José Mourinho bei Real Madrid:Flegeleien im Königsklub

Trainer José Mourinho streitet mit dem Management von Real Madrid öffentlich um die Macht. Dabei rüpelt er derart gegen Schiedsrichter und Klubbosse, dass die Fans nur noch peinlich berührt sind.

Javier Cáceres

Die letzte triumphale Geste widmete José Mourinho ein paar Landsleuten an der Ampel, kurz vor Mitternacht. Sie hatten dem Trainer von Real Madrid an einer Ecke des Estadio Santiago Bernabéu portugiesische Fahnen entgegen gereckt; Mourinho lehnte sich in seiner silberfarbenen Limousine zu ihnen herüber und ballte die Faust. Anerkennend. Dankbar. So ist er, dieser Mourinho: patriotisch, kämpferisch, mit einem Hang zu plakativen Gesten.

Jose Mourinho, Gregorio Manzano

José Mourinho in seinem Element: An der Seitenlinie, den strengen Strategen gebend.

(Foto: AP)

Dass er überdies machtbesessen ist, hatte er wenige Minuten zuvor bewiesen, im Presseraum des Stadions. Dort zündete Mourinho, zum Ausbau und zur Zementierung seiner Macht im Klub, den Weihnachtsbaum in einer Weise an, wie es zumindest der spanische Teil der Fußballwelt noch nicht gesehen hat. Im übertragenen Sinne: Denn in realiter wedelte er mit einem Blatt Papier, das mit dem kronengeschmückten Wappen Reals dekoriert war, bloß aufgebracht herum.

Es kann - dies aber mit einiger Berechtigung - nur vermutet werden, dass der Zettel just in dem Augenblick entstand, da Real am Sonntagabend gegen den FCSevilla das 1:0-Siegtor (78.) erzielte. Mit einer bezaubernden Aktion hatte Mesut Özil, der deutsche Mittelfeldregisseur, Pedro León in Position gebracht; der Abpraller seines Schusses landete beim Argentinier Ángel Di María, der den Ball aus spitzem Winkel ins Tor schoss. Anschließend geriet Mourinho in der Coaching Zone in Fahrt.

Özils Vorlage

Er erkannte, dass das dröge Spiel gelaufen war, winkte einen Auswechselspieler herbei - und zog seinen Assistenten Aitor Karanka heran, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Wahrscheinlich, dass Karanka umgehend den früheren Schiedsrichter Carlos Mejía Dávila, der seit 2009 in den Diensten Reals steht, beauftragen möge, einen Bericht anzufertigen.

Alle Fehler sollten im Bericht stehen, die dem objektiv katastrophalen Referee, Carlos Clos Gómez, gegen Sevilla unterlaufen waren. Auf dem Zettel, den Mourinho später im Pressesaal präsentierte, waren schließlich 13 Fehler aufgelistet. Doch Mourinho verwendete die Fehlersammlung, darunter eine absurde gelbe Karte gegen Özil wegen Spielverzögerung, nicht gegen den Referee. Er brauchte sie, um gegen die eigenen Vorgesetzten zu stänkern.

"Ich bin es leid, dass man immer erwartet, dass ich den Schiedsrichter angreife und meine Mannschaft gegen all diese Fehler verteidige", zischte er. Auch wenn er keine Namen nannte, so war klar herauszuhören, dass er auf Manager Miguel Pardeza und Generaldirektor Jorge Valdano zielte. Doch nicht nur das: Mourinho deutete an, dass es eine Verschwörung gegen Real Madrid und zugunsten von Tabellenführer FC Barcelona gebe, die von Reals Oberen ungerührt hingenommen werde.

"Derjenige, der wollte, dass wir vier oder fünf Punkte hinter Barcelona liegen, muss heute sehr frustriert sein", sagte Mourinho - und forderte fast schon ultimativ eine Unterredung mit "der Nummer eins", Präsident Florentino Pérez. Real liegt nur zwei Punkte hinter Barça zurück, das das jüngste Duell aber demütigend 5:0 gewonnen hatte.

Telefonate mit Moratti

Lange dürfte das Treffen Pérez/Mourinho nicht auf sich warten lassen. Zum einen, weil es bei Real aus Tradition verpönt ist, über Schiedsrichter zu jammern; zum anderen, weil unter dem Portugiesen im königlichen Klub plötzlich in einer Weise gerüpelt wird, von der sich wertebewusste Madrid-Anhänger nur noch peinlich berührt fühlen. Am Sonntag wollte sich der Torwarttrainer und Mourinho-Vertraute Silvino Louro unbedingt mit Delegierten des FCSevilla prügeln - auf dem Weg zum Feind stieß Louro am Spielfeldrand den Platzwart zu Boden, ein über 70-jähriges Real-Unikum namens Antonio Herrerín. "Real ist nicht so, war nicht so, darf nie so sein", schrieb die Zeitung As.

Dass Mourinho nun die Real-Offiziellen Valdano und Pardeza derart diskreditiert, kann nur ein Ziel haben: auch in Personalfragen die Entscheidungshoheit an sich zu reißen. Persönlich verstehe er sich mit aller Welt gut, sagte Mourinho wider besseres Wissen, trotzdem gebe es "Meinungsverschiedenheiten". So sei Mourinho aus vielerlei Gründen sauer: Zum einen, weil aus dem Klub an die Öffentlichkeit gelangte, dass Verteidiger Pepe ein Jahresgehalt von sechs Millionen Euro verlangt - Pepe wird vom selben Agenten vertreten wie Mourinho.

Kampf um Kompetenzen

Zum anderen, weil die angekündigte Vertragsverlängerung von Sergio Ramos (bis 2017) nicht mit ihm besprochen worden sein soll. Zudem wird - größtes Vergehen - der Wunsch des Trainers abgelehnt, im Winter einen Mittelstürmer zu verpflichten. Das geht vor allem auf Pérez zurück, der den (von Mourinho fast schon verachteten) französischen Mittelstürmer Karim Benzema höchstpersönlich verpflichtet hatte. "Diese Schlacht werden wir gewinnen", sagte Pérez unlängst zu einem Benzema-Vertrauten.

Die Frage ist: Was passiert, wenn es zum Schwur kommt? Valdano ist für Pérez eigentlich unersetzlich. Andererseits steht und fällt das sportliche Modell mit Mourinho. Auch aus diesem Wissen heraus hat sich der Portugiese so weit aus dem Fenster gelehnt. Er kann nach erst einem halben Jahr in Madrid nur gewinnen, und das kostet er vollends aus.

Zumal er eines weiß: Es wird nicht lange dauern, bis in italienischen Gazetten spekuliert wird, dass er wieder zu Inter Mailand zurückkehrt, zu jenem Klub, den er im Sommer als Champions-League-Sieger verließ. Mit seinem Freund, dem Inter-Präsidenten Massimo Moratti, telefoniert er sehr häufig.

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