Reitsport:„Die Pferde sagen uns, wann sie so weit sind“

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„Das Talent hat er, und er ist klar im Kopf“: Jessica von Bredow-Werndl mit dem fünfjährigen Hengst Del Sogno. (Foto: Team Myrtill/CPF Ising/oh)

Die Olympiasieger Jessica von Bredow-Werndl und Michael Jung starten bei einem bayerischen Reitturnier – aber mit anderen Pferden als in Paris. In der Ausbildung der Nachfolger gilt es, um Jahre vorauszudenken.

Von Sabine Neumann

Zwei frisch gekürte Olympiasieger sieht man nicht alle Tage auf einem bayerischen Reitturnier. Und so kamen fast 20 000 Zuschauer zur 17. Auflage des zweiwöchigen Chiemsee Pferdefestivals auf Gut Ising mit internationalen Springprüfungen bis zu Zwei-Sterne S-Niveau und nationalen Dressurprüfungen bis Grand Prix-Niveau, um Jessica von Bredow-Werndl und Michael Jung zu sehen. Allerdings mit anderen Pferden als in Paris, TSF Dalera BB geht in den Ruhestand, Chipmunk bekommt eine längere Pause.

Nach den Olympischen Spielen in Tokio blieben von Bredow-Werndl und die inzwischen 17-jährige Dalera bis Paris drei Jahre lang international ungeschlagen und lagen unangefochten auf Platz eins der Weltrangliste. „Der Erwartungsdruck war riesig“, räumt sie ein. Zu Monatsbeginn übernahm ihre Teamkollegin Isabell Werth, die in Paris mit Wendy Teamgold und Einzelsilber gewann, erstmals wieder die Weltranglisten-Führung. Von Bredow-Werndl gab bekannt, dass Dalera kein Turnier mehr gehen und einen „aktiven Ruhestand“ bei ihr genießen wird. „Besser kann es nicht mehr werden. Dalera hat das Allerbeste verdient“, begründete sie die Entscheidung. Für die Trakehnerstute solle es keine Abschiedstour, sondern nur noch einige „Freudenauftritte“ geben. Beim Trakehner Hengstmarkt Ende November in Neumünster und im Januar beim Weltcup-Turnier in Basel, der Heimat von Daleras Schweizer Besitzerin Beatrice Bürchler-Keller, wird man das Ausnahmepaar noch einmal erleben können.

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In einer sehr besonderen Arena gewinnen Jessica von Bredow-Werndl und Dalera ihr viertes Olympiagold. Für die 17-jährige Trakehnerstute geht es nun in die Zucht, wer ihr nachfolgt, ist ungewiss. Klar ist: Es wird nie eine zweite Dalera geben.

Von Gabriele Pochhammer

Für die viermalige Dressur-Olympiasiegerin von Bredow-Werndl aus der Nähe von Bad Aibling liegt das Turnier auf Gut Ising quasi vor der Haustür, die 38-Jährige ist fast jedes Jahr zu Gast. Michael Jung, der dreimalige Einzel-Olympiasieger in der Vielseitigkeit aus dem baden-württembergischen Horb am Neckar, hat es zwar wesentlich weiter. Aber der 42-Jährige ist seit einigen Jahren auch im Springsattel international erfolgreich und kommt gerne „wegen des tollen Prüfungsangebots und der sehr guten sportlichen Bedingungen“. Obwohl Jung sich wider Erwarten nicht für den Großen Preis qualifizieren konnte, fiel seine Turnierbilanz insgesamt positiv aus: „Ich habe zwar nichts gewonnen, bin aber mit meinen Pferden zufrieden. Sie haben etwas gelernt.“

Vielseitigkeit-Olympiasieger Jung will sich in der Wintersaison mehr auf den Springsport konzentrieren

Die Ausbildung junger Pferde und der weitere Aufbau der älteren ist wesentlich für den Erfolg. „Man muss immer einige Jahre vorausdenken, um den Anschluss zu halten“, betonte er. Seinem Olympiapartner, dem 16-jährigen Chipmunk, gibt er eine längere Pause. Die Vielseitigkeits-Europameisterschaft im kommenden Jahr plant er mit einem seiner jüngeren Pferde. Für die Weltmeisterschaft 2026 in Aachen sieht er in dem dann 18-jährigen „Chippy“ noch einmal eine Option.

