Start der Nordischen Kombination:Rydzek beendet 2150 sieglose Tage

Lesezeit: 3 Min.

Für Johannes Rydzek endete in Finnland eine lange und zehrende Zeit. (Foto: Markku Ulander/Lehtikuva/Imago)

Nach einer langen und schweren Zeit hat Kombinierer Johannes Rydzek zum Auftakt der WM-Saison wieder einen Sieg errungen.  Nicht nur er schöpft Hoffnung für einen erfolgreichen Winter, sondern das ganze Team – das die ersten drei Plätze belegt.

Von Volker Kreisl

Irgendwann muss mal Schluss sein. Die Zeit war gekommen, eine andere Haltung einzunehmen. Riesen sollte man ja auch mutig entgegentreten, und sei es nur mit einer Steinschleuder in der Hand, anstatt sich noch kleiner zu machen – selbst auf die Gefahr hin, geschlagen zu werden.

Jarl Magnus Riiber ist zweifellos der Riese dieser Wintersportart, ein Großer in jener Zweierdisziplin, die den sperrigen Namen Nordische Kombination trägt. Riiber ist derart stark, dass die übrigen Kombinierer regelmäßig an ihm verzweifeln. Nun aber sollte eine andere Taktik wirken im deutschen Team: Eric Frenzel, ebenfalls ein großer Kombinierer und Nachfolger von Hermann Weinbuch als Bundestrainer, hatte seinen Sportlern eine geradezu revolutionäre Idee vorgeschlagen, nämlich erst mal zu entspannen und aufzuhören, sich immer wieder einzuprägen, Riiber sei der große Maßstab, derjenige, den man schlagen müsse. So könne man ihn nämlich nie besiegen, sondern letztlich nur an ihm zerbrechen – das war der Ansatz.

SZ PlusMikaela Shiffrin
:„Ich kann mich nur nicht bewegen“

Nach ihrem spektakulären Sturz beim Heimrennen in Killington gibt Mikaela Shiffrin zunächst in einer Videobotschaft vorsichtig Entwarnung. Später am Sonntag teilt ihr Team mit: Die 29-Jährige hat es doch schwerer erwischt.

Von Korbinian Eisenberger

Nein, Riiber zu schlagen, dafür braucht es Lockerheit und Spaß, und beides hatte das DSV-Team an diesem denkwürdigen Samstag, am Auftaktwochenende der neuen Weltcupsaison im finnischen Kuusamo. Und so wurde Riiber nicht nur von einem der deutschen Springläufer aus Frenzels Team geschlagen, sondern gleich von dreien. Dritter wurde Vinzenz Geiger aus Oberstdorf, Zweiter wurde Julian Schmid aus Oberstdorf, und gewonnen hat Johannes Rydzek, auch er aus Oberstdorf. Riiber blieb Rang vier. Einem vierten Deutschen, Terence Weber, gelang noch der zehnte Platz.

Offenbar hat Frenzels Idee also gewirkt, dennoch sollte man wohl nicht davon ausgehen, dass dieses großartige Ergebnis nun das neue Dauerlevel sein kann. Natürlich wird Riiber das oberste Podest wieder einnehmen, spätestens dann, wenn er seine lästige Infektion auskuriert hat. Doch das sind die Gedanken der anderen, Frenzel sagt ja, er wolle sich gar nicht groß mit den Norwegern befassen, auch nicht mit den Österreichern oder den Franzosen. Frenzel will nur sein eigenes Team weiter voranbringen.

Ob die Sportart für beide Geschlechter eine olympische Zukunft hat, ist weiterhin unklar

Die Entwicklung von Johannes Rydzek, dem Sieger vom Samstag, ist beispielhaft dafür, dass sich Geduld in so einem der Kälte und dem Wind ausgesetzten, also unberechenbaren Freiluftsport auszahlt. Genau 2150 Tage, fast sechs Jahre lang, hat Rydzek nur eine lückenhafte Form vor allem als Springer gezeigt. Hin und wieder schien er auch zu verzagen, dann wieder zu kämpfen. Doch die sogenannte absolute Spitze, die er gewohnt war als 26-facher Weltcupsieger und zweimaliger Gesamt-Weltcupsieger, war ihm lange verwehrt.

Förderlich war es sicherlich nicht für einen zweifelnden Kombinierer wie Rydzek und auch nicht für seine Teamgefährten, dass die Nordische Kombination in den vergangenen Jahren keine klare und verbindliche Richtung hatte – und bis heute nicht hat. Noch immer ist nicht klar, ob die Sportart eine olympische Zukunft haben wird und wie diese aussehen könnte. Dabei hat die Wirkung der Kombination eine größere Bedeutung, sie ist Schuldisziplin und hat sich verschlankt und zeigt schon lange überraschende, spannende Wettkämpfe in gut besuchten Ski-Arenen.

Dreifache Freude: Julian Schmid, Johannes Rydzek und Vinzenz Geiger (von links) aus Oberstdorf. (Foto: Terje Pedersen/NTB/Imago)

So wie am Samstag in Kuusamo in Finnland, zum Auftaktwochenende der Saison, mit dem Höhepunkt auf der Schanze und Rydzeks Flug, der diese lange und zehrende Zeit mit einem absolut pünktlichen Absprung vom Bakken beendete. Zuvor, am Freitag, gerieten die deutschen Zuschauer noch in die bekannte Rydzek-Enttäuschung. Zwar hatte er gut trainiert, hatte auch eine gute Flugform gezeigt, aber was bringt es, wenn die Jury ihn per Grünlicht bei starkem Rückenwind in die Spur schickte, womit er den Flug gleich selbst hätte abbrechen können.

Aber es war ja noch ein Springen am Samstag angesetzt. Eine zweite Chance also, womöglich diesmal mit einigermaßen Aufwind, in einem fairen Wettkampf, und möglicherweise mit der Botschaft seines Trainers noch in den Ohren: Ihr könnt diesen großen Springer und Langläufer besiegen, wenn ihr locker bleibt, „wenn ihr den Tag abwarten könnt, wenn es bei ihm, Riiber, mal nicht 100 Prozent läuft, und wenn wir ihm die Stirn bieten“.

Waren es diese Worte vorab, oder die gute Laune im Team, in dem der eine dem anderen Mut machte? Oder einfach der Umstand, dass diesmal der Wind von unten nach oben blies? Wahrscheinlich war es all das zusammen. „Nach so langer Zeit wieder oben zu stehen, das ist toll. Johannes hat sich sauber zurückgekämpft“, sagte Frenzel, und: „So ein Sprung gerät einem nicht alle Tage.“ Er habe in den vergangenen Jahren so viele harte Momente gehabt, sagte Rydzek: „Umso schöner ist dieser hier. Ich bin unglaublich dankbar.“

Die Saison ist noch lang, mit weiteren Favoriten, etwa dem Österreicher Thomas Rettenegger, oder Jens Luraas Oftebro und Jörgen Graabak aus Norwegen. Aber einer der Mitfavoriten ist nun in der Spur. Johannes Rydzek hat nun wohl den Weg raus aus seinem Formtief gefunden. Der letzte Sprung dieser Art gelang ihm vor … Moment, genau, vor 2150 Tagen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Biathlon in Kontiolahti
:Nebenhöhlen und neben Scheiben

Das deutsche Biathlonteam zeigt zum Auftakt in Kontiolathi vor allem am Schießstand durchwachsene Leistungen. Franziska Preuß muss nach „Infektzeichen“ einmal mehr passen – dafür ist eine Teamkollegin in guter Frühform.

Von Korbinian Eisenberger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: