Javier Martínez und der FC Bayern:Ein Scheck über 40 Millionen Euro

Der Transfer von Javier Martínez ist perfekt: Mitten in der Nacht kommt der Baske zum Medizincheck nach München. Der FC Bayern hinterlegt beim spanischen Ligaverband in Madrid die festgeschriebene Ablösesumme und meldet auf seiner Homepage, dass Martinez kommen werde. Nun ist klar: Der Sommer ist vorbei, der Herbst wird einen harten Konkurrenzkampf um die Stammplätze bringen.

Johannes Aumüller

Nach allem, was bekannt ist, versteht sich Javier Martinez in erster Linie als Fußball-Profi. Das ist gut so, denn beispielsweise als Geheimagent würde er deutlich weniger taugen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch war der Baske zu einem Kurztrip nach München aufgebrochen, der nicht lange geheim blieb und wie folgt rekonstruiert wurde.

Kurz vor Mitternacht landete ein Privatjet auf dem Münchner Flughafen; wenig später saß Martinez in der Praxis von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem Arzt des FC Bayern, um sich dem vor Transfers obligaten Medizincheck zu unterziehen; und gegen vier Uhr machte sich der spanische Nationalspieler versteckt unter einem schwarzen Regenschirm und mit einem dahingenuschelten "todo bien" ("alles gut") wieder auf die Heimreise - nicht ins Baskenland, wo er bislang in Diensten von Athletic Bilbao stand, sondern direkt nach Madrid.

Und dort? Dort wurde im Laufe des Mittwochs einer der kompliziertesten und teuersten Transfers besiegelt, der in der Fußball-Geschichte bislang in Angriff genommen wurde. Javier Martinez und ein Vertreter des FC Bayern wurden beim spanischen Ligaverband in der Calle Hernandez de Tejada vorstellig.

Der Generalsekretär des Verbandes, Carlos del Campo, bestätigte später der SZ, dass der Mittelfeldspieler seinen Willen bekundet habe, seinen Vertrag bei Athletic Bilbao aufzulösen, und dass er den FC Bayern autorisiert habe, die im Vertrag festgeschriebene Ablösesumme zu entrichten. Daraufhin habe der Vertreter des FC Bayern einen Scheck über die geforderten 40 Millionen Euro deponiert.

In der Folge bestätigten der spanische Fußballverband RFEF und der Ligaverband LPF das Geschäft. Das impliziert auch das formale Einverständnis von Athletic Bilbao, mit dem der FC Bayern nie direkt in Verhandlung getreten war. Bei diesem komplexen Geschäft, das sich über Wochen hinzog, war die Rechtslage stets unklar, da es sich um ein Novum gehandelt hatte.

Nie zuvor war ein Transfer dieser Größenordnung gegen den Widerstand des abgebenden Klubs abgewickelt worden. Das spanische Fußball-Recht gestattet aber so ein Vorgehen, wonach der Spieler frei ist, sobald er oder der anwerbende Klub die fixierte Summe hinterlegt. Martinez hatte einen Vertrag bis 2016, in München wird er bis Juni 2017 unterschreiben.

Verärgerte Spanier

"Dies war ohne Frage ein komplizierter Transfer", erklärte Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge: "Umso glücklicher sind wir, dass Javi Martinez nun endlich bei uns ist. Dass er ein sehr guter Spieler ist, weiß man. Dass er dazu eine starke Persönlichkeit ist, Durchsetzungsvermögen und schon heute eine bemerkenswerte Verbundenheit für den FC Bayern besitzt, hat er in den zurückliegenden Tagen eindrucksvoll bewiesen." An diesem Donnerstag soll Martinez auf einer Pressekonferenz in München vorgestellt werden. Vorstellbar ist, dass er bereits am Sonntagnachmittag um 17.30 Uhr zum Heimspiel gegen den VfB Stuttgart im Kader steht.

Am Mittwoch hatten die Verantwortlichen Bilbaos zunächst mächtig verärgert wegen Martinez' Trip durch die europäische Dunkelheit reagiert - und wegen der Tatsache, dass sie offenkundig überrumpelt wurden. Immerhin befanden sie sich bereits in Helsinki zum Rückspiel der Europa-League-Qualifikation. Von Seiten Bilbaos hieß es, dass der München-Trip nicht abgesprochen war.

Man setzte also zunächst die Strategie fort, die Bilbaos Präsident José Urrutia wochenlang verfolgt hatte: sich stur stellen. Und in der Tat hatte sich aus Bilbao-Sicht ja nur wenig verändert. Erstens ist Athletic qua seiner Historie und seiner Bei-uns-spielen-nur-Basken-Philosophie ohnehin kein üblicher Fußballverein. Zweitens war man zutiefst verärgert, dass der Deal bereits vor zwei Wochen via Bild-Zeitung als perfekt gemeldet wurde. Und drittens hat der Klub die ersten beiden Liga-Partien der neuen Saison gegen Betis Sevilla (3:5) sowie bei Atletico Madrid (0:4) verloren und steht derzeit auf dem letzten Tabellenplatz - da tut sportliche Qualität gut.

Andererseits hatte Urrutia selbst zu Wochenbeginn zu Protokoll gegeben: "Es liegt nicht mehr in unserer Hand." Es lag an der Frage, ob und wie es dem FC Bayern gelingt, den Basken diese 40 Millionen Euro zukommen zu lassen, die sie eigentlich gar nicht haben wollten. Jene Summe also, über die Bayern-Präsident Uli Hoeneß kürzlich befand, sie liege zehn, 15 Millionen über Martinez' Marktwert. Aber da gebe es nun mal die verflixte Klausel.

Für den Freikauf des Spielers hatten die Münchner diverse Modelle diskutiert. Variante eins war gewesen: Wie bei jedem normalen Transfer bezahlt der FC Bayern einfach 40 Millionen Euro an Athletic Bilbao. Doch das ging wegen der Weigerung der Basken nicht. Daher kam Variante zwei ins Spiel: Weil es den spanischen Statuten nach möglich ist, dass sich ein Spieler freikauft, überweist der FC Bayern die 40 Millionen an Martinez, der das Geld beim spanischen Ligaverband hinterlegt, der es wiederum an Bilbao weiterleitet.

Doch diese Lösung wäre mit einem großen Risiko verbunden gewesen, weil Martinez die von den Münchnern überwiesene Summe unter Umständen mit bis zu 20 Millionen Euro hätte versteuern müssen; die Rechtslage ist da unklar. Jedenfalls hätte das zu Zusatzkosten für den FC Bayern geführt.

Somit ergab sich nun Variante drei: Nicht Martinez, sondern der FC Bayern deponiert das Geld beim spanischen Ligaverband, und der leitet es an Bilbao weiter. Fehlte nur noch eines: dass Bilbao das Vorgehen zähneknirschend hinnimmt und den Transfer zumindest indirekt akzeptiert.

Das ist offenbar geschehen, Mario Gomez ist als Rekordtransfer abgelöst, und der FC Bayern hat einen investitionsstarken Sommer hinter sich: Mario Mandzukic, Claudio Pizarro, Xherdan Shaqiri, Dante, Mitchell Weiser und Tom Starke kamen zuvor schon für rund 27 Millionen Euro. Doch der Sommer ist nun vorbei, der Herbst wird einen harten Konkurrenzkampf um die Stammplätze bringen.

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