Juventus Turin:Eine Sehnsucht namens Mönchengladbach

Obwohl verletzt, hält Juve-Torwart Gianluigi Buffon ganz Italien in Atem - mit seinen Memoiren und den Spekulationen um einen Millionentransfer ins Ausland.

Birgit Schönau

Sechzig oder fünfundsiebzig? "Ach, warten wir noch ein bisschen", sagt sein Trainer Claudio Ranieri, "dann werden es vielleicht noch hundert oder hundertfünfzig." Ranieri meint: Millionen Euro. Die Summe, die die Ölscheichs von Manchester City für Gianluigi Buffon bieten könnten - wenn es denn wahr ist, dass sie ihn haben wollen. So ungefähr könnte man die Aufregung seit Mitte vergangener Woche zusammenfassen, die Schlagzeilen der britischen Presse, in denen behauptet wurde, Manchester City wolle Buffon um jeden Preis.

Juventus Turin: Gianluigi Buffon hat einen etwas überraschenden deutschen Traumklub: Borussia Mönchengladbach.

Gianluigi Buffon hat einen etwas überraschenden deutschen Traumklub: Borussia Mönchengladbach.

(Foto: Foto: dpa)

Die Gerüchteküche der Italiener wurde schon vom Aroma der 15 Millionen durchzogen, die Gigi Nazionale für jedes Jahr in Manchester verdienen würde, netto natürlich. 15 Millionen wären dreimal soviel wie das kleine Geld, das Buffon als Torhüter der Alten Signora Juve bekommt. Andererseits hat der Weltmeister erst im Juni eine Vertragsverlängerung bis 2012 unterschrieben.

"Gigi ist unverkäuflich", schnappte Jean-Claude Blanc, der französische Juventus-Geschäftsführer. "Gigi hat keinen Preis. Außerdem gibt es gar keine Verhandlungen." Das Objekt der Begierde ließ sybillinisch verlauten: "Wenn ich Turin verlasse, dann nur für eine astronomische Summe und nur für einen Klub im Ausland." Das würde soweit passen. Jedoch - in der Liste der "Mannschaften, für die ich gern gespielt hätte", taucht Manchester City nicht auf. Stattdessen nennt Gianluigi Buffon als Sehnsuchtsverein: Borussia Mönchengladbach.

Die Memoiren erobern die Charts

"Dieser Name. So lang, so schwierig, dieser Name hat mich immer gereizt. Als kleiner Junge konnte ich ihn nicht aussprechen, eigentlich kann ich es immer noch nicht." Der Klub mit dem exotischen Namen ist in Buffons just erschienener Autobiographie "Numero 1" auf Nummer vier der tollsten Vereine gelandet, gleich hinter Real Madrid, Celtic Glasgow und West Ham United.

Gigi Buffon ist nicht nur der beste Torwart der Welt. Gigi Buffon bringt es fertig, dass ganz Italien über ihn spricht, obwohl er wegen einer Muskelverletzung im rechten Oberschenkel bis Ende des Jahres nicht spielen kann. Der Österreicher Alex Manninger hat sich bislang als hervorragender Ersatzmann erwiesen. Aber nur auf dem Platz.

Buffons Memoiren, die Erinnerungen eines 30-Jährigen, erobern die Charts. Das mag daran liegen, dass man in ihnen wirklich Neues erfahren kann. Beispielsweise, dass ausgerechnet Gigi, der Strahlemann, der Lebenskünstler, die Stimmungskanone, unter Depressionen litt. Im Winter 2004, so erzählt er, "ging ich zum Training, und es klappte überhaupt nichts. Mir zitterten die Beine, ich fühlte mich dauernd schlecht. Ich stand neben mir". Buffon ließ sich von einer Psychologin helfen. Erst während der EM in Portugal ging es ihm besser, "dass wir so schlecht abschnitten, war mir egal".

Eine Sehnsucht namens Mönchengladbach

Buffon berichtet erstaunlich wenig über den Manipulationsskandal, der ihm und Juventus die Aberkennung zweier Meistertitel und eine Zwangsrelegation einbrachte. Er spricht aber über die Erfahrung, "öffentlich an den Pranger gestellt zu werden", obwohl die Spieler sich zu keinem Zeitpunkt schuldig gefühlt hätten, "denn unser Einsatz war immer echt". Das sei einer der Gründe gewesen, warum er mit seinem Klub in die Zweite Liga gegangen sei. "Und die SerieB war eine gute Sache. Ich hatte sie vorher ja nie kennengelernt." Heute sei die "neue" Juventus respektabler und respektierter als die alte: "Moggi und Giraudo mussten zuletzt mit der Leibwache ins Stadion. Sie galten als Verkörperung des Bösen."

Ausführlicher rechnet der 30-jährige Torwart mit sich selbst ab, vor allem mit der Eigenschaft, die er mit einigem Recht für seine hervorstechendste hält: Naivität. Aus Naivität, so Buffon, habe er seinen Schulabschluss gekauft und mit dem falschen Zeugnis sogar ein paar Semester Jura studiert. Die Sache kam heraus, ebenso wie seine Wettleidenschaft. Den Abschluss will Buffon nachmachen, die Wetten findet er in Ordnung: "Wenn einer sein eigenes Geld verspielt - was ist Schlechtes daran?"

Wegen seiner Naivität, erklärt Buffon, sei er als Rechtsradikaler abgestempelt worden. Einmal sagte er im Fernsehen: "Zum Henker, wer nicht durchhält." Das aber war im Jahre 1970 der Slogan einer neofaschistischen Revolte in Reggio di Calabria gewesen. Buffon wusste das nicht. Buffon wusste auch nicht, dass die Zahl 88 im Neonazi-Jargon ein Synonym für "Heil Hitler" ist.

"Symbol dafür, dass ich Eier habe"

Er wählte 88 für sein Trikot "als Symbol dafür, dass ich Eier habe". Das klingt unfassbar pubertär, tatsächlich verstand es niemand. Buffon wurde als Neofaschist attackiert, heute sagt er über die Geschichte mit der 88: "Ich bereue das zutiefst."

Die Eltern sind Sportlehrer, die Schwestern Volleyball-Nationalspielerinnen, und auch er wusste früh, wohin der Weg führen würde. Mit 13 zog er ins Fußballinternat nach Parma. Er war schon Profi, da schlich er sich noch in die Fankurve seines Heimatvereins Carrara Calcio. Sein Vorbild ist Thomas N'Kono, der frühere Torwart von Kamerun, bei dessen Abschiedsspiel war Buffon dabei.

Überhaupt machte er vor allem, was er wollte: "Ich war wohl ein bisschen alternativ." Sein Trainer Nevio Scala wollte den Aufsässigen mit Bußgeldern zähmen. "Ich sagte nur: Schicke mir die Rechnung, wenn ich groß bin." Vielleicht kann Scala sie bald nach England schicken. Oder nach Mönchengladbach. Man weiß ja nie bei Buffon.

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