Julian Green in der US-Nationalmannschaft:Brasilien statt Buchbach

Julian Green in der US-Nationalmannschaft: Julian Green: gestern U19-Nationalspieler, demnächst bei der WM?

Julian Green: gestern U19-Nationalspieler, demnächst bei der WM?

(Foto: imago sportfotodienst)

Julian Green, Sturmtalent des FC Bayern, sagt dem DFB ab und entscheidet sich fürs amerikanische Nationalteam. US-Trainer Jürgen Klinsmann kann ihm etwas bieten, was ihm der deutsche Bundestrainer zurzeit nicht versprechen kann.

Von Christof Kneer

Julian Green war elf, als er Jürgen Klinsmann kennen lernte. Man muss allerdings dazu sagen, dass das Kennenlernen anfangs eher einseitig war, der Klinsmann kam damals im Fernsehen, und Julian Green, der Bua' vom oberbayerischen Land, saß davor.

Als er Klinsmann sieben Jahre später wirklich kennenlernte, hat der natürlich nicht gesagt, dass man die Gegner "durch die Wand knallen" wolle, und er hat nicht gesagt, dass sein US-Nationalteam nie verliert und "schon gar nicht gegen Polen". Als diese berühmten Sätze 2006 im Sommermärchen-Film fielen, war Klinsmann noch deutscher Nationaltrainer, aber von seiner Argumentationsgewalt hat der glühenden Globalschwabe offenbar nichts verloren.

Wenn Klinsmann etwas will, kann er sehr, sehr, sehr hartnäckig sein, und was er im Moment will, ist dies: ein US-Nationalteam, das bei der WM möglichst viele Gegner durch die Wand knallt - und das deshalb kein US-stämmiges Talent verloren gibt, schon gar nicht gegen Deutschland.

"Ausschlaggebend waren die zwei Tage beim US-Team"

Bis Mittwoch war Julian Green ein deutscher U19-Nationalspieler. Seit Mittwoch ist er: ein ehemaliger deutscher U19-Nationalspieler. Das Sturmtalent vom FC Bayern hat sich offiziell fürs Nationalteam der USA entschieden, fürs Land seines Vaters, das er mit zwei Jahren verließ, um im schönen Miesbach ein Oberbayer zu werden. "Es war eine schwere Entscheidung", sagte Green am Mittwoch, "aber ausschlaggebend waren die zwei Tage, die ich kürzlich beim US-Team verbracht habe."

Es ist eine kuriose Karriere, die der junge Mann da macht, oder besser: die er da machen wird. Normalerweise beginnen Karrieren in der Jugend, dann kommen die zweiten Mannschaften, dann die Profis, und wenn ein Talent sehr, sehr, sehr talentiert ist, überspringt es die zweite Mannschaft und landet direkt bei den Profis. Bei Green ist es so, dass er die Profis überspringt und direkt in einer WM landet.

Pep Guardiola hält viel von dem außergewöhnlichen Multifunktions-Angreifer, der links vorne genauso gern spielt wie rechts vorne oder zentral vorne oder zentral ein bisschen weiter hinten. In der Champions League hat er Julian Green in der Vorrunde mal eingewechselt, aber zurzeit kann Guardiola ihm nicht viel bieten. Green trainiert bei den Profis, aber kein Profi ist verletzt, keiner gesperrt, und formschwach sind Bayern-Profis seit zwei Jahren sowieso nicht mehr. Also spielt Green oft bei der U23 in der Regionalliga Bayern.

Seine nächsten Gegner heißen: Viktoria Aschaffenburg, Eintracht Bamberg, Bayern Hof. In der WM-Vorrunde heißen die Gegner: Ghana, Portugal, Deutschland.

Reges Werben auf einem geheimen Transfermarkt

Das ist die Perspektive, gegen die sich junge Spieler kaum wehren können. Zu verführerisch sind die großen Namen, wenn der Alltag eher aus kleinen Namen besteht. "Es ist eine große Motivation für mich, mit 18 möglicherweise eine WM zu spielen", sagt Green, "und wenn man die Chance bekommt, in Brasilien gegen Deutschland zu spielen, dann muss man sie auch nutzen." Klinsmann hat ihm die WM nicht versprochen, es ist im US-Team ja traditionell ein Politikum, wenn Rookies aus Europa eingeflogen und an den eingeborenen Haudegen vorbeibefördert werden. "Der Trainer hat mir keine Garantie gegeben", sagt Green, "aber er hat gesagt, dass ich eine sehr gute WM-Chance habe."

Solche Sätze hören junge Spieler gerade überall auf der Welt, von allen möglichen Trainern, in allen möglichen Sprachen. Längst ist auch bei Nationalteams eine Art geheimer Transfermarkt entstanden, mit dem praktischen Unterschied, dass auf diesem Markt keine lästigen Klauseln oder Ablösesummen bei der Arbeit stören. Vor großen Turnieren wird hinter den Kulissen besonders rege geworben, eine WM ist so groß, dass alle anderen Argumente klein wirken. Dem Deutschen Fußball-Bund gefällt es nicht, dass der offensive Klinsmann jetzt schon die Oberbayern einkassiert, aber beim DFB wissen sie auch, dass sie Green in diesem Jahr höchstens die U19-EM in Ungarn bieten können.

"Wir haben Julian alle Unterstützung für eine Karriere beim DFB zugesagt", sagt Hansi Flick, der schon jetzt jene Sportdirektoren-Aufgaben wahrnimmt, die offiziell erst ab August in sein Ressort fallen. "Ich habe ihm gesagt, dass der Weg ins A-Team weit ist, aber dass er's bei uns ganz nach oben schaffen kann, wenn er Vertrauen in seine Leistung hat." Er hat sich seriös um Julian Green bemüht, so wie sich Matthias Sammer, sein Vorvorgänger beim DFB, vor vier Jahren seriös um Joel Matip und Eric Choupo-Moting bemühte; aber auch die fanden einen praktischen WM-Einsatz für Kamerun spannender als theoretische WM-Einsätze für Deutschland, von denen niemand weiß, ob es sie je geben wird.

"Natürlich überlegt man, wie es wäre, in ein paar Jahren deutscher Nationalspieler zu sein", sagt Julian Green, "aber man kann Entscheidungen nicht davon abhängig machen, was in drei oder fünf Jahren ist. Deshalb habe ich mich aus der Emotion heraus für die USA entschieden." Und natürlich weiß er auch, dass er im Sommer vielleicht als der etablierte WM-Spieler Green zum FC Bayern zurückkehrt und nicht als der kleine Tschuljän, der sonst immer gegen Hof und Bamberg spielt.

Am Mittwoch kam übrigens noch die Meldung, dass Gedion Zelalem, 17, einen Profivertrag beim FC Arsenal unterschrieben hat. Zelalem ist ein hoch veranlagter Defensivspieler, geboren in Berlin, ausgebildet bei Hertha BSC, mit Wurzeln in Äthiopien. Zelalem hat schon einige Junioren-Länderspiele für den DFB absolviert, und die Äthiopier sind wohl keine große Gefahr. Aber drei Dinge machen dem DFB Sorgen: Zelalem könnte auch für die USA spielen. Bald ist WM. Und Jürgen Klinsmann kann sehr, sehr, sehr hartnäckig sein.

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