Der zwölfjährige Wild Wave, eines seiner bis zu 5-Sterne-Niveau platzierten Spitzenpferde, wurde gerade an einen chinesischen Nachwuchsreiter verkauft. „Die beiden passen gut zusammen. Er kommt öfter nach Europa und will sich mit Wild Wave auf Championate wie die Asian Games vorbereiten“, erläuterte Jung. Er selbst wird sich in der Wintersaison mehr auf den Springsport konzentrieren. Die traditionsreichen Hallenturniere in Stuttgart und in Genf hat er fest eingeplant. Ein kompletter Disziplinwechsel in den Springsport ist derzeit aber kein Thema, auch wenn Bundestrainer Otto Becker ihn wiederholt in Nationenpreisen einsetzte.

„Ich habe zwar nichts gewonnen, bin aber mit meinen Pferden zufrieden. Sie haben etwas gelernt“: Michael Jung. (Foto: Team Myrtill/CPF Ising/oh)

Von Bredow-Werndl ritt in Ising einen fünfjährigen Hengst namens Del Sogno altersgemäß in einer Dressurpferdeprüfung der Klasse L, was „leicht“ bedeutet. Über die gelungene Turnierpremiere und den zweiten Platz freute sie sich: „Schritt und Galopp sind schon gut, der Trab entwickelt sich über die Arbeit an Piaffe und Passage. Das Talent dafür hat er, und er ist klar im Kopf“, lobte sie. Vor einem guten halben Jahr brachte ihr Kaderkollege Sönke Rothenberger „Socke“ nach Aubenhausen. Für den Team-Olympiasieger von Rio blieb der gekörte Hengst zu klein, nun hofft er, dass er „mal ein Championatspferd für Jessi wird“.

Von Bredow-Werndl hat derzeit kein Pferd, mit dem sie sofort auf Championat-Niveau weiterreiten könnte. „Ich wollte unbedingt ein Backup für Paris und habe mich unter Druck gesetzt, aber ich habe losgelassen und mache es wie immer. Die Pferde sagen uns, wann sie so weit sind. Bis dahin werde ich nationale Turniere reiten“, erklärte sie. Immerhin, vier ihrer jungen Pferde sind bereits in der Königsklasse angekommen, darunter Discover. Den vielversprechenden elfjährigen Fuchs mit ersten Grand Prix-Erfolgen hat sie kürzlich von ihrem Bruder Benjamin übernommen. „Ich freue mich darauf, nächstes Jahr nicht als Favoritin ins Viereck zu reiten“, sagte die Olympionikin. Wie Jung denkt auch sie langfristig. Los Angeles 2028 ist ihr erklärtes Ziel, „auch wenn ich noch nicht weiß, ob ich schon das richtige Pferd dafür habe“.

Aufs richtige Pferd gesetzt hatte im Großen Preis von Ising Elisabeth Meyer. Mit der erst achtjährigen Let it Shine gewann die Reiterin aus Baden-Württemberg das Stechen vor dem Bayerischen Meister Bernd Hofbauer mit Jupiter und dem Schweizer Niklaus Schurtenberger mit Lireu. Die erst 17-jährige Emma Bachl aus Postmünster feierte mit Classic White am Samstag in der Qualifikation zum Großen Preis ihren ersten internationalen Zwei-Sterne S-Sieg. Dressurreiterin Yara Reichert freute sich über mehrere Siege, so im Grand Prix mit Springbank. Bei ihrer Kürpremiere mit Valverde gewann sie punktgleich mit Jessica Neuhauser, die erst seit kurzem im Sattel von Rockson sitzt.

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