Süddeutsche Zeitung

Fußball in Italien:Italiens Granden purzeln, Dzeko spuckt

Lesezeit: 3 min

Von Birgit Schönau, Rom

Die sieben Könige nach der Stadtgründung: Romulus, Numa Pompilius, Tullus Hostilius, Ancus Marcius, Lucius Tarquinius Priscus, Servius Tullius, Lucius Tarquinius Superbus. Die sieben Hügel: Kapitol, Palatin, Aventin, Quirinal, Caelius, Viminal, Esquilin. Die sieben Tugenden: Demut, Mildtätigkeit, Keuschheit, Geduld, Mäßigung, Wohlwollen, Fleiß. Und natürlich die sieben Todsünden: Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid, Faulheit.

Rom ist die Stadt, die die Zahl Sieben erfunden hat, von der AS Roma wird sie immer mal wieder kombiniert mit der Eins. 1:7 spielten die Römer gegen Manchester United (2007), 1:7 gegen den FC Bayern (2014). 1:7 gegen den AC Florenz, am Mittwochabend im Stadio Artemio Franchi. "Sieben Tore der Schande", wie es das Hauptstadtblatt Il Messaggero tags darauf sehr präzise zusammenfasst, jene Zeitung übrigens, die kürzlich sogar vom Papst besucht wurde. Und La Republica urteilt: "Es war nicht das erste Mal, dafür aber das peinlichste."

1:7. Für Manchester erzielte seinerzeit Cristiano Ronaldo (noch nicht vorbestraft) zwei Tore, für den FC Bayern Arjen Robben. Schlimm genug, aber immerhin Champions League. In Florenz, beim Viertelfinale des Italienpokals, traf Federico Chiesa drei Mal, ein Doppelschlag gelang Giovanni Simeone. Der eine, Sohn von Enrico Chiesa, ist italienischer Nationalspieler, der andere, Sohn von Diego Simeone, ein Nachwuchstalent der argentinischen Albiceleste. Aber es sind dann doch eher Namen für Kenner des Provinzfußballs, während der Erzeuger des so genannten Ehrentreffers Aleksandar Kolarov immerhin schon mal für Manchester City gekickt hat. Der Serbe konnte mit seinem 1:2 (28.) nach den ersten beiden Treffern von Chiesa den zahlreich erschienenen römischen Anhang in der Illusion wiegen, dass man das Match noch drehen könnte. Vier Minuten später kam das 3:1. Und nach der Pause grölten die Florentiner hohnlachend den Römern zu: "Das gelbe Ding da ist der Ball!" Das war aber nur ein Teil der Geschichte.

Einer, der mit dem gelben Ding sehr gut umzugehen weiß, ist der Bosnier Edin Dzeko. Er war Torschützenkönig in der Bundesliga (Wolfsburg, 2010) und der Serie A (2017) und ist einer der besten Stürmer in der Geschichte der Roma. In Florenz aber verlor Dzeko den Kopf. Zur zweiten Halbzeit eingewechselt, ging er erst auf seinen harmlosen Teamgefährten Bryan Cristante los, als der sich mal wieder das gelbe Ding abluchsen ließ - 1:4. "Wir sehen uns draußen", soll Dzeko dem erschrockenen 23-Jährigen zugezischt haben, tatsächlich beharkte man sich noch in der Kabine.

Und dann hatte Dzeko noch nicht mal eine halbe Stunde auf dem Platz herumgetobt, als er seine Wut an Schiedsrichter Gianluca Manganiello ausließ, weil der ein angebliches Foul nicht gepfiffen hatte. Der Referee zog sofort die rote Karte. Offenbar hatte Dzeko ihn nicht nur beleidigt, sondern auch noch angespuckt. Ein Detail im allgemeinen Desaster. "Der schlimmste Tag in meiner Karriere", gestand später Manager Ramón Rodríguez Verdejo.

Der Spanier, Spitzname Monchi, ist seit April 2017 sportlicher Leiter bei der Roma. Er steht seit Monaten wegen seiner Transfers in der Kritik. Im Sommer heuerte Monchi viele junge Spieler an, die Trainer Eusebio di Francesco seither fleißig rotieren lässt. Das Ergebnis: allgemeine Unsicherheit. In der Liga ist die Roma nur auf Platz 5, nachdem sie am Sonntag gegen Atalanta Bergamo wieder mal ein Remis erzielte - aus der 3:0-Führung wurde ein 3:3.

Einen fetten Vorsprung wurschtig zu verplempern, das passiert der Mannschaft in letzter Zeit öfter. Di Francesco, der im Vorjahr mit seiner furios aufspielenden Truppe sensationell ins Champions-League-Halbfinale eingezogen war (und dort knapp am FC Liverpool scheiterte), ist angezählt. Bis zum Europa-League-Achtelfinale gegen den FC Porto genießt er aber offenbar noch Schonfrist, man will das Chaos mit einem Trainerwechsel nicht noch verschlimmern.

Im Pokal purzeln die Granden. Der SSC Neapel war schon am Dienstag gegen Milan ausgeschieden, am Mittwoch folgte neben der Roma auch noch der Titelverteidiger. Vier Mal in Serie war die Juventus aus Turin zuletzt Pokalsiegerin gewesen, ein Rekord nicht nur der Vereinsgeschichte. Jetzt scheiterte sie im Viertelfinale an Atalanta Bergamo. Ein krachendes 0:3, auch hier mit einem Doppelschlag des Nobodys Duvan Zapata, nach dem Führungstreffer des ebenfalls weithin Unbekannten Timothy Castagne. In Turin jedenfalls wird man sich diese Namen merken müssen, führten sie doch in Bergamo Stars wie Khedira, Matuidi und einen gewissen Cristiano Ronaldo vor. Die famose Juventus-Abwehr, geschwächt durch den Verletzungsausfall von Leonardo Bonucci und den vorzeitigen, ebenfalls verletzungsbedingten Abgang von Kapitän Giorgio Chiellini (27.), hatte den selbstbewussten Lombarden so gut wie nichts entgegenzusetzen. Und Ronaldo wusste diesmal auch so gar nichts anzufangen mit dem gelben Ding. Immerhin blieben bei Juve alle auf dem Platz - bis auf Trainer Massimiliano Allegri, der nach einem Wutanfall gegen den Schiedsrichter gehen musste.

Auch bei Juve sind sie also nervös. Zwar ist der Dauermeister immer noch mit elf Punkten Abstand vor dem Zweiten Napoli auf dem Weg zu Titel Nummer acht in Serie. Zuletzt zeigte Allegris Team aber kleine Schwächen, die in Bergamo prompt riesig wurden. Im Jahr eins des Cristiano Ronaldo wird nun schon mal nichts aus dem Double, es sei denn, es kommt zum obsessiv verfolgten Triumph in der Champions League. Allein dafür ist der Portugiese eingekauft worden, nur zu diesem Zweck wird er ungeachtet aller Skandale und der Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung in Turin gehätschelt, unter anderem mit einem Jahresnettogehalt von 31 Millionen Euro. Im Achtelfinale wartet Atlético Madrid auf Juventus. Und es ist nicht übertrieben, wenn man mutmaßt: In Turin zittern sie jetzt schon.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2019
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