Jupp Heynckes beim FC Bayern:Notruf in die gute alte Zeit

  • Jupp Heynckes wird zum vierten Mal Trainer beim FC Bayern.
  • Die offizielle Bestätigung steht noch aus, aber alles deutet darauf hin, dass der 72-Jährige die Münchner bis zum Saisonende übernimmt.
  • Offenbar konnte Vereinschef Uli Hoeneß seinen Freund überzeugen. Die Rückkehr des Triple-Trainers könnte viele Probleme kurzfristig lösen.

Von Martin Schneider

"Jupp Heynckes war unser Wunschkandidat", sagte Karl-Heinz Rummenigge, als er die Personalie verkündete, mit der eigentlich sowieso schon jeder gerechnet hatte. "Ich bin überzeugt, dass wir mit ihm eine erfolgreiche Zusammenarbeit haben werden." Heynckes selbst meinte: "Natürlich ist man als Bayern-Trainer gewissermaßen zum Erfolg verpflichtet. Ich sehe dabei aber eine reizvolle Aufgabe." Und Arjen Robben stellte fest: "Der Trainer versucht jetzt auch, alles ein bisschen lockerer zu machen." So sprachen sie im März 2011 bei der Vorstellung und Robben Wochen später beim Trainingsauftakt ihres damals 65-jährigen Trainers.

Die Stimmung beim FC Bayern war damals nicht gut, Dortmund lag in der Tabelle auf Platz eins und der sehr herrische Niederländer Louis van Gaal war der Mannschaft als Trainer nicht mehr zu vermitteln. Und so entließen ihn Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Rummenigge und holten Heynckes als Trainer zurück nach München. Zum dritten Mal.

Und nun? Die Stimmung beim FC Bayern ist nicht gut, Dortmund liegt in der Tabelle auf Platz eins und der sehr gemütliche Italiener Carlo Ancelotti war der Mannschaft als Trainer nicht mehr zu vermitteln. Und so entließen ihn Hoeneß und Rummenigge und holen nun Heynckes als Trainer zurück nach München. Zum vierten Mal.

Nein, das ist wirklich kein Scherz

Am Donnerstagmorgen fehlte noch die offizielle Bestätigung, aber wirklich alles deutet darauf hin: Ja, Jupp Heynckes übernimmt wieder die Mannschaft der Münchner. Nein, das ist keine Zeitschleife. Ja, er ist jetzt 72 Jahre alt. Nein, das ist wirklich kein Scherz. Uli Hoeneß hat es tatsächlich geschafft, seinen alten Freund davon zu überzeugen, den Ruhestand ruhen zu lassen, den restaurierten Bauernhof in Schwalmtal, Kreis Viersen bei Mönchengladbach, samt Teich und Haustieren zu verlassen, nach München zu kommen und dem FC Bayern aus der Patsche zu helfen. Schon 2009, als es mit Jürgen Klinsmann nicht mehr klappte, sprang er spontan ein. Heynckes' Telefonnummer scheint bei Uli Hoeneß direkt unter dem Notruf zu stehen: Wir wissen nicht mehr weiter? Rufen wir auf dem Bauernhof an.

Dieses Parallelogramm der Bayern-Geschichte wird noch ein bisschen paralleler, wenn man sich anschaut, welche Fragen es bei Heynckes' Vorstellung 2011 gab: Ist er dafür nicht zu alt? Braucht es nicht einen der neuen Trainer-Generation? Ist er noch nah genug am modernen Fußball? Das Ergebnis war das Triple, der größte Erfolg in der Geschichte dieses in Erfolgen schwimmenden Vereins. Nun sind die Fragen so ziemlich die gleichen.

Und das Unglaublichste an dieser unglaublichen Rückholaktion ist, dass das auf den ersten Blick ein wahnsinniger, auf den zweiten Blick aber ein durchaus schlauer Plan sein könnte.

