Als Jupp Heynckes zum FC Bayern zurückkehrt, erledigt er dies natürlich mit absoluter Ruhe. In gemächlichem Schritt schreitet der 72-Jährige am Montagmittag zum Podium in der Fröttmaninger Arena, er lässt sich auf den Drehstuhl nieder, öffnet eine Wasserflasche und trinkt erst einmal einen Schluck.
Vor vier Jahren, vier Monaten und fünf Tagen saß er schon einmal hier im Pressekonferenzsaal des Fußballstadions. Damals verkündete der Trainer seinen Abschied, der eigentlich für immer geplant war. Auf der großen Leinwand hinter ihm stand: "Danke, Jupp", darunter ein Foto, auf dem ihn die Spieler nach dem Triple-Erfolg in die Luft warfen.
Jupp Heynckes beim FC Bayern:Nächstes Kapitel einer On-off-Beziehung
An diesem Montag kehrt Jupp Heynckes zum FC Bayern zurück. Die Geschichte von Verein und Trainer ist geprägt durch Titel, einen TV-Auftritt - und ein spät erfülltes Versprechen.
Diesmal sitzt er vor einer nüchternen Sponsorenwand. Statt einem braunen Sakko, das ihn ein wenig älter aussehen ließ, als er war, trägt Heynckes jetzt einen schwarzen Anzug, der an den Schultern flattert. Er ist etwas hagerer geworden, sieht sonst unverändert aus. Der Trainer lächelt milde, er spricht langsam und ruhig, das Gericht gerötet. Es scheint, als habe sich gar nicht allzu viel verändert.
Heynckes hat mit sich selbst gerungen
Zum vierten Mal hat der FC Bayern Heynckes engagiert, am Nachmittag wird er sein erstes Training an der Säbener Straße leiten, bis zum Sommer bleiben. Der Auftrag ist klar: Nach dem Rauswurf von Carlo Ancelotti soll er die Mannschaft wieder einen, sie stabilisieren, aber auch taktisch voranbringen. Das Triple erwartet im Verein diesmal niemand von ihm. Die Münchner wollen mit Heynckes vor allem Zeit gewinnen, um in Ruhe einen geeigneten Trainer zu finden, der den Verein in die Zukunft führen soll. Diese Entscheidung soll nicht vor Januar getroffen werden.
Zahlreiche Kameras sind am Montag auf den neuen Trainer gerichtet, mehr als 70 Journalisten sitzen im Raum, um seine Rückkehr zu dokumentieren. Auf die erste Frage antwortet er minutenlang, erzählt, wie er mit sich gerungen habe, ob er noch einmal auf die Trainerbank zurückkehren soll. Schließlich habe sogar sein Schäferhund Cando zwei Mal zustimmend gebellt. "Das ist kein Comeback", sagt Heynckes aber. Vielmehr sieht er es als einen Freundschaftsdienst für seinen Freund Uli Hoeneß. "Ich habe dem Verein viel zu verdanken", erklärt er, "es geht nicht um mich, es geht um den FC Bayern." Hoeneß lächelt zufrieden.
Heynckes' Trainerkarriere, die 1979 in Gladbach begann, geht nun also noch einmal in die Verlängerung. Er ist der drittälteste Coach der Bundesligageschichte. Ob so einer im rauen Fußballgeschäft und im sehr speziellen Umfeld des FC Bayern noch mithalten kann? "Das Alter ist nur eine Zahl - nicht mehr", sagt Heynckes fast trotzig. "Ich bin körperlich fit und der Geist macht mit." Während seiner lange Pause habe er sich zwar zurückgezogen, habe "Angebote mehrerer Spitzenklubs" und eine Stelle als TV-Experte abgelehnt. Er habe sich aber sehr wohl mit Fußball beschäftigt, sich viele Bundesligaspiele angesehen und analysiert, ebenso Partien von Real Madrid, FC Barcelona oder Juventus Turin. "Ich weiß, wie ich die Mannschaft nun anfassen muss", ist Heynckes sicher.
Der Trainer will sportlich einiges beim Verein verändern. Bei seiner Vorstellung wird klar, wo er die größte Baustelle beim FC Bayern derzeit sieht. Es müsse wieder eine Mannschaft auf dem Platz stehen, in der das Miteinander im Vordergrund steht, fordert Heynckes mehrmals: "Ich will der Mannschaft wieder eine klare Hierarchie geben und ihnen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten geben."
Aus Sicht der Bayern-Verantwortlichen ist Heynckes dafür genau der richtige Mann. Er gilt als jemand, der immer auch den Menschen hinter einem Profi sieht, nicht nur die Leistung. Er spricht nicht nur Deutsch, sondern auch Spanisch und könnte - so die Hoffnung - den Riss, der durch die Mannschaft gegangen ist, kitten. Wer Heynckes über Fußball und die Spieler sprechen sieht, bekommt den Eindruck, dass er sich die Aufgabe wirklich zutraut und sich darauf freut. Er ist bereit.
Am Freitag erst habe ein befreundeter Internist seinen Blutdruck gemessen, berichtet der 72-Jährige noch. 120 zu 70. Ruhepuls 60. Vorbildliche Werte. Es bleibt abzuwarten, ob beim FC Bayern nun tatsächlich Ruhe einkehrt oder ob Heynckes Blutdruck und Puls in den kommenden Wochen plötzlich ansteigen.