Jupp Heynckes' letztes Bundesligaspiel in Gladbach:Abschiedstränen in der geliebten Heimat

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Die Tränen kamen nach dem Spiel: Bayern-Trainer Jupp Heynckes feierte in Gladbach einen bewegenden Abschied.  (Foto: dpa)

Am Ende wird es emotional: Nach dem 4:3 der Bayern zum Saisonfinale in Mönchengladbach zeigt Jupp Heynckes große Gefühle. Die erstaunliche Bundesliga-Karriere des Meistertrainers findet ausgerechnet dort ihren Abschluss, wo sie einst begann - dass die Münchner noch zwei Endspiele haben, gerät kurzzeitig sogar in den Hintergrund.

Von Daniel Theweleit, Mönchengladbach

Eigentlich ist es ein Tabubruch, während einer Pressekonferenz nach einem Bundesligaspiel zu applaudieren. Solche Reaktionen gibt es in Afrika oder in Osteuropa, wo die Journalisten nicht so tun, als seien sie neutrale Beobachter ohne jedes Empfinden für die beteiligten Teams. An Orten, wo Distanz zum Objekt der Berichterstattung kein Qualitätsmerkmal ist.

Aber in Deutschland? Nein! Selbst nach dem Gewinn des Weltmeistertitels dürfte Bundestrainer Joachim Löw keine Ovationen von den Berichterstattern erwarten. Insofern ist es eine ganz und gar außergewöhnliche Ehre, die Jupp Heynckes nach dem 4:3-Sieg des FC Bayern in Mönchengladbach zum Saison-Abschluss zuteil wurde.

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Reaktionen im Überblick

Der Münchner Trainer war von seinen Emotionen überwältigt worden, er weinte vor Rührung, denn nach 1012 Partien als Spieler und Trainer zieht er sich aus der Bundesliga zurück. Die Zuhörer im Raum spendeten ihm spontan Beifall. Niemand überlegte, ob es sich schickt, in diesem Rahmen zu klatschen, Distanz spielte für einen Augenblick keine Rolle mehr. Denn alle fühlten: Dieser Jupp Heynckes ist ein wunderbarer Mensch, er ist ein Geschenk für den deutschen Fußball. Er wird fehlen. Ganz besonders den Leuten in Mönchengladbach.

Denn hier wurde der 68-Jährige geboren, hier spielte er zwölf Jahre in der ersten Mannschaft und arbeitete fast neun Jahre als Trainer. Nun endete alles dort, wo es einst begann. Am Abend vor dem Spiel hatte der ehemalige Stürmer das Mannschaftshotel verlassen, was er sonst nie tut, und sich mit Mitspielern aus Borussias Elf von 1973 getroffen. Manche dieser Leute hatte er 40 Jahre lang nicht gesehen, schon das hat ihn sehr bewegt.

Vor dem Spiel stand dann auf einem Plakat in der Gladbacher Kurve: "Ein Fohlen dreht seine letzte Runde - Machs gut Jupp", ganz "besondere Momente", seien das gewesen, meinte Heynckes und bedankte sich "bei den Fans und Zuschauern für den wunderbaren Abschied, weil..." Dann kamen die Tränen, aber er vollendete seinen Satz: "...das zeigt mir, dass das meine Heimat ist." Viele Zuhörer hätten am liebsten mitgeheult.

In Hollywood wäre diese Show schnulziger Kitsch gewesen, aber die Bundesliga inszeniert solch einen Stoff als großen Moment am Ende einer imposanten Serie. Die natürlich mit einem weiteren Sieg für Heynckes und seine Bayern über die Bühne ging. Zwar ließ der Meister in einer völlig verschlafenen Anfangsphase drei Gegentreffer zu (Stranzl, 2. Minute; Hanke, 4.; Nordtveit 10.) - Statistiker ermittelten später sogar, dass den Münchnern so etwas in ihrer Bundesligageschichte noch nie passiert war.

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Von Daniel Theweleit, Mönchengladbach

Aber auch das kompensierten sie mit der Kraft der Trainerverabschiedung. Heynckes hatte seinem Team gesagt, dass es ihm "viel bedeuten würde, diese letzte Partie auf der Trainerbank zu gewinnen", und er habe "gemerkt, dass die Spieler für mich spielen wollten", erzählte er. Also verwandelten die Bayern sich schnell wieder in dieses unbesiegbare Monster, das für die Konkurrenz nicht zu fassen ist.

Im Endeffekt suchte nicht einmal Matthias Sammer nach Ansätzen für Kritik, und das war ein wenig überraschend. Zuletzt hatte der Sportdirektor ja schon nach zwei Gegentoren über fahrlässige Defensivtätigkeiten gepoltert, drei gegnerische Treffer hat das Team in den Pflichtspielen dieser Saison lediglich einmal in der Champions League in Borissow zugelassen. Und das ist mehr als sieben Monate her. An diesem Tag meinte Sammer nur: Die Fehler "kann man entschuldigen, es hat eben gemenschelt".

Er ist sich offenbar sicher, dass der Mannschaft derartige Nachlässigkeiten am kommenden Samstag im Champions-League-Finale nicht noch einmal unterlaufen werden. Im Gegensatz zu früheren Momenten mangelnder Konzentration und nachlassender Disziplin fürchtet Sammer keinen Trend. Das ist wichtig, denn natürlich gehört diese Partie schon zur Vorbereitung für den großen Showdown von Wembley.

Dabei hatte auch Sammer gesehen, dass die großen Stärken der Saison, "das Spiel gegen den Ball, die Kompaktheit, das sofortiges Umkehrspiel", vernachlässigt worden waren. Aber in diesem Fall führt die kleine Exkursion in die Welt der Fehlbarkeit wohl eher zu ein paar Einsichten, die in einer Woche gegen den BVB hilfreich sein könnten: Die Münchner haben wieder einmal gespürt, dass sie verletzlich sind, wenn sie ein paar Schritte weniger laufen.

Und sie haben gemerkt, wie unglaublich stark sie sind, wenn sie dann doch wieder diszipliniert spielen. Diese Erfahrung sei "ganz wichtig für London", sagte der kaum aufzuhaltende Franck Ribéry, der die Treffer von Javier Martinez (7.) und Arjen Robben (59.) vorbereitet und die anderen beiden selbst erzielt hatte (19., 53.).

Wohl auch, weil dieser Tag so besonders verlaufen war, forderte Sammer an Ende lediglich eine Woche größtmöglicher "Normalität", er wusste natürlich, dass dieser Nachmittag eine wunderbares Vorspiel für Wembley war. Auch weil Jupp Heynckes das Kunststück vollbrachte, einen Teil der Zuneigung zurückzugewinnen, die den Bayern durch den Ärger um Uli Hoeneß, das Mario-Götze-Manöver und ihre eiskalte Überlegenheit verloren gegangen war.

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