Die Übergangslösung mit der größten Autorität

Denn der FC Bayern hatte ja folgendes Puzzle zu lösen: Carlo Ancelotti ist weg und es gibt keinen Plan B, weil der Italiener bis zum Saisonende bleiben sollte. Die einzige realistische Sofort-Lösung: Thomas Tuchel, gerade beim BVB mit Misstönen entlassen. Mit ihm hat sich die Vorstandsetage lange beschäftigt, Mats Hummels, der ein Jahr unter Tuchel trainierte hat, wurde nach seiner Meinung gefragt, angeblich auch Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. Die Sportbild will erfahren haben, dass es auch eine Telefonkonferenz mit Tuchel selbst gegeben haben soll, und nach all diesen Gesprächen stand das Ergebnis: keine Zusammenarbeit. Wer wem absagte, ist bislang nicht geklärt.

Aber es brauchte dann definitiv eine Übergangslösung und Jupp Heynckes ist definitiv die Übergangslösung mit der größten Autorität. Was wäre passiert, wenn man Arjen Robben und Franck Ribéry in ihrer mutmaßlich letzten Saison einen Trainer der Kategorie Andries Jonker hingestellt hätte? Was hätte der Rest der gerade nicht sehr harmonischen Mannschaft gesagt? Von den Saisonzielen mit dem Verein abgesehen, ist ja auch fast jeder beim FC Bayern Nationalspieler und kämpft um einen Platz bei der WM im kommenden Sommer. Niemand in dieser Mannschaft wird Heynckes in Frage stellen, allein aus dem gewonnen Champions-League-Finale 2013 spielen noch Manuel Neuer, David Alaba, Jérôme Boateng, Javi Martínez, Thomas Müller, Robben und Ribéry in der Mannschaft.

Eine besondere Beziehung pflegt Heynckes auch zu Arturo Vidal, der Chilene gilt als ein Lieblingsspieler. Was insofern gar nicht schlecht ist, weil gerade ein Riss durch die Bayern-Mannschaft geht zwischen einer spanisch-sprachigen Fraktion (Thiago, Martínez, James, Vidal), die bis zuletzt eine gute Beziehung zu Ancelotti hatte, und einer deutsch-niederländisch-französischen Gruppe. Heynckes, der seit seiner Zeit in Teneriffa, Bilbao und Madrid fließend Spanisch spricht, ist da nicht der schlechteste Kandidat für eine Moderation.

Edeljoker gezogen, Partie gewonnen?

Also alles gut? Edeljoker gezogen, Trumpf in der Hand, Partie gewonnen? Nun, der feine Unterschied zum letzten Engagement von Heynckes ist, dass der FC Bayern ihm damals einen Zweijahresvertrag gab, dass er zuvor zwei Jahre in Leverkusen trainierte und - wie man so sagt - voll im Geschäft war. Diesmal mutet ihm sein Freund Hoeneß einen brutalen Kaltstart zu. Heynckes ist seit vier Jahren komplett aus dem Betrieb raus, eine Vorbereitung mit der Mannschaft hat er auch nicht zur Verfügung und in 20 Tagen spielt Bayern zweimal gegen Leipzig (einmal in der Bundesliga und im DFB-Pokal) und dann gegen Borussia Dortmund.

Die Freundschaft zwischen Hoeneß und Heynckes muss wahrlich groß sein, wenn Heynckes nach dem größtmöglichen Triumph wieder in eine schwierige Lage zurückkehrt. Aber die Frage ist auch, ob Hoeneß diese Freundschaft nicht ein bisschen überstrapaziert, wenn er sie wiederholt dafür benutzt, um im Klub die von ihm so oft beschworene und als sehr wichtig empfundene familiäre Atmosphäre herzustellen. Mehr gute alte Zeit als mit einem 72-Jährigen, der genau in dem Jahr zum ersten Mal Bayern-Trainer wurde, als sein mutmaßlicher Sommer-Nachfolger Julian Nagelsmann geboren wurde, geht kaum.

Wobei: Die gute alte Zeit ist bei Heynckes jetzt auch genau vier Jahre her. 2013 gilt auch nach neuester Zeitrechnung noch als Moderne.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: