Turin in der Champions League:Pirlos Ratlosigkeit schmerzt Juve

Juventus Turin: Trainer Andrea Pirlo in der Champions League gegen den FC Porto

Andrea Pirlo bangt mit Juventus um den Verbleib in der Champions League

(Foto: Miguel Riopa/AFP)

Das 1:2 von Juventus in Porto zeigt: Unter Trainer Andrea Pirlo mangelt es dem italienischen Serienmeister an vielem, was Pirlo dem Klub als Spieler einst gab.

Von Thomas Hürner

Andrea Pirlo schaut selten freudig in die Welt, das hat er schon früher nicht, als Weltschmerz noch eine Sache der anderen war. In seinem früheren Leben als Fußballer verlieh ihm das den Charme eines Hochbegabten, aber inzwischen ist er eben der Trainer der Juve, weshalb sie in den Gazetten nun ganz unverblümt die Frage stellen: Ist diese Regungslosigkeit ein Zeichen für Ratlosigkeit?

Pirlo jedenfalls beobachtete emotionslos vom Spielfeldrand, wie Juventus am Mittwochabend einen maximal ernüchternden Auftritt darbot, wie schon so häufig in dieser Saison: 1:2 verloren in Porto, und das verdientermaßen, obwohl hinterher auch viel von einem ausgebliebenen Elfmeterpfiff und Hoffnung die Rede war. Und Pirlo?

Musste sich hinterher sogar dafür rechtfertigen, weshalb seine Mannschaft ihr Spiel geduldig von hinten aufziehen möchte, obwohl ihr das derzeit nur unzureichend gelingt - ausgerechnet er, der einstige Paradeaufbauspieler, der sich in einer Endlosabfolge hinten die Bälle schnappte und dann mit einer Engelsgeduld zu den Kollegen passte. "Wenn's nach mir geht", sagte Pirlo nun am Mittwoch, wenige Minuten nach der Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League, "hat ein Aufbauspiel aus der Tiefe nur Vorteile, wenn man es richtig macht."

Porto geht gegen Juve ganz früh in Führung

Wie man es hingegen nicht macht, das bewies schon in der ersten Spielminute der Uruguayer Rodrigo Bentancur, als ihm ein Rückpass zu Juve-Torwart Wojciech Szczęsny zur Vorlage für den Gegner geriet. Zu kurz, schlecht dosiert, der Stürmer Mehdi Taremi grätschte den Ball vor dem herbei springenden Szczęsny zur Führung für Porto ins Tor. Doch diese Szene war lediglich der Gipfel einer fußballerischen Monotonie, die sich durch die Saison zieht wie zäher Kaugummi. Seit Sommer ist Pirlo nun Trainer der Juve, er sollte die Schönheit seines eigenen Spiels mit der in Turin obligatorischen Unverwüstlichkeit vereinen.

Das Ergebnis jedoch ist eine Mannschaft, die ihre Identität verloren zu haben scheint: Ihre DNA vincente, ihre Gewinnermentalität, wie sie in Italien nur der Juve zugeschrieben wird. Am vergangenen Wochenende erst gab es in der Liga eine Niederlage im Prestigeduell gegen Napoli, der Rückstand auf die Tabellenspitze beträgt inzwischen acht Punkte - bei einem Spiel weniger zwar, aber der von Mailand aus initiierte Sturz der Hegemonialmacht Juve nimmt Formen an. Nach neun Turiner Meistertiteln in Serie sind es jetzt Inter und Milan, die selbstbewusst voraus galoppieren. Das in der vergangenen Dekade unbezwingbare Juventus scheint fragil wie lange nicht.

Anzeichen dafür gab es auch in Porto zu Genüge. Im Mittelfeld fehlt ein Protagonist wie es Pirlo einmal war, ein Raumdeuter, der den Matchplan mit eigenen Ideen unterfüttert. Das Zentrum bildeten der unglückliche Bentancur und der Franzose Adrien Rabiot, der zwar weite Wege geht, dem es manchmal aber an Inspiration mangelt. Der Ball wurde träge hinten herum gepasst, ohne Gewinn an Metern und ohne Gefahr für den Gegner. Porto verdichtete nach der frühen Führung seine Reihen, was schon genug war, um den Wunderstürmer Cristiano Ronaldo in die totale Isolation zu schicken.

Und dann war zu Beginn der zweiten Hälfte nicht mehr nötig, als ein portugiesisches Überfallkommando in Bewegung zu setzen. Der Schiedsrichter hatte gerade erst wieder angepfiffen, als sich die Heimelf schnell nach vorne kombinierte und durch Stürmer Moussa Marega das 2:0 erzielte. 19 Sekunden waren da gespielt, so lange streichelte Pirlo früher den Ball, ehe er aus dem Fußgelenk seine passgewordenen Geniestreiche an die Mitspieler entsendete.

Es war ein wirklich desolater Auftritt, dennoch prangte am Folgetag auf der Titelseite der Gazzetta dello Sport in Großbuchstaben: "La Juve ha Fede", die Juve hat den Glauben. Gemeint war Federico Chiesa, den sie in Italien "Fede" rufen, was übersetzt der Glaube bedeutet. Der eingewechselte Chiesa war es, der in der Schlussphase zum 1:2 Anschluss traf, das für die Endabrechnung so wichtige Auswärtstor. Die Tuttosport hingegen setzte Cristiano Ronaldo großformatig ins Bild, daneben eine Anklage: "Zorn bei Juve!" In der letzten Szene der Partie wurde Ronaldo laut des Turiner Hausblatts im gegnerischen Strafraum gefoult, doch der erwartete Elfmeterpfiff blieb aus, überhaupt brauchte es für diese Einschätzung schon Fantasie.

Also etwas, das dem Spiel der Juve ziemlich gut tun würde.

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