Jupp Heynckes:Der Plan H des FC Bayern

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Jupp Heynckes bei seinem letzten Amtsantritt in München (Archivbild).

(Foto: imago/Laci Perenyi)
  • Noch ist unklar, wer den FC Bayern in der kommenden Saison trainiert.
  • Die Klub-Bosse versuchen sie alles, um Jupp Heynckes zum Weitermachen in München zu überreden.
  • Ob sich Heynckes noch einmal überreden lässt?

Von Christof Kneer

In angenehmer, "ja freundschaftlicher" Atmosphäre sei mit dem Präsidenten von Alkmaar eine Einigung erzielt worden, meldete der FC Bayern im Mai 2009 stolz und ahnte dabei drei Dinge noch nicht. Erstens, dass Louis van Gaal, der Neue aus Alkmaar, in München eine kleine Ära begründen würde. Zweitens, dass der Neue den Erfinder des Fußballspiels persönlich kennt (es handelt sich dabei um ihn selbst). Und drittens, dass die angenehme, ja freundschaftliche Atmosphäre die erste Pressemitteilung nicht lange überdauern würde. Van Gaal hat die Leute in München spüren lassen, dass er den Erfinder des Fußballs gut kennt, während die Leute in München unverständlicherweise darauf beharrten, dass auch vor van Gaal schon Fußball gespielt wurde.

Nein, van Gaal wird nicht mehr Trainer bei Bayern werden, trotzdem muss Uli Hoeneß zurzeit oft an ihn denken. Abgesehen von van Gaals hinreißendem Erfinderstolz sind sie in München weiterhin im Reinen mit sich und ihrer damaligen Entscheidung, sie wissen, was sie diesem grandiosen Kauz zu verdanken haben. Dennoch haben sie damals etwas gelernt, wovon sie nun, neun Jahre später, profitieren wollen.

Sie haben damals gelernt, dass man sich nie zu früh auf einen Trainer festlegen sollte. Vor allem dann nicht, wenn man auch Jupp Heynckes haben könnte.

Als Uli Hoeneß einen Fehler machte

Das ist das Praktische an so einem Traditionsklub: dass sich in der eigenen Historie genügend Anschauungsmaterial finden lässt. Heynckes war damals ja auch nur eingesprungen, für ein paar Spiele, als Nachfolger von Jürgen Klinsmann, der auch nicht mehr Bayern-Trainer werden wird. Damals haben die Bayern das noch ernst genommen mit diesem Freundschaftsdienst, den Heynckes da angeblich nur leisten wollte, also haben sie sich parallel um einen neuen Trainer bemüht.

Ja, und als er dann da war, der van Gaal, da haben die Bayern gespürt, dass Heynckes eigentlich ganz gerne weitergemacht hätte. Sie hatten ihn nur nicht gefragt.

Diesen Fehler, hat Uli Hoeneß sich offenbar geschworen, wollen sie jetzt nicht mehr machen. Also haben die Bayern jetzt beschlossen, das mit dem Freundschaftsdienst diesmal eher so halb-ernst zu nehmen. Zwar ist ihnen nicht entgangen, dass ihr Trainer mehrmals erklärt hat, dass er im Sommer wieder zurück will zu seinem Hund, seiner Frau und seinem Bauernhof, möglicherweise in dieser Reihenfolge. Aber so einfach wollen die Bayern ihn diesmal nicht gehen lassen. Wer Hoeneß kennt, ahnt, dass er von Anfang an auf ein anderthalbjähriges Engagement seines "ziemlich besten Freundes" (Zitat Hoeneß) spekuliert hat, freilich, ohne das seinem ziemlich besten Freund mitzuteilen.

Inzwischen ist die Botschaft bei Heynckes angekommen. Vor Weihnachten hat Uli Hoeneß ja bei einem Fanklub-Abend eine stichprobenartige Erhebung gemacht, wer ist dafür, dass Heynckes bleibt, hat er in den Saal gerufen. Eine Szene wie aus einem Dietl-Film: Natürlich sind alle Finger nach oben gesaust, und Hoeneß hat dann stolz geleuchtet und gesagt, ja gut, das werde er dem Jupp mal so mitteilen. Am vorigen Wochenende hat dann noch der etwas weniger Dietl-begabte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in einem TV-Studio sinngemäß ergänzt, man werde selbstverständlich um Jupp Heynckes kämpfen.

Heynckes, 72, weiß es jetzt also. Dass er selbst das anders sieht? Ja mei, denkt Hoeneß und denkt vielleicht auch Rummenigge, wird er schon noch merken, dass er eigentlich will. Und dass es schöner ist, von Jérôme Boateng und Edmund Stoiber öffentlich gelobt zu werden, als unöffentlich am Niederrhein die Fische zu füttern.

Er sei "mal gespannt", wie die angekündigte Charmeoffensive von Hoeneß/Rummenigge ausfalle, hat Heynckes jetzt in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bremen gesagt. Er werde bald die Gelegenheit haben, "mit beiden zusammen darüber zu reden. Dann werde ich ihnen meine Meinung sagen. Das werde ich aber nicht öffentlich sagen. Das ist mir alles zu viel".

