Trainer in der Bundesliga:Die furchtlosen Neuen

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Wiedersehen in neuen Rollen: Marco Rose (links), jetzt Trainer von Borussia Dortmund, fordert die Bayern und den Kollegen Julian Nagelsmann heraus. (Foto: opokupix/imago)

Von den besten achten Teams der vergangenen Saison haben sieben ihren Trainer gewechselt - wie verändert das die Spitze der Bundesliga, was bedeutet das für den FC Bayern? Ein Blick auf die Bänke der Herausforderer.

Von Javier Cáceres, Thomas Hürner und Christof Kneer

Der Sonntag ist kein Arbeitstag, aber was soll man machen? An diesem Sonntag, 1. August, übernimmt Hansi Flick den Posten des deutschen Bundestrainers. Mit der Arbeit hat er allerdings längst begonnen, er hat bereit erste Sitzungen mit Scouts, Analysten und seinem Trainerstab hinter sich. Bei all der Arbeit wird er immer wieder einen neugierigen Seitenblick nach München werfen, dorthin, wo er es trotz (oder wegen?) sieben Titeln nicht mehr aushalten mochte. Er wird verfolgen, was sein ehemaliger Rivale Hasan Salihamidzic dort für einen Kader anmischt und was der neue Trainer Julian Nagelsmann draus macht.

Mit einiger Gelassenheit versucht Nagelsmann, 34, gerade jene ersten Ergebnisse zu moderieren, die tendenziell nicht "bayern-like" sind, wie der Ex-Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge sagen würde. An der Säbener Straße werden zurzeit Engelchen und Teufelchen gesichtet: Das Engelchen weist darauf hin, dass Nagelsmann nach drei Spielen ja nur deshalb sieglos ist, weil er umständehalber mit einer Hilfs-Elf antreten muss. Das Teufelchen hält dagegen, dass die Umstände in München noch nie interessiert haben und drei sieglose Spiele immer einen schlechten Geschmack im Mund machen.

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Inzwischen sind die meisten EM-Fahrer aus dem Urlaub zurückgekehrt, Goretzka, Lewandowski, Süle, Sané, Pavard und Coman sollen im Test gegen Neapel an diesem Samstag ein paar Spielminuten abbekommen. Wie belastbar der feine, aber kleine Bayern-Kader ist, ist vor dem Ligastart am 13. August in Mönchengladbach die große Frage - sie wird darüber entscheiden, ob es einem Herausforderer gelingen kann, die Bayern auf dem Weg zum zehnten Titel in Serie aufzuhalten.

Mindestens genauso groß ist die Frage, wie sich die Ligaspitze in der neuen Saison präsentieren wird. Von den besten acht Teams der vergangenen Saison haben sieben ihren Trainer gewechselt - neben dem FC Bayern (Julian Nagelsmann) haben auch RB Leipzig (Jesse Marsch), Borussia Dortmund (Marco Rose), der VfL Wolfsburg (Mark van Bommel), Eintracht Frankfurt (Oliver Glasner), Bayer Leverkusen (Gerard Seoane) und Borussia Mönchengladbach (Adi Hütter) ihre Bänke neu besetzt. Wie nah können die Jäger dem FC Bayern in der traditionell gefährlichen Nach-EM-Saison kommen? Ein Überblick über die neuen Trainer der Champions-League-Starter.

Jesse Marsch (RB Leipzig)

Der US-Amerikaner Jesse Marsch tritt in Leipzig die Nachfolge von Julian Nagelsmann an. (Foto: Jasmin Walter /imago)

Es gibt eine Reihe von Faktoren, an denen ein Fußballteam im Laufe einer Saison scheitern kann. Zum Beispiel daran, dass etwaige Potenziale wegen Leisetreterei nicht vollumfänglich ausgeschöpft werden. Bei RB Leipzig steht das in der neuen Spielzeit kaum zu befürchten. Denn wie auch immer sich der 47-jährige US-Amerikaner Jesse Marsch in seiner ersten Bundesliga-Saison schlagen mag - an fehlendem Selbstbewusstsein des Trainers wird RB nicht scheitern.

Der Kader sei zumindest in der Breite der beste der Liga, sagte Marsch der Mitteldeutschen Zeitung und bezog sich dabei auch auf einen echten Zugang (Stürmer André Silva aus Frankfurt) und einen gefühlten, den Ungarn Dominik Szoboszlai, der bereits im Winter aus Salzburg kam und seither verletzt fehlte. Aber nicht nur via Zeitung ließ Marsch anklingen, dass er kein Problem damit hat, Ansprüche zu formulieren. Selbstverständlich wolle man nach Titeln greifen und, read my lips, den FC Bayern attackieren. Das direkte Duell steigt früh in der Saison - am vierten Spieltag in München.

Der in Racine, Wisconsin geborene Marsch war schon einmal in Leipzig tätig, in der Saison 2018/19 assistierte er Trainer Ralf Rangnick. Leipzig ist Marschs vierte Station als hauptverantwortlicher Coach. Zuvor hatte er Montreal Impact, dann New York Red Bull und - bis zum letzten Sommer - RB Salzburg trainiert. Das hat ihn stilistisch so geprägt, dass er das Rad nun erklärtermaßen zurückdrehen will, um den Zweiten der letzten Saison weiter voranzubringen.

Unter Nagelsmann hatte sich RB dem Ballbesitzfußball geöffnet und damit vom althergebrachten ideologischen Fundament entfernt. Unter Marsch soll in Leipzig wieder das geben, was gemeinhin als klassischer RB-Fußball gilt: viel Gegenpressing, reichlich Konterspiel. "Was ich einbringen kann, ist das Amerikanische in mir: Wir verspüren keinen Druck, wir haben keine Angst, wir können alles schaffen, es gibt keine Limits. Wir müssen es nur gemeinsam tun", sagt Marsch.

