Jonas Hector:Auch als Zweitligaspieler beim DFB unumstritten

Deutschland - Saudi-Arabien

Jonas Hector stieg als Nationalspieler vergangene Saison mit seinem 1. FC Köln ab und hielt ihm trotzdem die Treue.

(Foto: dpa)
  • Jonas Hector musste zuletzt eine Heimniederlage gegen den MSV Duisburg verarbeiten, ehe er sich auf die Nationalmannschaft konzentrieren konnte.
  • Wie einige seiner Mitspieler ist er nach dem Abstieg des 1. FC Köln im Verein geblieben - ungeachtet dessen, was dadurch aus seiner Nationalmannschaftskarriere wird.
  • Bei Joachim Löw ist er dennoch nach wie vor Bestandteil der Startformation.

Von Philipp Selldorf, Köln

Warum Jonas Hector die Logik der Profibranche sowie das Gebot der Profitmaximierung ignoriert hat und lieber beim 1. FC Köln geblieben ist, das ließ sich am frühen Montagabend auf der Aachener Straße im Herzen der Stadt mehr als bloß erahnen. Diese Magistrale führt, vom Rudolfplatz ausgehend, auf geradem Weg zum Stadion in Müngersdorf; an Spieltagen sieht sie immer aus wie der Schauplatz einer Völkerwanderung.

So auch jetzt: Die Straßenbahnen waren so beladen mit Stadiongängern, dass die Menschen darin zur amorphen Masse verschmolzen, andere FC-Fans saßen in Autos, auf Motor- oder Fahrrädern, und viele weitere gingen die fünf Kilometer zu Fuß, meist mit der lebensnotwendigen Ration Kölsch ausgestattet. Mitten in diesem Pilgerstrom befand sich auch der Fußballprofi Mark Uth, 27, vom FC Schalke 04. Am Dienstag sollte er sich bis spätestens um 13 Uhr im Boutique-Hotel "Stue" in Berlin einfinden, zu seiner ersten Verabredung mit der Nationalmannschaft, aber vorher musste er noch die Stimmung in Müngersdorf genießen, wo der Verein seiner Heimatstadt gegen den MSV Duisburg antreten würde.

Der MSV, Tabellenletzter der zweiten Liga, verdarb dann allerdings den knapp 50 000 Pilgern, Mark Uth inklusive, die gute Laune. Nicht genug, dass die Duisburger durch ihren verdienten 2:1-Sieg die Punkte mitnahmen, sie stellten auch den Kölner Status in Frage. Dieser FC machte nicht den Eindruck, als wäre er lediglich kurz zu Besuch in der zweiten Liga - eher sah er so aus, als wäre er dort gerade richtig aufgehoben. Ein Fehler reihte sich an den nächsten, man fragte sich manchmal: Wer ist der Tabellenführer und wer Tabellenletzter? Mittendrin der Kapitän Jonas Hector, der wieder vom linken Flügel ins Zentrum beordert wurde, um Ordnung zu schaffen (nachdem er zwischendurch per Kopf den Ausgleich erzielt hatte). Sein Mienenspiel gab oft Verzweiflung zu erkennen.

Seit diesem Sommer trägt Hector die Kapitänsbinde, er kann jetzt nicht mehr, wie er das am liebsten macht, grüßend, aber wortlos das Haus verlassen. Er muss öfter öffentlich Stellung nehmen, was er diesmal auch getan hat. Hector übte die angebrachte Selbstkritik ("So dürfen wir uns zuhause nicht präsentieren") und trug angemessen Trauer ("Wir sind traurig und enttäuscht"), aber worüber er keinesfalls sprechen wollte, das war seine nächste Verabredung: Auch Hector ist ja in das Boutique-Hotel gebeten worden, in dem das DFB-Team logiert, ehe es nach Amsterdam weiterreist.

Dort steht am Samstag das erste der beiden Nations-League-Spiele an, die Begegnung mit den Niederlanden. Am Dienstag in Paris folgt das Wiedersehen mit Weltmeister Frankreich. Hector wird wohl in beiden Partien seinen Stammposten als Linksverteidiger einnehmen - seinen mutmaßlich schärfsten Konkurrenten, den Augsburger Philipp Max, hat der Bundestrainer wieder nicht eingeladen. In Berlin traf Hector in exklusiver Gesellschaft ein: Toni Kroos stieg mit ihm aus dem schwarzen DFB-Van.

Borussia Dortmund klopfte an, doch Hector unterschrieb in Köln einen neuen Vertrag

Gestern Cauly Oliveira Souza und Dustin Bomheuer, heute Toni Kroos, morgen Memphis Depay und übermorgen Kylian Mbappé - da liegt die Frage nahe, wie er über den bevorstehenden Transfer aus der zweiten Liga in die große Fußballwelt denkt. Aber Hector hatte sich am Montag darüber angeblich noch keine Gedanken gemacht: "Das kommt erst morgen." Duisburg habe "im Vordergrund gestanden".

Spieler als FC-Fans

Der 1. FC Köln beschäftigt einige Profis, die Fans ihres Arbeitgebers sind. Als Eingeborene sind Timo Horn, Marcel Risse, Marco Höger oder der Trainer Markus Anfang dazu prädestiniert, Hector hingegen ist im saarländischen Örtchen Auersmacher aufgewachsen. Doch wenn er auch nicht als Kind in FC-Bettwäsche geschlafen hat, so hat er sich in Köln und am Geißbockheim doch eine Heimat eingerichtet.

Im Frühjahr entschied er deshalb, lieber mit dem FC in die zweite Liga zu gehen, anstatt den Karrieresprung zu Borussia Dortmund zu unternehmen. Dafür wurde er, nicht nur in Dortmund, zum Exzentriker erklärt. Man hatte ihn außerdem gewarnt, dass er sich damit die Karriere in der Nationalmannschaft verderben würde. Trotzdem erteilte Hector seinem Berater den Auftrag (manche sagen: Befehl), mit dem FC den neuen Vertrag auszumachen. Zwei Gesprächsrunden genügten, und den Kölner Verantwortlichen kam es vor, als habe hier ein Profi ein lebenslanges Gelöbnis geleistet.

Jonas Hector war der erste Nationalspieler, der nach der Watutinki-WM in den Spielbetrieb zurückkehrte. Beim ersten Vereinstraining Mitte Juli wirkte er, wie Zeugen berichteten, "beinahe euphorisch". Zwischenzeitlich musste er Trainings-Pausen einlegen, die Kürze des Urlaubs nach der WM machte sich durch Erschöpfungszustände bemerkbar, auch die erste Länderspielrunde verpasste er deshalb.

Aber Jogi Löw hat nie daran gedacht, Hector still beiseitezuschaffen, wie er das mit einigen anderen Spielern bereits gemacht hat, und wie es ihm mancher Experte beim Ruf nach "Erneuerung" der Nationalelf nahegelegt hat. Außerhalb von Köln hätte vermutlich niemand protestiert, wenn Löw bedauernd festgestellt hätte, dass er gegen Mbappé und Griezmann keinen Zweitligaspieler aufstellen könne. Doch so wie Hectors Pflichtbewusstsein und Hingabe für die Nationalelf nie in Frage standen, so steht jetzt auch Löws Loyalität nicht in Zweifel. In beiden Fällen ist das durchaus Charaktersache.

Zur SZ-Startseite
ZSKA Moskau - Real Madrid

Toni Kroos
:Im Alltag ein trauriger König

Der Nationalspieler ist mit Real Madrid in eine Krise geraten, die es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Der Trainer steht vor dem Aus - und Kroos muss auf ungewohntem Gebiet aushelfen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: