Jugend des VfL Wolfsburg:Im Schatten des Wahnsinns

VfL Wolfsburg v Schalke 04 - A Juniors Championship First Leg

Tugay Uzan (links) vom VfL Wolfsburg beim A-Jugend-Halbfinale gegen Schalke

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der VfL Wolfsburg fällt mit großen Investitionen auf, die er zielsicher vernichtet. Doch im Hintergrund läuft etwas ziemlich gut bei diesem Klub: Die Jugend dominiert die Konkurrenz. Auch die Profiabteilung soll jetzt davon profitieren.

Von Boris Herrmann

Rein vom Gefühl ist und bleibt natürlich der FC Bayern München der unumstritten erfolgreichste deutsche Fußballverein dieses Frühsommers. Rein rechnerisch gibt es aber zumindest einen hartnäckigen Konkurrenten. Dieser Konkurrent heißt: VfL Wolfsburg. Sicherlich, der FC Bayern hat die Champions League, die Meisterschale und den DFB-Pokal gewonnen - aber das hat Wolfsburg auch geschafft. Mit seiner Frauenmannschaft. Beim VfL haben im Übrigen auch die Herren der Schöpfung überzeugt, wenn es auch nicht jene Herren waren, die jedes Wochenende in der Sportschau kommen.

Meister ihrer Klassen wurden aber die E- und die D-Junioren, während die U19 am Sonntag bei Hansa Rostock (13.15 Uhr) um den Meistertitel der A-Jugend-Bundesliga spielt. Irgendetwas muss im Hintergrund gerade ziemlich gut laufen bei diesem Klub, der zuletzt vordergründig vor allem mit ziemlich großen Investitionen auffiel, die er ziemlich zielsicher vernichtete.

"Wir versuchen eben, so familiär wie möglich zu sein", sagt Fabian Wohlgemuth. Aus dem Mund eines Mitarbeiters des VfL mag das für manche wie Satire klingen. Manager Klaus Allofs und Trainer Dieter Hecking haben in der Profi-Abteilung schließlich weiterhin mit den Nachwehen des emotionslosen Power-Shoppings der Ära Felix Magath zu kämpfen. Wohlgemuth, 34, leitet aber das Nachwuchsleistungszentrum des VfL. Und das hat sich im Schatten des Bundesliga-Wahnsinns zu einem erstaunlichen Biotop entwickelt: Die sogenannten Eigengewächse gedeihen hier besser als an anderen Standorten der Republik.

Bereits 2011 hat die A-Jugend des VfL die deutsche Meisterschaft gewonnen. In diesem Jahr schaltete sie im Halbfinale den Titelverteidiger Schalke 04 aus und reist nun am Wochenende als Favorit nach Rostock. Der Hansa-Nachwuchs ließ nun zwar ebenfalls aufhorchen, als er die U19 des FC Bayern aus dem Wettbewerb warf. Während der Saison in der Bundesliga Staffel Nord/Nordost waren die Rostocker gegen Wolfsburg allerdings chancenlos, sie verloren 1:4 und 1:5.

Wohlgemuth, der Familienvater der Wolfsburger Zukunft, und sein U19-Trainer Dirk Kunert wollen jetzt natürlich diese Trophäe. Eine A-Jugend-Meisterschaft, das kann in einem Fußballland, das sich eine ganze Menge auf seine milchgesichtige Nationalelf einbildet, gar kein unbedeutender Titel sein. Wer die besten Achtzehnjährigen hat, sorgt in der Branche durchaus für Aufsehen - wovon nicht zuletzt insgesamt rund 20 000 Zuschauer bei den Halbfinal-Rückspielen in Rostock und Schalke zeugen. Wohlgemuth weist aber auch darauf hin, dass Titel nicht alles über die Qualität eines Leistungszentrums aussagen: "Unser primäres Ziel ist es, Spieler in die erste Mannschaft zu überführen."

Allofs und Hecking schauen fast wöchentlich vorbei

Überführen, das klingt so leicht. In Wahrheit ist es harte Arbeit. Vor allem für die Spieler. Der letzte Schritt vom Talent zum Profi ist der schwerste. Und in Wolfsburg war er in der Vergangenheit besonders schwer. Während die A-Jugendmeister von 2011 größtenteils in Vergessenheit gerieten, verkauft oder ausgeliehen wurden, setzte Magath auf etablierte Frührentner. Das soll sich nun ändern.

Manager Allofs hat zum Dienstantritt Ende des vergangenen Jahres die große Charme-Offensive angekündigt. Und was wäre charmanter, als ein Paradigmenwechseln vom reinen Einkaufs- zum partiellen Ausbildungsverein? Zumal Trainer Hecking bereits in Nürnberg bewiesen hat, dass er durchaus ein Faible für Jugendstil besitzt. Wohlgemuth sagt es diplomatisch mal so: "Mit dem Trainer- und Managerwechsel ist die Verzahnung noch besser geworden."

Im Nachwuchsleistungszentrum stellt man mit gewissem Staunen fest, dass Allofs und Hecking fast wöchentlich vorbeischauen. "Die gucken da auf jeden Einzelnen", berichtet Wohlgemuth. Bestes Indiz für die neue Durchlässigkeit ist natürlich der jüngste Karrieresprung von Maximilian Arnold. Der Mittelfeldstratege der aktuellen U19 war schon beim Titelgewinn vor zwei Jahren dabei, damals noch im B-Jugend-Alter. Nebenbei avancierte er in der vergangenen Rückrunde bei den Profis zum liebsten Spielkameraden des Brasilianers Diego.

Arnold, 19, und mit Abstrichen auch Verteidiger Robin Knoche, 21, gelten als Symbole der erneuerten Wolfsburger Personalpolitik. Aber auch die A-Jugendlichen Hendrik Hansen und der allseits umworbene Linksaußen Julian Brandt trainieren bereits bei Hecking mit.

Auf der Suche nach Gründen für die Stärke der Wolfsburger Jugend darf man die klassische Einkaufspolitik nicht übergehen. Den im Halbfinale überragenden Keeper Carl Klaus etwa hat der VfL zuletzt der berühmten Torwartschule des VfB Stuttgart abgeworben. Vielleicht spielt aber auch eine Rolle, dass Wolfsburg als einer der ersten deutschen Vereine an der keinesfalls unumstrittenen "Next-Gen-Serie", einer Art Champions League der A-Junioren, teilnimmt.

Viele der Spieler, die nun um die deutsche Meisterschaft kämpfen, haben sich bereits mit dem FC Barcelona oder Tottenham Hotspur gemessen. "Das sind Spiele mit jugendlicher internationaler Härte. Da haben wir das Fundament gelegt", glauben sie beim VfL. Und nicht zuletzt wandelt sich hier die allgemein diagnostizierte Tristesse von Wolfsburg einmal in einen strukturellen Vorteil. Wohlgemuth sagt: "Die Stadt bietet relativ wenig negative Ablenkung für unsere Jungs."

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