Die entscheidende Frage ist wohl, warum Heynckes bei dem Thema zunehmend genervt klingt. Weil es ihn stört, dass ein ziemlich bester Freund ihn öffentlich in Erklärungsnot bringt? Weil er spürt, dass ein Teil seines Jupps tatsächlich gern bleiben würde, der andere Teil aber auf dem Ursprungsplan beharrt? Oder weil alle Jupps in ihm inzwischen wieder heiß sind auf ein weiteres Jahr Bayern und nur noch nicht wissen, wie sie der Öffentlichkeit diesen Meinungsumsturz erklären sollen und der Frau und dem Hund und den Fischen?

Packen die Bayern Heynckes noch einmal?

Für Schmeicheleien sei Heynckes sehr empfänglich, das sagen alle, die mal mit ihm gearbeitet haben, und anders als beim knochentrockenen Vollprofi Ottmar Hitzfeld findet man bei Heynckes mühelos Aussagen, in denen er auf seine Erfolge hinweist. Dass er Toni Kroos in Leverkusen gefördert hat, dass er Arturo Vidal im Griff hat. Es ist keine Eitelkeit von jener irren Art wie bei van Gaal, der auf dem Meisterbalkon "allen Muttis einen dicken Kuss vom Trainer von die Meisters" verspricht.

Es ist eine freundliche, kleine Heynckes-Eitelkeit, aber bei Bayern hoffen sie, dass sie groß genug ist, ihn damit zu packen.

Und damit zum zweiten Rückgriff in die Vereinsgeschichte: Als die Bayern 2011 erneut versuchten, Heynckes zurück zu holen, diesmal aus Leverkusen, haben sie sich eines einfachen Tricks bedient. Während die Leverkusener raunten, sie hätten noch einen Plan B, hat Hoeneß einfach gesagt: Übrigens, Jupp, wir haben keinen Plan B. Wir haben und wollen nur dich.

Die Bayern halten lockeren Kontakt zu Thomas Tuchel

Die Bayern-Strategie 2018 ist also eine Kombination aus 2009 und 2011. Sie wollen den Fehler von 2009 vermeiden und die Erfolgstaktik von 2011 wiederholen.

Daraus ergibt sich für die nächsten Wochen alles Weitere: Sie haben ihre Liebesbekundungen jetzt öffentlich hinterlegt bei ihrem Jupp, auch Rummenigge, damit das nicht alles wie eine Hoeneß-Nummer wirkt. Und jetzt werden sie zu diesem Thema öffentlich schweigen, vier, fünf, sechs Wochen, um den geliebten Jupp nicht weiter unter Druck zu setzen. Und dann hoffen sie, dass der Jupp irgendwann morgens aus dem Hotel kommt, dass die Wolken sich in diesem Moment vom weiß-blauen Himmel verziehen und ein güldener Sonnenstrahl auf sein Haupt fällt.

Und dass er in diesem Moment spürt: Ja, ich will es doch auch.

Uli Hoeneß verfolgt den Plan H wie Heynckes so konsequent, dass es allen anderen Trainern fast schon wieder Respekt abnötigt. So hat sich Thomas Tuchel zwar gewundert, als er sich im Herbst nach Carlo Ancelottis Entlassung und sehr konkreten Kontakten mit dem Vorstandschef Rummenigge bereits auf die Amtsübernahme in München vorbereitete, um dann plötzlich zu erfahren, dass der Uli - Überraschung und sorry! - jetzt übrigens den Jupp holen wolle. Aber Tuchel hat dabei tatsächlich das gespürt, was Hoeneß für sich in Anspruch nimmt: dass es keine Entscheidung gegen Tuchel oder einen anderen war. Sondern eine für den Jupp.

Natürlich wissen die Bayern und weiß auch Hoeneß, was die Branche ihnen jetzt wieder vorhalten wird: dass sie das moderne Spiel boykottieren und den Erneuerungsprozess verschleppen. Aber Hoeneß vertraut da auf eine höhere historische Logik: Er möchte Heynckes jenen Zyklus beenden lassen, der 2009 mit Heynckes/van Gaal begann und 2013 mit dem Triple unter Heynckes seinen Höhepunkt erreichte. Nur dem Jupp traut Hoeneß zu, dass er Ribéry und Robben noch ein weiteres Jahr aus der Karriere hinausbegleitet und nebenher mindestens Meister wird. 2019 soll dann ein neuer Mann eine neue Mannschaft ohne Robben und Ribéry übernehmen, und die Bayern werden bis dahin überlegen, ob sie das Ralph Hasenhüttl, Jürgen Klopp, Niko Kovac oder Julian Nagelsmann zutrauen.

Allerdings sollten sich die Bayern auch für den Fall wappnen, dass sich der ziemlich beste Freund am Ende doch nicht auf ihr Drehbuch einlässt. Dann müsste schon im Sommer ein Trainer kommen, für diesen Fall halten die Bayern weiterhin lockeren Kontakt zu Thomas Tuchel. Die Bayern sind in diesem Fall natürlich Karl-Heinz Rummenigge.

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