Jugendsport:Vereine hoffen auf Fristverlängerung

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Zerreißprobe: Von Januar an könnten viele Jugendteams in Bayern wegen der 2-G-plus-Regel zum Aufgeben gezwungen sein.

(Foto: Monkey Business/imago)

Zum Jahresende soll die Übergangsfrist auslaufen, die Kindern und Jugendlichen in Bayern Vereinssport auch ungeimpft ermöglicht. Die Vereine fürchten gravierende Folgen.

Von Andreas Liebmann

Bayerns Breitensportvereine stecken in einem Dilemma, und Veit Hesse, der Geschäftsführer des MTV München, bemüht sich auch gar nicht erst, das zu verschleiern. "Wir haben jede Menge Befürchtungen", sagt er, "aber keine konkreten Lösungen".

Das ist eine miserable Ausgangsposition, wenn man politische Entscheidungsträger zum Umdenken bewegen möchte. Ihre Befürchtungen wollen die Vereine aber trotzdem äußern, denn es geht um viel. Es geht um die Angst, dass große Teile des Kinder- und Jugendsports von Januar an auf unabsehbare Zeit wieder zum Erliegen kommen, um einen dann mal wieder deutlichen Mitgliederschwund und - sehr viel wichtiger: um eine weiter steigende Bewegungsarmut von Heranwachsenden.

Als in Bayern vor einigen Wochen die 2-G-plus-Regel zur Zugangsvoraussetzung zu allen Sportstätten erklärt wurde, da sollte das zunächst auch für Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren gelten. Recht schnell schuf die Landesregierung eine befristete Ausnahme für diese impffähige Altersgruppe, die aber Ende Dezember endet.

Hesse überprüft regelmäßig die verfügbaren Impfzahlen, und sie machen ihm Sorgen. Denn eine rasante Steigerung der Quoten kann er in dieser Altersgruppe noch nicht erkennen - doch alle Ungeimpften sollen von Januar an daheim bleiben müssen. 47 Prozent sind nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts in Bayern vollständig, immerhin 56 Prozent erstgeimpft. "Einen Mannschaftsbetrieb kann man so dann nicht aufrechterhalten, oft ist auch ein sinnvolles Training nicht mehr möglich", sagt er. 900 Kinder und Jugendliche habe sein Verein, und er fürchtet nun, dass ihnen knapp die Hälfte wegbrechen wird, vorübergehend oder dauerhaft.

Die Vereine sind "schon auch der Auffassung, dass es keine schlechte Idee wäre, wenn Kinder geimpft wären"

Wenn Hesse "wir" sagt, spricht er in Gedanken für viele der großen bayerischen Breitensportvereine, denn sie sind untereinander eng vernetzt. Doch ihr Dilemma haben sie auch gemeinsam nicht auflösen können. Einerseits gebe es gute Gründe dafür, Jugendlichen den Zugang zum Sport nicht zu verwehren. Die soziale Bindung zählt Hesse auf, auch die Bedeutung fürs Immunsystem. Die Ständige Impfkommission habe sich bei ihrer Impfempfehlung für diese Altersgruppe explizit dagegen ausgesprochen, dass davon soziale Teilhabe abhängig gemacht werde. Es gibt einen offenen Brief gegen 2G für Kinder und Jugendliche, unterzeichnet von Bundestagsabgeordneten, Ärzten, Virologen. Auch über diesen Brief haben die Vereine diskutiert, sagt Hesse offen, "kontrovers", "mit allen Grautönen", aber letztlich hätten sie keine klare Position dazu gefunden: "weil wir schon auch der Auffassung sind, dass es keine schlechte Idee wäre, wenn Kinder geimpft wären".

Das wiederum ist ja die politische Intention der Übergangsfrist: den Impfdruck zu erhöhen; eine scharfe Grenze zu ziehen, von der an ohne Impfung eben auch im sportlichen und musischen Bereich nichts mehr geht ohne Corona-Impfung. "Anders kommen wir nicht aus der Pandemie raus", sagt Bernhard Seidenath (CSU), der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bayerischen Landtag. Zu oft schon habe man nachgegeben, und zu wenig kontrolliert.

Bei all dem geht es noch gar nicht mal um die neue Virusvariante Omikron, die einigen Berichten zufolge auch für Kinder und Jugendliche gefährlicher sein könnte. Andererseits ist das Thema dadurch doppelt knifflig, dass Kinder und Jugendliche ihre Impfentscheidungen ja selten alleine treffen - und die Einschätzungen auch von Experten zur Impfung von Kindern und Jugendlichen lange Zeit weit weniger einheitlich klangen als die für ältere Bevölkerungsgruppen.

Heiko Hiller kann all das, was sein Münchner Kollege befürchtet, nur unterstreichen. Etwa 40 Jugendmannschaften gebe es in seinem Verein, sagt der Geschäftsführer des SV Wacker Burghausen, viele davon könnten mit Auslaufen der Übergangsfrist auseinanderbrechen. Das hätte auch "gesellschaftliche Folgen", weil ein großer Teil des Mannschaftssports damit zum Erliegen käme, letztlich auch für Geimpfte. Denn wo zu viele Jugendmannschaften aufgeben müssten, würden auch Verbände den Spielbetrieb beenden - und ein Teil der Aktiven dem Sport dann vielleicht auf Dauer den Rücken kehren. Dabei sei doch diese Altersgruppe durch Schultestungen "besser überwacht als jede andere", so Hiller, "das Risiko für die Sportvereine ist überschaubar". Auch ihren geimpften Schülern hätten sie über die Trainer dringend dazu geraten, freiwillig weiter an Schultests teilzunehmen, "und die Rückmeldungen sagen eindeutig: Die machen das".

Wer bis März immer noch ungeimpft sei, "der hat eben bewusst diese Entscheidung getroffen"

Was sich Hiller wünschen würde, wäre eine Verlängerung der Übergangsfrist. Viele junge Sportler in seinem Verein seien inzwischen impfwillig, manche erstgeimpft, aber es dauere bis zur vollen Immunisierung. "Die Frist war für viele zu kurz", glaubt er. Als "Dauerlösung" will Hiller die Ausnahme von der 2-G-Regel gar nicht haben. Sie alle unterstützten die bayerische Impfkampagne als Ausweg aus der Pandemie, ähnlich klar wie die Bayerische Sportjugend im BLSV. Wer bis März immer noch ungeimpft sei, "der hat eben bewusst diese Entscheidung getroffen". Hiller hofft, dass es möglichst wenige sein werden.

So sieht es auch Christian Butz, Stellvertretender Geschäftsführer des TV Augsburg, dem knapp 1000 Kinder und Jugendliche im fraglichen Alter angehören. Schon in den zwei Tagen zwischen 2-G-plus-Einführung und Verkündung der Übergangsfrist hätten sie Kündigungen erhalten, erzählt er, "das war noch bei jedem Schritt so". Und er erinnert sich mit Grausen an gravierende motorische Defizite, die der letzte Lockdown angerichtet habe. Trotzdem hofft auch er nur auf eine Verlängerung der Frist - und auf mehr Impfungen. "Unsere etwas älteren Jugendlichen sind schon weitgehend durchgeimpft."

Voraussichtlich Anfang dieser Woche stehen in der Staatskanzlei die nächsten Entscheidungen zum Corona-Schutz an. CSU-Gesundheitspolitiker Seidenath deutet zumindest an, dass tatsächlich über eine Verlängerung der Übergangsfrist beraten werde - "aber sicher nicht bis zum St. Nimmerleinstag".

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