Joshua Kimmich beim FC Bayern:Kluger, kluger Junge

Joshua Kimmich

"Neymar ist der beste Eins-gegen-eins-Spieler, den es auf der Welt gibt. Da kann man sich nur drauf freuen": Joshua Kimmich, angemessen ehrgeizig.

(Foto: dpa)
  • Bayerns Joshua Kimmich trifft beim Champions-League-Spiel in Paris auf den Linksaußen Neymar.
  • Für Kimmich ist es der erste ernsthafte Test seines Vorhabens, einer der besten Rechtsverteidiger der Welt zu werden.
  • Kimmich will auf sein Stellungsspiel vertrauen - und so seine körperlichen Vorteile nutzen.

Von Benedikt Warmbrunn

Pep Guardiola hat dem FC Bayern viele schöne Zitate hinterlassen, die vielleicht schönsten haben sich mit Joshua Kimmich befasst. Kimmich, sagte Guardiola als Trainer des FC Bayern einmal, sei "fast mein Sohn". Ein anderes Mal sagte er, Kimmich sei ein "süßer, süßer Junge". Wieder ein anderes Mal, da sagte, nein, da schrie er Kimmich nach einem 0:0 in Dortmund an: "Du kannst einer der besten Innenverteidiger der Welt werden!"

Guardiolas Zeit beim FC Bayern ist auch schon wieder lange 15 Monate her, leider hat sogar das eine oder andere Zitat unter seiner Abwesenheit gelitten. Gut, dass Kimmich fast sein Sohn sei, ist weiterhin schwer zu prüfen. Dass Kimmich, den ja alle nur Jo rufen, ein süßer, süßer Junge sei, hält etwas schwerer einer aktuellen Untersuchung stand, immerhin ist dieser Junge inzwischen 22 Jahre alt, und er hat sich obendrein das eine oder andere Muskelpaket antrainiert. Das alles muss man Guardiola aber nicht vorwerfen, das waren ja keine Prognosen.

Dass Kimmich aber einer der besten Innenverteidiger der Welt werden könnte, das wird wohl eher nichts mehr.

An diesem Mittwoch (20.45 Uhr) steht für den FC Bayern das erste Mal in dieser Saison ein ernsthafter Test an, im Auswärtsspiel in der Champions League bei Paris Saint-Germain. In der Innenverteidigung werden voraussichtlich Mats Hummels und Jérôme Boateng spielen, vielleicht auch Hummels und Javier Martínez. Ganz sicher wird in der Innenverteidigung aber nicht Joshua Kimmich spielen.

Für Kimmich ist das Spiel der erste ernsthafte Test seines Vorhabens, einer der besten Rechtsverteidiger der Welt zu werden. Sein persönlicher Testfall lautet ja: Neymar, 222 Millionen Euro teurer Linksaußen, gegen Kimmich, aktueller Wert: unersetzbarer Rechtsverteidiger.

Neun Pflichtspiele hat der FC Bayern absolviert, eines der großen, begleitenden Themen war die Rotation von Carlo Ancelotti, der vor jeder Partie zuletzt vier, fünf Spieler auswechselte. Einen Stammplatz haben nur zwei: Stürmer Robert Lewandowski und Kimmich, der als einziger in allen 810 Spielminuten auf dem Platz stand.

Die Saison des FC Bayern wird ja durchzogen von einigen Schwankungen, das hatte das 2:2 am Freitag gegen Wolfsburg gezeigt. Die Schwankungen waren auch in der Stimmung zu spüren, lange nicht mehr gab es Beschwerden in dieser Häufung, durch Wortbeiträge, weggeschleuderte Trikots, Körpergesten des Missfallens. Doch so sehr Form und Atmosphäre auch schwankten, der einzige der sich nicht beeinflussen ließ, war Kimmich. Weswegen es vor der Partie in Paris niemanden beim FC Bayern in Sorge versetzt, dass dieser dort nun auf Neymar als direkten Gegenspieler treffen wird. "Joshua macht das super", sagte Boateng vor wenigen Tagen, "wir können froh sein, dass wir ihn haben."

Wie Kimmich seinen Gegenspieler Neymar stoppen will

Wer sich mit Vertrauten des 22-Jährigen unterhält, hört stets drei Dinge: dass Kimmich sehr ehrgeizig sei; dass er sehr fleißig sei; und dass er Chancen sofort erkenne. Daher zögerte er auch nicht, als die Klubbosse ihn im Frühjahr fragten, ob er sich vorstellen könne, die Nachfolge von Philipp Lahm anzutreten, also als Rechtsverteidiger. Kimmich hätte darauf bestehen können, dass er sich als zentralen Mittelfeldspieler sieht, so wie David Alaba, dem die Träume vom Mittelfeld nach wie vor den Weg zu einem der besten Linksverteidiger der Welt erschweren. Kimmich verstand sofort, dass er auf der rechten Abwehrseite mehr Einsatzzeiten erhalten würde, dass er sich dort unersetzlich würde machen können; auch in der Nationalelf spielt er ja dort. Der einzige Gedanke, den er hatte, war es, wie er sein Spiel würde umstellen müssen. Seine erste Antwort war es, kein Lahm II werden zu wollen.

Kimmich weiß, dass er nicht mehr der schnellste Außenverteidiger der Welt werden wird, er wird nicht mehr lernen, wie Lahm in Trippelschritten um die Gegenspieler herumzukurven. Also versucht Kimmich, seine Erziehung zum Zentrumsspieler auf der Seite nicht zu vergessen. In Paris wird er Neymar nicht ständig eng decken, er ahnt, dass dieser ihm dann irgendwann davonflitzen wird. Er wird Abstand halten, auf sein Stellungsspiel vertrauen, auf sein vorausschauendes Denken. Um dann seine körperlichen Vorteile von einem Zentimeter und fünf, sechs Kilogramm zu nutzen, um Neymar abzudrängen. Ob er Angst habe? "Nein, ich freue mich", sagte Kimmich zuletzt, damit das angemessen ehrgeizig und fleißig klang, fügte er hinzu: "Neymar ist der beste Eins-gegen-eins-Spieler, den es auf der Welt gibt. Da kann man sich nur drauf freuen. Für solche Spiele trainierst du jeden Tag."

Kimmich trainiert vor allem dafür, dass sich die Außenstürmer nach ihm richten müssen. Dann, wenn er seine offensiven Qualitäten ausspielen kann, seinen Blick für Lücken, seine Beidfüßigkeit, seine Ruhe. Sechs Tore hat er vorbereitet, Spitzenwert des FC Bayern. Und wenn sich ein Außenverteidiger mit so viel Übersicht in die Offensive einschaltet, müssen sich auch offensive Spieler auf defensive Aufgaben besinnen; gegen Wolfsburg nahm ihn Yunus Malli bei Münchner Ballbesitz teilweise in Manndeckung. "Er macht das sehr gut in der Defensive und fantastisch in der Offensive. Er ist in allen Situationen gefährlich, wenn wir attackieren", sagte Ancelotti in der vergangenen Woche.

Geht es nach Kimmich, sind das die Zitate, an denen er noch lange gemessen werden soll.

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