Marco Rose (Borussia Dortmund)

Wieder im Peloton oder bald in der Führungsgruppe der Liga? Der neue BVB-Trainer Marco Rose. (Foto: Kirchner-Media /imago)

"Wir musse nicht vergesse Sickler!" Giovanni Trapattoni hat das gesagt oder gerufen oder wie immer man das nennen mag, was da am 10. März 1998 aus ihm herauskam. Seine Rede ist Kult, wie man so sagt, aber wenn man sich mal Trapattonis inhaltlichen Botschaften widmet, muss man leider sagen: Man hat nicht auf ihn gehört. Sickler - in Deutschland fälschlicherweise "Zickler" genannt - ist durchaus ein bisschen in Vergessenheit geraten. Oder wer außer Sickler, Marco Rose und möglicherweise Aki Watzke könnte spontan die Frage beantworten, wo sich Zickler gerade befindet?

Alexander Zickler, den man sich eigentlich nur im rot-blau-gestreiften Trikot des FC Bayern vorstellen kann, befindet sich in Dortmund, ausgerechnet, er gehört seit Jahren zum Trainerstab des neuen BVB-Coaches Marco Rose. Dass Zickler einer der Co-Trainer ist, ist auch deshalb von Belang, weil Edin Terzic zum Beispiel kein Co-Trainer ist.

Terzic, das zur Erinnerung, ist jener junge Trainer, der in der Schlussphase der vergangenen Saison in Dortmund mit jedem Spiel größer wurde, während der bereits als neuer BVB-Coach feststehende Rose in Gladbach mit jeder Niederlage weiter schrumpfte. Am Ende führte der Interimscoach Terzic den BVB in die Champions League und zum DFB-Pokalsieg, während Rose die Gladbacher zielsicher auf Platz acht hinuntercoachte. Und jetzt sollte der Super-Terzic der Assi vom, Pardon, Pannen-Rose werden?

Formal haben die Dortmunder das Problem listig gelöst. Sie haben für Terzic den Titel "Technischer Direktor" erfunden, er wird also im Verein bleiben, aber weit weg vom Trainer auf der Tribüne sitzen. Dennoch könnte das die Geschichte werden, die über die Stimmung im Lager des ambitionierten und bestens besetzten Bayern-Verfolgers entscheidet: Was passiert im Klub und zwischen diesen beiden Männern, wenn Rose ein paarmal verliert und Menschen oder Medien einen Cheftrainer Terzic fordern?

Natürlich antwortet niemand auf diese Frage. Der Plan ist ja, "es gemeinsam zu tun", wie Jesse Marsch sagen würde.

Mark van Bommel (VfL Wolfsburg)

Der Niederländer Mark von Bommel beerbt in Wolfsburg Oliver Glasner, der nun Eintracht Frankfurt trainiert. (Foto: Hans Oberlaender/imago)

Mark van Bommel, 44, möchte offenbar gleich zu Beginn einiges klarstellen, jedenfalls hat der frühere "Aggressive Leader" und neue Trainer des VfL Wolfsburg seit seinem Amtsantritt eine imposante Interviewreihe absolviert. Der Subtext war bei einigen Fragen offensichtlich: Wann wird er erstmals einen seiner Spieler an der Gurgel packen? Gibt es wenigstens im Training die Möglichkeit, mal wieder eine seiner rigorosen Beinscheren zu sehen?

Und Hand aufs Herz: Kann das ernsthaft funktionieren mit dem bisweilen grummeligen VfL-Sportchef Jörg Schmadtke, der sich - so geht jedenfalls die Erzählung - ja noch mit jedem Trainer irgendwann verkracht hat? Sogar mit eher stillen Typen wie Oliver Glasner, der das Team in der vorigen Saison in die Champions League coachte und jetzt trotzdem in Frankfurt arbeitet.

Fragen über Fragen, die Wolfsburgs Saisonstart begleiten. Dabei hatte van Bommel den Themenkomplex Nummer eins schon bei seiner Präsentation im Juni abgearbeitet. "Die Spieler müssen keine Angst vor mir haben", versprach der Niederländer - und scheint Wort zu halten. Einige VfL-Spieler beschrieben ihren neuen Coach zuletzt als: menschlich. Der Trainer van Bommel hat sich aber auch in weiterer Hinsicht vom Mittelfeldraubein van Bommel emanzipiert. Er ist nochmal tief in die niederländische Denkschule eingetaucht, erst als Jugendtrainer bei der PSV Eindhoven, dann als Chefcoach.

Laut Schmadtke ist das die Grundlage dafür, dass der ausgereifte und temporeiche Glasner-Fußball fortan ein paar Zusatzelemente enthält: Ins Wolfsburger Umschaltspiel sollen unter van Bommel noch flotte Ballzirkulationen gemischt werden, was am Ende nicht nur ähnlich erfolgreich, sondern auch hübsch anzuschauen sein soll. In der Saisonvorbereitung war davon allerdings noch nicht viel zu sehen, zuletzt setzte es für den VfL vier Testspielniederlagen in Serie. Nervös werden muss Schmadtke deswegen aber noch lange nicht: Rein sportlich lag er mit seinen Trainern meistens richtig. Und auch van Bommel hat noch keinen Grund, unruhig zu werden: Edin Terzic, der in Wolfsburg auch mal im Gespräch war, ist ja in Dortmund geblieben.

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