Deutsche Nationalmannschaft:Warten auf Löws Neuanfang

  • Beim DFB verzichten sie auf einen Pressetermin, um die weitere Zusammenarbeit mit Bundestrainer Joachim Löw zu erläutern.
  • Eine "überstürzte und oberflächliche Bewertung" der verpatzten WM-Mission ergebe keinen Sinn, heißt es nur.

Von Philipp Selldorf

Die Einladung kam nicht über den Whatsapp-Nachrichtendienst der DFB-Pressestelle, sie kam nicht per Mail und auch nicht per Telefon. Sie kam überhaupt nicht. Weshalb es am Mittwoch um 12.30 Uhr im großen Sitzungssaal der Frankfurter DFB-Zentrale auch keine Pressekonferenz gab, auf der DFB-Präsident Reinhard Grindel, Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff über die Pläne für den Neuaufbau der Nationalmannschaft informierten.

Man hat zwar beim DFB über einen Pressetermin nachgedacht, nachdem geklärt war, dass Löw Bundestrainer bleibt. Aber es herrschte schnell Einigkeit, dass man auf eine Pressekonferenz verzichten werde. "Was hätte man Inhaltliches sagen sollen?", gibt ein Beteiligter zu bedenken, "es wären nur Plattitüden gewesen." Den ersten Teil der - ausgefallenen - Fragestunde hätten die Protagonisten aber wohl noch hinbekommen, Löw hätte erklärt, warum er glaubt, dass er trotz seiner Verantwortung für den komplett missratenen Turnierauftritt weiter der richtige Trainer ist.

Am Dienstagvormittag hatte er dies bereits einer Runde von Spitzenvertretern des deutschen Fußballs erläutert, außer Grindel und Bierhoff gehörten dazu die DFB-Vertreter Friedrich Curtius (Generalsekretär) und Rainer Koch (Vizepräsident) sowie die Bundesligafunktionäre Reinhard Rauball (Borussia Dortmund) und Peter Peters (Schalke 04). Die Teilnehmer des Gesprächs mit Löw im DFB-Haus hatten den Eindruck eines Mannes, dessen Ehrgeiz und Wille stark genug sind, um die große Aufgabe auf ein Neues anzugehen. Worte wie "seriös" und "realistisch" fallen, wenn Löws Auftreten beschrieben wird. Die Worte "schuldbewusst" oder gar "kleinlaut" fallen allerdings nicht.

Während Löw in eigener Sache plausibel zu argumentieren wusste, hat er auf die andere Kernfrage, die aus dem Scheitern des Weltmeisters hervorgeht, keine befriedigende Antwort gegeben. Ja, es solle einen Neuanfang geben, das hat er versichert. Aber wie dieser Anfang aussehen soll, das hat Löw nicht berichten können, weshalb man auch darauf verzichtete, den neuen, alten Trainer in einer Medienrunde zur Nation sprechen zu lassen. Eine "überstürzte und oberflächliche Bewertung" der verpatzten WM-Mission ergebe keinen Sinn, hieß es beim DFB, und vor allem wollte man Löw auch die unvermeidlichen Ausflüchte auf Fragen ersparen, die das Schicksal verdienter, aber zurzeit nicht ganz so populärer Nationalspieler wie Sami Khedira, Thomas Müller oder Mesut Özil betreffen.

Das Medienecho auf Löws Bleibebeschluss verrät, dass die Vorstellungen vom sogenannten Neuaufbau mit der Erwartung verbunden sind, ein paar der alten Bekannten von der Gästeliste zu streichen. Unter dem Markennamen der Zeitung Welt hieß es gar: "Joachim Löw muss jetzt Köpfe rollen lassen." Symbolpolitik - etwa das Rausschmeißen von Spielern um des Rausschmeißens willen - ist Löw zwar zuwider, aber er hat mit der Ankündigung von "tief greifenden Maßnahmen", ausgesprochen am Tag der Heimkehr aus Russland, selbst das Stichwort geliefert. Rhetorisch hat er damit seine eigenen Überzeugungen attackiert. Ein Radikal-Reformer ist er nie gewesen, und mit 58 Jahren wird er es wohl auch nicht mehr werden.

Eine Massenverabschiedung wird es nicht geben

Ein typisches Merkmal von Löw und seiner Arbeit ist stattdessen die Loyalität zu den Vertrauten. Dies betrifft seine Spieler ebenso wie seine Mitarbeiter. Im Publikum mag jetzt die Erwartung entstanden sein, dass zum nächsten Länderspieltermin Anfang September in München eine ganz andere Nationalelf zusammenkommt als beim Turnier in Russland, und dass die Alten jetzt den Jungen Platz machen werden. Doch das ist nicht abzusehen. Keiner der jetzt häufig verfemten Weltmeister hat seinen Rücktritt erklärt, und es ist zwar nicht auszuschließen, dass Mesut Özil oder Toni Kroos den Wunsch nach Rückzug äußern, aber eine Massenverabschiedung wird es beim nächsten Länderspiel nicht geben.

Wenn die DFB-Elf beim Spiel gegen Frankreich in einen neuen Wettbewerb namens Nations League startet, dann ist damit zu rechnen, dass der Aufbruch ins nächste Zeitalter vorwiegend mit dem Personal aus dem vorigen Zeitalter erfolgt. Fest eingeplante Zugänge wie Leroy Sané und Serge Gnabry dürften das bekannte Bild garnieren, Spieler wie Kai Havertz (Leverkusen) und Arne Maier (Hertha) könnten es - noch nicht jetzt, aber perspektivisch - ergänzen.

Die Zahl der Experten dürften abnehmen

Dieser Neuaufbau wird keine Revolution sein wie vor 14 Jahren. Als Jürgen Klinsmann damals mit seinem Assistenten Löw das Nationalteam nach der Pleite bei der EM in Portugal übernahm, stand fest, dass Deutschland tatsächlich eine ganz neue Crew brauchte. Auf dem Platz wie auch außerhalb. Der Bau des Kaders für die WM 2006 geriet zur riesengroßen Versuchsanordnung, plötzlich wurden Spieler wie Marco Engelhardt, Frank Fahrenhorst und Moritz Volz mit Einladungen beglückt. Aber 2004 und 2018 haben nichts miteinander gemein, außer dass zwei deutsche Teams nach der Vorrunde heimreisen mussten.

Es wird dennoch Veränderungen geben im sportlichen Betrieb, Löw will inmitten all der manchmal viel zu fleißigen Experten wieder ein selbständig handelnder Trainer sein, ein paar Experten weniger dürften es werden. Er wird nicht mehr wie in Russland mit acht, neun oder zehn Personen zusammensitzen, wenn er vor den Spielen die Schlussbesprechung abhält, sondern nur noch mit vier oder fünf Beratern wie früher. Eine Diät der Betriebsstruktur gehört unbedingt zum Neubeginn, und vielleicht kann man bei der Gelegenheit sogar den bornierten Markenbegriff "Die Mannschaft" loswerden.

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