Dass das deutsche Eishockey einmal international eine Vorreiterrolle einnehmen würde, war selbst nach Olympia-Silber 2018 nicht zu erwarten. Aber da stand sie nun in der Mixed Zone in Helsinki und wurde bestaunt wie die rote Prärie-Lilie, das Wappenzeichen ihrer Heimat: Jessica Campbell, 29, geboren in Moosomin in der Provinz Saskatchewan – die erste Frau im Trainerstab bei einer Männer-WM. Den Deutschen Eishockey-Bund hatten ihretwegen so viele Medienanfragen erreicht, dass er am Mittwoch eigens einen Termin mit der Kanadierin arrangierte. Und so erfüllte sich die leicht raunende Prophezeiung eines TV-Senders, die Frau mit den blonden Haaren werde bei dieser WM „Blicke auf sich ziehen, das ist gewiss“.
Für die deutschen Nationalspieler ist der Anblick einer Frau auf ihrer Bank längst vertraut. Im Lauf der DEL-Saison assistierte Campbell für einige Tage dem Nürnberger Chefcoach Tom Rowe, der nun Bundestrainer Toni Söderholm zuarbeitet und Campbell wärmstens empfahl. In Helsinki ist die WM-Silbermedaillengewinnerin von 2015 für das Unterzahlspiel verantwortlich. „Jessy ist eine sehr neugierige Trainerin. Sie arbeitet sehr akribisch und sie kommuniziert sehr gut mit den Spielern“, lobt Söderholm Campbells klare Ansagen. Wo er manchmal drei Sätze brauche, reiche ihr oft ein einziger. „Erfrischend“ empfindet es WM-Debütant Alexander Ehl, „ein anderes Gesicht zu sehen“, Kapitän Moritz Müller sagt: „Man muss mit Kompetenz überzeugen. Da ist es egal, ob man Frau oder Mann ist.“ Das große Interesse an Campbell überrasche ihn nicht, sagt Söderholm: „Das hat sie verdient. Aber sie und mich interessiert nur, wie gut wir spielen.“ Und damit bitte volle Aufmerksamkeit auf das Spiel am Donnerstag (15.20 Uhr) gegen Dänemark.
„Es wird kein Schönheitswettbewerb werden.“
Wie immer, wenn diese beiden Nationen aufeinandertreffen, ist es ein Schlüsselspiel auf dem Weg ins WM-Viertelfinale. „Es ist eines dieser Spiele, in denen du einen großen Schritt machen kannst“, sagte der dänische Stürmer Morten Poulsen am Mittwoch. Dänemark hat zuletzt bei seiner ersten Olympia-Teilnahme das Viertelfinale erreicht (1:3 gegen Russland). Dennoch hat das Team des ehemaligen DEL-Profis Heinz Ehlers großen Respekt vor der DEB-Auswahl. „Unsere halbe Mannschaft hat schon in Deutschland gespielt“, sagt Poulsen. Spieler wie Frederik Storm (Ingolstadt) oder Frans Nielsen, Meister mit den Eisbären Berlin, sprächen „in den höchsten Tönen von den Deutschen“. Geheimnisse dürfte es da keine mehr geben, oder? „Lass uns morgen abwarten“, sagt Poulsen und grinst.
„Dänemark ist immer ein sehr, sehr unangenehmer Gegner“, meint Stürmer Marc Michaelis. Von acht WM-Duellen gewannen die Deutschen drei und verloren fünf; bis auf zwei endeten alle mit einem Tor Unterschied. „In den vergangenen Spielen waren sie ein bisschen eine Wundertüte“, sagt Michaelis. Dem 9:1 der Dänen gegen Kasachstan folgte ein 0:6 gegen die Schweiz, das 2:1 am Dienstag gegen Italien war Schwerstarbeit. „Ich erwarte keine Abwehrschlacht“, sagt Michaelis, „aber ein Schönheitswettbewerb wird es nicht werden.“
Und Jessica Campbell? Sie sagte am Mittwoch: „Ich will das Beste aus meinen Fähigkeiten machen. Wenn ich den Weg für andere bereite, ist es toll.“ Klare Ansage: Eins nach dem anderen.