Juventus Turin:Geheim und geschreddert

Juventus Turin: Sein Name taucht in einer Geheimakte auf: Turins Cristiano Ronaldo wechselte im Sommer nach drei enttäuschenden Jahren zu Manchester United.

Sein Name taucht in einer Geheimakte auf: Turins Cristiano Ronaldo wechselte im Sommer nach drei enttäuschenden Jahren zu Manchester United.

(Foto: Luca Bruno/AP)

Neue Vorwürfe gegen Italiens Serienmeister: Der Lohnverzicht der Spieler in der ersten Pandemiephase fand offenbar gar nicht statt - nur in den Bilanzen.

Von Oliver Meiler, Rom

Juventus Turin kommt nicht zur Ruhe. Wieder macht der italienische Serienmeister mit nicht einmal annähernd sportlichen Geschichten Schlagzeilen. Auf Anweisung der Turiner Staatsanwaltschaft hat die italienische Steuerpolizei vier Anwaltskanzleien in Rom, Mailand und Turin nach Dokumenten durchsucht, von denen die Ermittler annehmen, dass sie ihre Untersuchungen im Fall "Prisma" zu den mutmaßlichen Bilanzfälschungen des Vereins um ein unrühmliches Kapitel erweitern. Zur Erinnerung: "Prisma" handelt davon, dass Juve mit völlig überteuerten Spielertransfers ihre Bilanzen schönte, und zwar für Hunderte Millionen Euro.

Diesmal hängt der Verdacht im Raum, die Turiner hätten im ersten Pandemiejahr, 2020 also, falsche Lohnzahlungen kommuniziert, um nach außen besser dazustehen. Damals war es ein großes Thema, dass Juves Spieler auf vier Monatslöhne verzichten würden, um so ihrem Arbeitgeber in der Not zu helfen: Die Serie A war unterbrochen worden, die Stadien waren geschlossen, viele Einnahmen fielen weg.

Die Handreichung wurde rundherum gelobt, als unüblich solidarische Geste von Stars, die sonst auf jeden Cent schauen, auch Superstar Cristiano Ronaldo machte angeblich mit. Sie hätten verstanden, hieß es, wie viel größer das Drama für Menschen sei, mithin ihren Fans, denen im Lockdown der ersten Welle die Existenz wegbreche.

Juve konnte die Geste in der Buchhaltung gutschreiben: Saläre für 90 Millionen Euro, die sie als Passiva im Budget veranschlagt gehabt hatten, fielen nun weg. Das war natürlich fantastisch. Die Turiner Zeitung La Stampa erinnert nun daran, dass der Verein im März 2020 in einem Kommuniqué den Spielern und dem Trainer voller Stolz "für ihr Verantwortungsbewusstsein in dieser speziellen Zeit" dankte.

Die geheime Akte CR7

Nun, die Geste war offenbar höchstens eine halbe. Die Ermittler haben nun bei ihren Untersuchungen Hinweise gefunden, dass im Hintergrund, in den Anwaltskanzleien, Zusatzverträge unterschrieben wurden, so genannte Privaturkunden, die den Verzicht der Spieler deutlich verkleinerten: Mindestens drei von vier Monatslöhnen wurden dennoch ausbezahlt. Die Aktionäre, die Börse und die Uefa, die ja ohnehin ein Auge auf Juventus geworfen hatte - sie alle sollten davon aber nichts erfahren. Verrechnet wurden die Ausgaben erst im folgenden Jahr. Interessant ist auch ein anderer Aspekt: Die Privaturkunden wurden offenbar nicht am Firmensitz selbst aufbewahrt, wo sie hingehören würden, sondern an einem anderen Ort, wo sie dann geschreddert werden konnten. Das jedenfalls glauben die Fahnder, die sich dabei auch auf Mails und Kurznachrichten beziehen.

An diesem ominösen Ort soll auch ein rätselhafter Zusatzvertrag von Ronaldo verschwunden sein, der unter der Bezeichnung "Carta segreta", geheimes Papier, in den Medien aufscheint. Was da drinsteht, scheint niemand zu wissen, doch es gilt schon mal als Ursünde für die Bilanztricksereien der Turiner. Der Jahrhunderttransfer wollte ja finanziert sein. CR7, die größte Investition der Turiner in ihrer ganzen Vereinsgeschichte, ist nach drei enttäuschenden Jahren im Sommer zu Manchester United gewechselt. Doch die Vergangenheit lässt Juve nicht los.

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