Loris Karius:Das Fanal des Managers Klopp

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Für einen kurzen Moment nebeneinander: Loris Karius (rechts) und Trainer Jürgen Klopp. (Foto: REUTERS)

Als Loris Karius einer der größten Unglücksraben der Europapokal-Geschichte wurde, fehlte es seinem Trainer an Solidarität und Empathie: Er ließ den Torwart alleine leiden.

Kommentar von Birgit Schönau

Man kann nur hoffen, dass dem armen Loris Karius nicht mehr der Schädel brummt von jenem Spiel, das ihn nolens volens weltberühmt gemacht hat, den 24-jährigen deutschen Schlussmann des FC Liverpool. Nicht als Matchwinner - dieser Titel geht an den Waliser Gareth Bale, der Karius einen Doppelpack servierte. Und auch nicht als strahlender Finsterling - als solcher durfte Real Madrids Kapitän Sergio Ramos den Henkelpott in den Nachthimmel von Kiew heben. Beim 3:1-Sieg über Liverpool im Champions-League-Finale hatte Ramos sich unter anderem dadurch hervorgetan, dass er erst Mohamed Salah, den gefährlichsten Gegenspieler, unschädlich machte: Salah wurde von Ramos zu Fall gebracht, stürzte unglücklich und verließ unter Tränen den Platz.

Und dann Karius: Der habe nach Ramos' Ellbogenhieb eine Sehstörung infolge einer Gehirnerschütterung erlitten, wurde jetzt zumindest ärztlich diagnostiziert. Bale und vor allem Benzema hatten leichtes Spiel - und Karius ging mit zwei grotesken Patzern in die Annalen ein als einer der größten Unglücksraben der Europapokal-Geschichte.

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:Karius erlitt vor seinen Patzern Gehirnerschütterung

Zu diesem Entschluss kommen US-Ärzte, die den deutschen Torwart vom FC Liverpool einige Tage nach dem verlorenen Champions-League-Finale gegen Real Madrid untersuchten.

Klopp hat eine anerkannte Regel außer Kraft gesetzt

Ein Antiheld, der Nachtreten provozierte. Manche Kommentatoren schreckten nicht davor zurück, Karius die finanziellen Verluste vorzurechnen, die Liverpool durch ihn erlitten habe - was in Zeiten von Millionenabfindungen für Manager, die zum Beispiel den Diesel an die Wand gefahren haben, besonders apart ist. Manager, so werden in England auch die Trainer tituliert. Und damit wären wir bei Jürgen Klopp. In Kiew konnte man ihn tatsächlich als modernen Exponenten der Führungsetage in einem Unternehmen der Unterhaltungsindustrie erleben.

Als sein Torwart sich nach dem Schlusspfiff vor Scham in den Rasen grub, blieb Klopp wie angewurzelt am Spielfeldrand stehen, den Blick ins Leere gerichtet, an Karius vorbei. Als der Schlussmann mit gesenktem Kopf unter die Fankurve lief, auf den Schultern alle Schuld der Welt, stand Klopp weiter auf seinem Posten. Erst nachdem die Real-Spieler Karius tröstend zur Hilfe eilten, bewegte sich auch der Manager.

Doch da hatte Klopp schon jene eiserne Regel außer Kraft gesetzt, die besagt, dass im Fußball immer eine ganze Mannschaft gewinnt oder verliert. Dass im Falle des Triumphs alle jubeln und im Fall der Klatsche keiner allein in den Abgrund fallen muss. Dass, wie groß der Fehler auch sein mag, den ein Fußballspieler macht, sein Trainer ihm öffentlich immer Absolution zu erteilen hat. Unter vier Augen kann er den Kicker zusammenfalten, niemals in der Öffentlichkeit. Einzige Ausnahme: grobe Fouls und Platzverweise.

Karius hatte nicht gefoult, und Karius war geblieben, bis zum bitteren Ende. Klopp hatte ihn aufgestellt, und Klopp ließ ihn im Tor. Doch als sich der Vorhang senkte, ging er auf Distanz. Und alle sahen, dass hier ein junger Torwart die Verantwortung allein zu tragen hatte, ohne seinen Manager. Erst viel später spendierte Klopp ein paar Verständnisfloskeln, doch da waren die Bilder vom Leid des Spielers und von der Kälte des Trainers schon um die Welt gegangen. Als Fanal der neuen Zeit, in der Solidarität und Empathie noch nicht mal mehr Tugenden für Verlierer sind.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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