 min

  • Beim 2:2 in der Champions League gegen Juventus ist Bayern-Verteidiger Joshua Kimmich an beiden Toren der Turiner beteiligt.
  • Nach dem Spiel nehmen ihn seine Kollegen in Schutz. Trainer Pep Guardiola formuliert gar eine gut gemeinte Lüge.
  • Zu den Ergebnissen und Statistiken der Champions League geht es hier.

Analyse von Martin Schneider, Turin

Der Champions-League-Abend von Joshua Kimmich lässt sich nicht ohne den SV Sandhausen erzählen. Vor neun Monaten, an einem Tag im Mai, ging RB Leipzig zu Hause 0:4 gegen den Sportverein aus der Kurpfalz unter. Joshua Kimmich ließ den Ball in der ersten Halbzeit einmal "unter der Sohle durchrutschen", wie der kicker in seinem Spielbericht schrieb, was zu einer gefährlichen Chance für Sandhausen führte. Er wurde in der 53. Minute für Stefan Hierländer ausgewechselt, und das Beste für Kimmich an diesem Spiel war, dass drei Gegentore erst nach seiner Auswechslung fielen.

Damals wusste er schon, dass er von Leipzig zum FC Bayern gehen würde und dass seine Zukunft eher Champions League als zweite Liga ist. Dass die Zukunft so schnell und so hart kommen würde, wusste er da vermutlich noch nicht. Gegen Juventus Turin stand Kimmich als Innenverteidiger in der Startelf, aber es war ja nicht so, als ob sich irgendwer die Situation ausgesucht hätte. Der FC Bayern hat nach den Verletzungen von Jérôme Boateng, Javi Martínez und Holger Badstuber keine Verteidiger mehr. Medhi Benatia war lange verletzt, Serdar Tasci war schon gegen Darmstadt teilweise überfordert. Kimmich war quasi die letzte Hoffnung, und die Frage ist nun, inwiefern man ihm die zwei Gegentore beim 2:2 des FC Bayern im Champions-League-Achtelfinale in Turin vorwerfen kann.

Kimmich besiegt Mandzukic in der Luft

"Er hat ein super Spiel gemacht, und da erwarte ich auch von euch, dass ihr bei den jungen Spielern ein bisschen zurückhaltend bleibt", sagte Manuel Neuer in die Aufnahmegeräte der Journalisten. "Er hat einen sehr, sehr guten Job gemacht", sagte Philipp Lahm. Bayern-Trainer Pep Guardiola nannte die Leistung von Kimmich mehrfach "perfekt", aber das war eine gut gemeinte Lüge.

Champions League
:Bayern macht es unnötig spannend

Ein lange Zeit faszinierender FC Bayern verspielt in der Champions League beim 2:2 in Turin eine bessere Ausgangsposition fürs Rückspiel - Juve holt innerhalb von 13 Minuten zwei Tore auf.

Von Benedikt Warmbrunn und Christof Kneer

Bezogen auf die erste Halbzeit hatte Guardiola recht. Kimmich spielte, als wäre Turin Sandhausen, kochte zweimal Mario Mandzukic ab, gewann als Krönung ein Kopfballduell gegen den Kroaten. Der 21-Jährige blieb im Spielaufbau ruhig, produzierte keine Fehlpässe wie es manchmal auch der erfahrene Arturo Vidal tut. Das Spiel nahm seinen Lauf, Bayern führte durch Tore von Thomas Müller und Arjen Robben 2:0. Dann kam die 63. Minute. Einen Pass von Cuadrado ließ Kimmich vor die Füße von Mandzukic prallen. Der passte rüber zu Paulo Dybala, und der brachte Juventus ins Spiel zurück. "Es gibt genügend Situationen, in denen einer von uns Fehlpässe spielt. Das passiert im Fußball", kommentierte Philipp Lahm die Szene.

War das nun ein Fehler von Kimmich? Im Fußball-Wort-Baukasten ist für so eine Situation das Satzfragment "Er brachte den Ball nicht weg" vorgesehen, das im Prinzip aussagt: Er hätte ihn überall hinspielen können, nur nicht dorthin. Muss er zum Ball? Ja, der Pass von Juan Cuadrado wäre sonst hinter der Abwehr gelandet. Hätte Kimmich die Situation anders lösen können? Kann man natürlich mit dem Wissen um die Folgen großspurig mit "Ja" beantworten, aber Mandzukic und Dybala spielten die Situation auch in herausragender Geschwindigkeit und souverän zu Ende. Gegen Sandhausen und wahrscheinlich auch noch in manchem Bundesliga-Duell wäre es eine normale Abwehraktion von Kimmich gewesen, in der Champions League resultiert daraus ein Tor.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Kimmich kann viel lernen

Der junge Innenverteidiger hat aber auch starke Momente. Robert Lewandowski legt sich mit den Zuschauern an - und Arjen Robben schießt endlich sein Tor. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Benedikt Warmbrunn, Turin

Etwas eindeutiger war die Szene zum zweiten Gegentor. Erst rückte Kimmich raus zu Paul Pogba, um ihn zu stören, was ihm nicht gelang, dann kam er gegen Stefano Sturaro klassisch zu spät. Er brachte das Bein nicht dazwischen, was auch ein hypermoderner Innenverteidiger noch immer können muss. Zur Situation gehörte aber auch, dass Manuel Neuer kurz zuvor Philipp Lahm mit einem Pass unnötig in Bedrängnis gebracht und die Szene erst ermöglicht hatte.

"Kimmich ist fast mein Sohn"

Die Leistung des Joshua Kimmich taugt trotzdem nicht für Schuldzuweisungen. Wenn eine Mannschaft ohne richtigen Innenverteidiger auf dem Platz ein über 60 Minuten denkwürdiges Champions-League-Spiel abliefert und dann mit einem 2:2 aus Turin heimfährt, dann lässt sich nur schwer über einen 21-Jährigen schimpfen.

Perfekt war das Spiel trotzdem nicht. Das weiß Kimmich, das weiß Pep Guardiola, aber der ist ja ein so ausgewiesener Joshua-Kimmich-Fan, dass er sich für ihn öfter seltsame Bezeichnungen ausdenkt ("Kimmich ist fast mein Sohn"). Vielleicht würde es Kimmich mehr helfen, wenn der zweite Innenverteidiger in Turin, David Alaba, ihm mal erzählt, wie er bei einem seiner ersten Bayern-Spiele zwei Gegentore mitverantwortet hatte. Allerdings nicht gegen Turin, sondern in der Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt. Und aus dem Österreicher ist inzwischen ja auch ein anständiger Fußballer geworden.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Champions League
:Juve kippt einen Farbeimer auf Bayerns Gemälde

Auf 60 Minuten Dominanz folgen 30 Minuten Kapitulation vor dem Willen Turins. Nach dem 2:2 in der Champions League hadern die Münchner Spieler.

Von Martin Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: