Jürgen Klinsmann als US-Coach:"Eine absolute Fehlleistung"

Lesezeit: 3 Min.

Fassungslos am Spielfeldrand: Jürgen Klinsmann. (Foto: AFP)
  • Ist Jürgen Klinsmann noch der richtige Coach für das US-Nationalteam?
  • Nach dem Aus beim Gold Cup wächst die Kritik.
  • Dem deutschen Trainer droht ein Endspiel.

Von Kathrin Steinbichler, New York/München

Montags um 10 Uhr bittet US-Verbandschef Sunil Gulati an der Upper West Side von New York immer zu seiner allwöchentlichen Sprechstunde. In seinem Universitätsbüro zwischen Morningside Park und Hudson River nimmt sich der mächtigste Mann des nordamerikanischen Fußballs zum Wochenstart eine Stunde lang Zeit, um sich die Fragen und Sorgen seiner Studenten anzuhören.

Der Wirtschaftswissenschaftler Gulati ist ein gern besuchter Senior Lecturer an der Columbia Universität, der seine Studenten eloquent und charmant in den Grundlagen der Wirtschaft und in Sportökonomie unterrichtet. Fragen zum Fußball aber wollte Gulati an diesem Montag weniger hören. Das US-Nationalteam steht seit dem vorzeitigen Aus im Gold Cup im Kreuzfeuer der Kritik. Und mit ihm sein Nationaltrainer Jürgen Klinsmann.

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Der Schwabe war beim Gold Cup angetreten, um mit dem US-Nationalteam den Kontinentaltitel für Nord- und Mittel- amerika zu verteidigen. Alles andere, meinte Klinsmann noch vor dem in den USA ausgetragenen Turnier, "wäre eine Blamage". Die Blamage aber erlebte Klinsmann, 50, noch vor dem Finale, das am Sonntag letztlich ohne die Gastgeber stattfand. Ohnmächtig musste Gulati zusehen, wie das US-Team erst im Halbfinale gegen Jamaika verlor und dann auch im Spiel um Platz drei gegen Panama unterlag.

Klinsmann schüttelt den Kopf

Anstatt das wachsende Selbstbewusstsein des US-Verbandes zu flankieren, der gerade durch den WM-Titel der Frauen neue Rekorde bei TV-Zuschauern und Werbeeinnahmen verzeichnet, muss Gulati sich nun erstmals seit Monaten in der Defensive üben. Denn die Forderungen nach einem Wechsel auf dem Posten des Nationaltrainers ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro werden lauter.

Im Internet kursiert ein Fernsehausschnitt aus dem Abschlussspiel gegen Panama, bei dem Klinsmann am Spielfeldrand eine Hand vor das Gesicht schlägt, die Augen schließt und dann wiederholt den Kopf schüttelt. Diese Reaktion in der Partie um Platz drei, die gegen den 62. der Weltrangliste im Elfmeterschießen verloren ging, steht nun symbolisch für den Zustand, in dem die US-Mannschaft sich befindet: In entscheidenden Spielen bringt das Team nicht das, was erwartet wird, und irgendwie weiß keiner, warum.

"Wir waren die beste Mannschaft", beharrte Klinsmann gegenüber dem kicker. Der Tenor der Kritiker aber lautet: Das enttäuschende Abschneiden beim Gold Cup sei "eine absolute Fehlleistung, die sich Klinsmann auf seine Fahnen schreiben muss", ätzte der ehemalige US-Nationalspieler Alexi Lalas in seiner Rolle als Fernsehkommentator. Klinsmanns Arbeit sei "nach so einer indiskutablen Leistung natürlich infrage zu stellen", sagte Lalas, bevor er aussprach, was nun seit Tagen quer durch alle 50 Bundesstaaten der USA diskutiert wird: "Ist Jürgen noch der richtige Mann für dieses Team?"

Nach den überraschenden Testspielsiegen gegen Deutschland und die Niederlande im Frühjahr hat Klinsmann weiter Rückhalt im Verband. Auch Gulati verweist gerne auf diese Testerfolge, die gut klingen, wenngleich sie gegen Mannschaften erzielt wurden, die nicht in Bestbesetzung aufliefen. Doch der Chor der lauter werdenden Kritiker stützt sich nicht allein auf Ergebnisse wie in den Jahren zuvor, nein - so wie das Verständnis für den Fußballsport ist auch der Anspruch der US-Analysten gewachsen.

Kaum ein spielerischer und taktischer Fortschritt

Ein Vorwurf lautet, dass Klinsmann im Vergleich zu seinen Vorgängern Bruce Arena und Bob Bradley mit inzwischen vier Jahren im Amt die längste Zeit für die Entwicklung eines Teams gehabt habe, trotzdem aber sei beim Gold Cup kaum ein spielerischer und taktischer Fortschritt zu erkennen gewesen.

"Klinsmanns Zeit als US-Teammanager war kein Scheitern", schlussfolgert daher Abe Asher von Worldsoccer Talk, für den das Team stagniert, "aber gemessen an dem, für das er geholt wurde, ist es zu wenig." Noch hält Gulati an seiner Linie fest: "Wir treffen keine Entscheidungen basierend auf einem Spiel", antwortete der Verbandschef auf Fragen nach der Zukunft von Klinsmann. Doch auch er denkt bereits an den 9. Oktober. Dann spielt das US-Team mit Klinsmann in Los Angeles gegen den neuen Gold-Cup-Gewinner Mexiko um die Teilnahme am Confederations Cup 2017. Die Partie könnte für Jürgen Klinsmann ein Endspiel werden.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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