Fußball in der Serie A:Juventus spielt plötzlich schön

Fußball in der Serie A: Stürmer Gonzalo Higuain feiert die Vollendung einer herrlichen Turiner Passkette zum 2:1-Siegtor im Spitzenspiel gegen Inter.

Stürmer Gonzalo Higuain feiert die Vollendung einer herrlichen Turiner Passkette zum 2:1-Siegtor im Spitzenspiel gegen Inter.

(Foto: Alberto Pizzoli/AFP)
  • Juventus Turin schlägt im Spitzenspiel Inter Mailand und führt wieder die Serie A an.
  • Maurizio Sarri, vor der Saison vom FC Chelsea gekommen, scheint seinen Stil so langsam zu finden.
  • Die beiden deutschen Mittelfeldmotoren Sami Khedira und Emre Can haben es allerdings schwer.

Von Birgit Schönau, Rom

Die drei Herren auf der Tribüne werden sich die Augen gerieben haben, denn unten auf dem Rasen gab es Fußball paradox: 24 Pässe hintereinander und dann erst ein Tor - konnte das tatsächlich Juventus sein, die Hohepriesterin des italienischen Effizienzfußballs? Immerhin führte nach allem Getändel der sehenswerte Treffer von Gonzalo Higuain zum Sieg. Im Spitzenspiel. 2:1 gegen Inter Mailand, die Erzrivalin, die an den sechs Spieltagen zuvor die Tabellenspitze besetzt hatte.

Auf Platz eins in Italiens Serie A thront jetzt also wieder die Juve aus Turin, erklärtes Ziel: neunter Meistertitel in Serie. Revolutionär neu ist, dass für diesen neunten Titel schön gespielt werden soll. Unvorstellbar war das in Zeiten, da die drei Herren auf der Tribüne noch selbst aktiv waren: Die Freunde Francesco Totti (ewiger Kapitän der Roma), Christian Vieri (Ex-Juve, Ex-Inter, Ex überall) und Marco Materazzi (Ex-Zidane-Provokateur und Inter-Urgestein) trafen sich am Sonntagabend im Giuseppe-Meazza-Stadion zum Fußballgucken. Gegeben wurde ein Klassiker, das Derby d'Italia jener beiden Klubs mit den meisten Anhängern im Land. Jahrzehntelang war es auch das Duell der einzigen Nie-Absteiger, aber das hatte sich mit Juves Ausflug in die zweite Liga 2006/07 erledigt.

Fußball paradox bedeutet, dass die Juve-Männer urplötzlich spielen müssen, um das Publikum zu unterhalten - und dass bei Inter Antonio Conte auf der Bank sitzt. Für den Trainer Conte, der quasi sein ganzes Spielerleben in Turin absolviert hatte und als Trainer die ersten drei der acht Juve-Meisterschaften in Serie einfuhr, war es die erste Begegnung als Gegner mit dem Verein, der einmal seine Heimat war. Also eine höchst emotionale Angelegenheit, die der Coach mit gewohnt markigen Trotz- und Kraftgesten hinter sich bringen wollte. Also ließ Conte seine Mailänder Internazionale auftreten, wie er früher die Juve spielen ließ: rennen, kämpfen, hechten.

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Sein Pech war, dass auf der anderen Seite jetzt ein Mann die Kommandos gibt, der nicht nur keine Juve-DNA hat, sondern als eingeschworener Feind des Turiner calcio cinico, des zynischen Ergebnisfußballs, einen ziemlich gewundenen Karriereweg gemacht hat: Maurizio Sarri ist angeheuert worden, um Juventus das schöne Spiel einzutrichtern - weil das Präsident Andrea Agnelli neuerdings gefällt. Ungeheuerlich und nie da gewesen in einem Klub, dessen Patriarch Gianni Agnelli anno 2001 seinen Starspieler Zinédine Zidane mit den folgenden Worten nach Madrid verabschiedet hatte: "Kann schön spielen, war aber nicht besonders nützlich."

Statt Zidane hat Juve jetzt Cristiano Ronaldo, kein geborener Schönspieler, aber zur Not auch dazu in der Lage. CR7 zündete rund um den Inter-Strafraum ein schönes Feuerwerk, mit Bewacher Diego Godin als hypnotisiertem Zuschauer: Sieben Torschüsse, 66 Ballkontakte, 40 Zuspiele und ein Abseitstor, das nennt man dann wohl l'art pour l'art. Immerhin assistierte Ronaldo auch Higuain beim 2:1. Der Argentinier war in Turin mit der Ankunft des großen Portugiesen eigentlich für überflüssig erachtet worden, man lieh ihn an den AC Milan und später zum FC Chelsea aus. In diesem Sommer hätte Juve den teuren Higuain am liebsten verkauft, fand aber keinen Interessenten. Higuain blieb, genau wie Landsmann Paulo Dybala, der gegen Inter endlich mal wieder so jung wirkte, wie er mit 25 tatsächlich ist. Dybala hatte Juve bereits in der 4. Minute in Führung gebracht, danach blieb genügend Zeit, um jene Kombinationen zu zeigen, die Sarri üben lässt - und damit den funkelnden Beweis zu erbringen, dass er den Spitznamen La Joya (das Juwel) nicht von ungefähr trägt.

Andere Abreisekandidaten haben es da schwerer. Der deutsche Weltmeister Sami Khedira ist für Sarris Kombinationskünste ein wenig zu hüftsteif, der in der Schlussphase eingewechselte Emre Can wirkte allerhöchstens solide. Richtig enttäuschend war Juves 75-Millionen-Zugang Matthijs de Ligt. Neben dem erfahrenen Abwehrkollegen Bonucci wirkte der 20-Jährige Niederländer wie ein Greenhorn, tatsächlich unterliefen ihm jede Menge Anfängerfehler. Sein überflüssiges Handspiel im Strafraum war einer davon - Lautaro Martínez verwandelte den fälligen Strafstoß zum 1:1. "Er hat halt eine schwierige Phase, aber jede Menge Potenzial", urteilte Sarri milde über seinen Zögling de Ligt.

Der Trainer jedenfalls scheint sich in Turin akklimatisiert zu haben. Contes Inter, soviel steht fest, wird in dieser Saison aber ein ernst zu nehmender Konkurrent sein. Über beides staunen nicht nur die drei Herren auf der Tribüne.

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