Trainerstationen von Jürgen Klinsmann:"Der soll nicht ständig in Kalifornien rumtanzen"

Uli Hoeneß

Trainer Jürgen Klinsmann (l.) und Manager Uli Hoeneß beim Champions-League-Spiel des FC Bayern in Barcelona.

(Foto: dpa)

Beim DFB gefeiert, in München verlacht, in den USA immerhin mit einem Titel: Jetzt wird Jürgen Klinsmann Trainer bei Hertha BSC - ein Rückblick auf seine Stationen.

Von Christopher Gerards und Carsten Scheele

Zunächst war Jürgen Klinsmann, das wissen die meisten, ein sehr erfolgreicher Stürmer. Der es aus seiner Heimat heraus (Stuttgarter Kickers, VfB Stuttgart) zu Weltruhm brachte. Klinsmann spielte bei Inter Mailand, beim FC Bayern und Tottenham Hotspur, wurde Weltmeister, Fußballer des Jahres und ist heute Ehrenspielführer des Deutschen Fußball-Bundes. Ganz so erfolgreich ging es als Trainer nicht weiter, hier ein Rückblick auf seine Stationen.

Bundestrainer beim DFB (2004 bis 2006)

Zitat: "Im Prinzip muss man den ganzen Laden auseinandernehmen." (Klinsmann im SZ-Interview Mitte Juli 2004 über die DFB-Strukturen - keine zwei Wochen später wurde er als Bundestrainer vorgestellt)

Märchenfaktor: Semantisch groß, siehe vermeintliches Sommermärchen 2006. Rein praktisch verlief Klinsmanns Amtszeit nicht immer märchenhaft: etwa, als Deutschland in der WM-Vorbereitung 1:4 gegen Italien verlor. Oder als Klinsmanns Wohnort bei manch einem Beobachter für Unmut sorgte. Zitat Uli Hoeneß: "Der soll hierherkommen und nicht ständig in Kalifornien rumtanzen und uns hier den Scheiß machen lassen." Immerhin: Bei der WM wurde Klinsmann Dritter und durfte sich mit der Mannschaft vorm Brandenburger Tor feiern lassen.

Spiritualitätsfaktor: Eher innovativ/disruptiv als spirituell. Baute den Laden gründlich um: Wurde von vielen neuen Gesichtern begleitet (zum Beispiel Joachim Löw, Oliver Bierhoff, Andreas Köpke), während etablierte Gesichter gingen (Sepp Maier, Bernd Pfaff) - oder im Laufe der Zeit ihr Kapitänsamt und ihre Stammposition im Tor verloren (Oliver Kahn).

Seine Gegner: In Klinsmann Amtszeit mangelte es nicht an kontroversen Themen: Eine beklagte Vielzahl an Experten im Stab gehörte dazu oder auch die Wohnort-Debatte. Auch manche mediale Bezeichnung fiel ziemlich hart aus ("Grinsi-Klinsi"). Und, wie das so ist, wenn man sich von Leuten trennt: Ex-Torwarttrainer Sepp Maier nannte Klinsmann in der FAZ "link" und einen "Schleimer". Der nicht mehr nominierte Innenverteidiger Christian Wörns charakterisierte Klinsmann im Februar 2006 per Bild als "unehrlich, falsch, link".

Das Ende: Erfolgte unmittelbar nach der WM 2006. Sein Nachfolger ist weiter im Amt.

Uli Hoeneß

Lief nicht rund: Jürgen Klinsmann (links) als Trainer des FC Bayern.

(Foto: dpa)

Trainer beim FC Bayern (2008 bis 2009)

Zitat: "Mein Ziel ist es, jeden besser machen zu wollen. Jeden Tag." (Klinsmann Anfang 2009)

Märchenfaktor: Mäßig. Klinsmann bleibt vermutlich für immer eines der größten Missverständnisse der Vereinsgeschichte. Unter seiner Führung war der FC Bayern nie Tabellenführer, scheiterte im Pokal-Viertelfinale, verlor 1:5 gegen Wolfsburg und 0:4 in Barcelona. Vorstandsboss Rummenigge sagte nach der Pleite im Camp Nou: "Wir sind ein stolzer Klub. Dieser Stolz ist heute Abend mit Füßen getreten worden."

Spiritualitätsfaktor: Ganz hoch. Was wurde nicht alles geschrieben über Buddhafiguren, Energiefelder und neue Trainingsmethoden, die Klinsmann (nebst seiner vielen Assistenten) mit nach München gebracht hatte, auch wenn dies im Fall der Buddhafiguren wohl gar nicht recht stimmte. Funktionierte auch alles nicht. Am Ende hatte Klinsmann mit sehr irdischen Trainerproblemen zu kämpfen, etwa ob Rensing oder Butt im Tor stehen sollte.

Seine Gegner: Nach Klinsmanns Rauschmiss im April schaltete Manager Hoeneß fix auf Attacke. Hatte Klinsmann noch beklagt, er habe sich in München nicht durchsetzen können, entgegnete Hoeneß: "Seine Wünsche wurden nicht erfüllt, sondern übererfüllt. Davon zu reden, er habe nicht durchsetzen können, was er wollte, ist falsch." Später spottete Hoeneß: "Wir haben für zigtausend Euro Computer gekauft. Da hat er den Profis in epischer Breite gezeigt, wie wir spielen wollen. Wohlgemerkt wollen."

Das Ende: Nach nur 302 Tagen war Schluss. Letztes Resultat: Nulleins zu Hause gegen Schalke. Unter Klinsmann geriet sogar die Champions-League-Qualifikation in Gefahr, die wurde unter Nachfolger Jupp Heynckes noch geschafft.

Jürgen Klinsmann

Gut gelaunt bis zum Schluss: Jürgen Klinsmann als US-Nationalcoach.

(Foto: dpa)

Nationalcoach der USA (2011 bis 2016)

Zitat: "Wir wollen irgendwann auf einem Niveau wie Frankreich spielen." (Klinsmann kurz nach Amtsantritt 2011)

Märchenfaktor: Ein paar tolle Momente gab es schon: Das 4:3 in Amsterdam gegen die Niederlande, das 2:1 in Köln gegen Deutschland. Einmal konnte Klinsmann mit den USA den Gold Cup gewinnen, bei Weltmeisterschaften erreichte er jedoch nur einmal das Achtelfinale (2014 in Brasilien). Reichte nicht, um als Märchentrainer in die Geschichte einzugehen.

Spiritualitätsfaktor: Die Leute erhofften sich wahre Wunder von Klinsmann, er sollte die US-Fußballer als Nationaltrainer und Technischer Direktor in die Weltspitze führen und zum kommenden Weltmeister formen. Eine Vorgabe, an der Klinsmann scheitern musste. Fußball ist in den USA eine Randsportart, daran wird sich so schnell nichts ändern. Und Randsportler werden selten Weltmeister.

Seine Gegner: Über die Jahre verscherzte es sich Klinsmann mit einigen Spielern. Mit Benny Feilhaber, der Klinsmann einmal kritisierte und fortan nicht mehr eingeladen wurde. Oder mit Landon Donovan, den er einst zum FC Bayern holte, ihn 2014 aber überraschend nicht für die WM nominierte. Da wirkte auch wenig glücklich, dass Klinsmanns Sohn Jonathan, damals 17 Jahre alt, nach der Entscheidung twitterte: "HAHAHAHAHAHAH DONOVAN HAHAHAHAA" (mit vier lachenden Smileys).

Das Ende: Kam nach zwei Niederlagen in der WM-Qualifikation gegen Mexiko und Costa Rica. Klinsmann ging enttäuscht, aber ohne böse Worte - vielleicht auch, weil er wusste, wie gut er fünf Jahre zuvor verhandelt hatte. Laut Medienberichten kostete den US-Verband die Trennung von Klinsmann rund 6,2 Millionen Euro.

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