Jermaine Jones bei Schalke 04:Abschied des Schwerarbeiters

1. FC Nuernberg v FC Schalke 04 - Bundesliga

Letzter Tanz: Jermaine Jones Ende Dezember im Spiel gegen Nürnberg

(Foto: Micha Will/Getty Images)

Nach sechs Jahren Dienstzeit verlässt Jermaine Jones Fußball-Bundesligist Schalke 04. Die Trennung dürfte eine gewisse Erleichterung auslösen: beim Spieler, beim Klub - und bei den Schiedsrichtern.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Noch hat Jermaine Jones den FC Schalke 04 und die Bundesliga nicht verlassen, aber es ist doch ziemlich wahrscheinlich, dass er sowohl das eine wie das andere tun wird.

Während seine Mannschaftskollegen am Freitag ihr Trainingslager in Katar aufschlugen, blieb der 32 Jahre alte Mittelfeldspieler zu Hause in Düsseldorf, um einen Verein zu suchen, der einen altgedienten, aber gut erhaltenen Schwerarbeiter wie ihn brauchen kann. Schalke hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass sich Jones "noch mal verändern" und "andere Perspektiven" für seine Karriere erschließen wolle.

Der Verein hätte sein Veto einlegen können, immerhin gehört kein anderer Spieler dem Profikader länger an als er, und seine Einsatzzeiten während der Vorrunde qualifizieren ihn nach wie vor als Stammkraft. Aber Manager Horst Heldt hat keine Bedenkzeit beansprucht, bevor er dem Wunsch entsprach, und man darf sogar vermuten, dass diese Bitte eine gewisse Erleichterung ausgelöst hat.

Programmatischer Prioritätenwechsel

Offensichtlich steht hier nicht nur eine Trennung in beiderseitigem Einvernehmen an, sondern eine Trennung, die in beiderseitigem Interesse liegt. Für beide Seiten wäre diese "Veränderung" auch eine Befreiung.

Während Jones sich der drohenden Versetzung auf die Reservebank entzieht, spart Schalke einen besonders kostspieligen Mitarbeiter ein, der nicht mehr richtig ins Personalkonzept passt. Im Sommer wäre der in Frankfurt geborene Nationalspieler der USA, der bei der WM in Brasilien im Zentrum des Aufgebots des amerikanischen Trainers Jürgen Klinsmann stehen dürfte, ohnehin verabschiedet worden. Sein Vertrag läuft aus, programmatisch setzt Schalke andere Prioritäten.

Die Jugend hat Vorrang. Fast ein halbes Dutzend Spieler aus der Juniorenabteilung ist mitgefahren an den Arabischen Golf, und von der 22-jährigen Münchner Leihgabe Jan Kirchhoff und dem 18-jährigen Leon Goretzka erhofft sich Manager Heldt mehr Produktivität für die defensive Mittelfeldreihe, als der Routinier Jones sie zuletzt gewährleistet hat.

Als berufsmäßiger Treter diskriminiert

An seinem fortgeschrittenen Alter aber macht die Karriere in Schalke nicht Halt. Körperlich hat er keine Nachteile. Das Alter hat Jones auch in dieser Saison nicht daran gehindert, aufregende Sprints kreuz und quer über das Spielfeld hinzulegen und Verfolgungsjagden auf den Ball zu starten wie ein Windhund, der den Hasen hetzt. Das Problem sind nicht nachlassendes Tempo oder verminderte Ausdauer, sondern die Defizite an Effizienz und strategischer Disziplin.

Was nach enormem Aktionsdrang aussah, war bei näherer Betrachtung oft Aktionismus; was dynamisch und energisch wirkte, war nicht selten ziellos und unergiebig; sein Radius war häufig größer als der Nutzen, der daraus entstand, und manchmal war er sogar kontraproduktiv, weil er dann genau an der Stelle fehlte, wo er hingehörte. Jones kann, wenn er sich auf die Abfangjägerdienste beschränkt, ein guter, sogar sehr guter Spieler sein, aber er überschätzt sich und seine Spielkunst.

Trainer wie Joachim Löw und Ralf Rangnick hatten deshalb einst keine Verwendung für ihn, und der aktuelle Schalker Übungsleiter Jens Keller hat Jones zuletzt vor allem deswegen so oft eingesetzt, weil bevorzugte Kandidaten wie Marko Höger und Dennis Aogo verletzt ausfielen. Dass ihn Klinsmann als seinen "Leader" des US-amerikanischen Nationalteams preist, steht nicht im Widerspruch. Dort gelten andere Maßstäbe.

Wenn Jones tatsächlich die Bundesliga verlassen sollte, die er seit der Jahrhundertwende begleitet, dann wird das auch die Schiedsrichter interessieren. Ihnen bleibt viel Arbeit erspart. Allein in den sechseinhalb Jahren in Schalke wurde er sechs Mal nach zwei gelben Karten und einmal nach einer roten Karte des Feldes verwiesen; regelmäßig handelte er sich Gelb-Sperren ein, vor zwei Jahren zog ihn das Sportgericht wochenlang aus dem Verkehr, weil er Marco Reus mutwillig auf den verletzten Fuß gestiegen war. Für diese ebenso niederträchtige wie törichte Aktion wurde er als berufsmäßiger Treter diskriminiert.

Diesem Bild hat er durch eigensinnige Imagepflege Vorschub geleistet, dabei entspricht es gar nicht seiner Natur. In Schalke gilt er als verlässlich, korrekt und auch als gutherzig. Dass er in der Mannschaft "isoliert" gewesen sei, wie jetzt hier und da behauptet wurde, stimmt nicht, wie Kenner versichern. Er war durchaus beliebt.

Dass es Differenzen zur neuen Generation der Internatsfußballer gab, ist allerdings auch nicht zu übersehen. Seine Vorstellungen von den Geboten einer Mannschaftshierarchie stammen noch aus Zeiten, in denen Cheferscheinungen wie Michael Ballack und Torsten Frings auf dem Platz das Sagen beanspruchten. Aber die Zeiten ändern sich.

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