Ruud van Nistelrooy hat keine Zeit. "Jede Sekunde zählt!", sagt er. Dabei wirkt er nicht besonders hastig, wenn man mit ihm spricht. Eher betont entspannt.
Flucht von der Ersatzbank: Ruud van Nistelrooy.
(Foto: Foto: AFP)Der 29-jährige Mittelstürmer der niederländischen Nationalmannschaft hat eine symbolische Art der Ungeduld entwickelt. Es geht um das Abschneiden der Holländer bei der WM, aber es geht auch um ihn. Van Nistelrooy ist im fortgeschrittenen Alter eines Stürmers und möglicherweise am Wendepunkt seiner Karriere angelangt.
"Jede Sekunde zählt", sagt er, weil die Niederländer nach acht Jahren wieder bei einer WM mitspielen und große Ziele haben. "Wir müssen jede Sekunde investieren, wenn wir Weltmeister werden wollen", sagt er. Aber er denkt auch an seine Zukunft.
Kein Kämpfer
Van Nistelrooy braucht eine neue Herausforderung. Mit Alex Ferguson, dem Trainer seines Arbeitgebers Manchester United, ist er zerstritten. Ferguson hat ihn zuletzt oft auf der Bank schmoren lassen. "Wer kein Kämpfer ist, muss raus", hat Ferguson gesagt."
So etwas lässt sich van Nistelrooy nicht gefallen. Vor dem letzten Saisonspiel Anfang Mai ist er unentschuldigt nach Holland geflüchtet. Solch ein Affront gilt in der Branche als irreparables Zerwürfnis, was einigen Klubs in Europa in diesem Fall jedoch als gute Gelegenheit daherkommt. Auch dem FC Bayern.
Dessen Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat Interesse an van Nistelrooy angemeldet. "Wir müssen aber erst wissen, ob er tatsächlich günstig auf dem Markt ist", sagt Rummenigge. Doch das ist nicht die einzige Unwägbarkeit. Die Münchner sind nur ein Interessent unter vielen.
Der Niederländer wird nicht nur mit dem AC Mailand in Verbindung gebracht, sondern auch mit einem halben Dutzend weiterer europäischer Topklubs. Der PSV Eindhoven soll bereits 7,5 Millionen Euro geboten, Manchester aber zwölf Millionen Euro als Ablöse aufgerufen haben.
"Der Rasen ist zu trocken"
"Jede Sekunde zählt", sagt Ruud van Nistelrooy, aber seine 4080 Sekunden im WM-Auftaktspiel gegen Serbien/Montenegro hat er nicht nutzen können. Beim 1:0 ist van Nistelrooy nach 68 enttäuschenden Minuten ausgewechselt worden. Er hat nicht ins Spiel gefunden.
"Der Rasen war zu trocken", hat er danach gesagt, und man hat wieder den Eindruck bekommen, dieser Mensch sei nicht bereit zur Selbstkritik. In Manchester fühlte er sich schlecht behandelt, und in Leipzig war der Rasen zu schlecht, um gut darauf zu spielen. Van Nistelrooy zählt sich selbst tatsächlich zu den dünnhäutigeren Spielern.
"Für mich ist Fußball nicht nur Business", sagt er, "und es macht die Sache nicht gerade einfach, dass ich jede Kritik persönlich nehme, aber ich kann das nicht trennen." Andererseits vermag ihn Zuspruch auch besonders zu motivieren. Am Dienstag war wieder öffentliches Training der Holländer in Freiburg.
Auf der Tribüne haben sie van Nistelrooy schon bei der Aufwärmrunde gefeiert, und jedes Mal, wenn die Mannschaft dort vorbeikam, hat er lächelnd hinauf gewinkt. "Ich konzentriere mich zurzeit nur auf die WM und denke nicht an Manchester", sagt er, "das hat mich ein bisschen fröhlicher gemacht."
Ein Schnäppchen
Einmal hat er gesagt, dass er nach der WM seinen Dienst in England wieder antrete, schließlich habe er dort einen Vertrag bis 2008. Aber das war wohl nur eine taktische Aussage. Er will nicht den Eindruck erwecken, als forciere er seinen Abschied. Dass er in Manchester noch einmal glücklich wird, ist indes nur schwer vorstellbar.
Wenn van Nistelrooy wirklich für zwölf Millionen Euro zu haben sein sollte, wäre er ein Schnäppchen. Die britische Premier League führt ihn trotz zuletzt enormer Formschwankungen in der aktuellen Saisonstatistik bei den Stürmern noch immer auf Rang zwei hinter Thierry Henry vom FC Arsenal.
Van Nistelrooy hat in der abgelaufenen Spielzeit 21 Tore in 35 Spielen erzielt und war Manchesters Toptorjäger. Aber er ist 29 Jahre alt. Am 1. Juli, wenn die Viertelfinalspiele bei der WM abgeschlossen werden, wird er 30.
Die Bayern hätten ihn trotzdem gern und können sich dann womöglich auch vorstellen, Roy Makaay abzugeben. Auch für ihn soll es Interessenten geben, vielleicht den FC Barcelona, der einen Ersatz für den nach Helsingborg wechselnden Schweden Henrik Larsson gut gebrauchen könnte.
Die wichtigsten Wochen seiner Karriere
Van Nistelrooy äußert sich in diesen Tagen ausschließlich zur WM, bei der ihm Nationaltrainer Marco van Basten ein Schicksal wie in Manchester demonstrativ erspart. "Ruud ist bei uns gesetzt", sagte van Basten, obwohl er zugeben musste, "dass er gegen Serbien nicht so gut war".
Er sei trotzdem ein unentbehrlicher Spieler für das Team, "schon im nächsten Spiel kann er wieder ganz wichtig für uns sein." Van Nistelrooy braucht dieses Vertrauen, und er braucht eine neue Chance. "Diese Wochen sind die wichtigsten meiner Karriere", sagt er, "ich will hier etwas beweisen."
Es ist seit seinem Durchbruch in Eindhoven vor sieben Jahren zum ersten Mal so, dass van Nistelrooy etwas beweisen muss. Deshalb hat er keine Zeit. Jede Sekunde zählt.