NBA-Coach Jason Kidd bei den Mavs:Nowitzkis General ist gereift

Jason Kidd Dallas Mavericks

Der 12. Juni 2011: Jason Kidd, damals noch Spieler bei den Dallas Mavericks, feiert mit Dirk Nowitzki die NBA-Meisterschaft.

(Foto: Mark Ralston/AFP)

Die Dallas Mavericks stehen im Halbfinale, weil sie auch bei Rückständen und Rückschlägen an sich glauben. Das liegt an Trainer Kidd, der den Klub einst als Spieler gemeinsam mit Dirk Nowitzki geprägt hat.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt dieses Video, bei dem sich die meisten Leute ziemlich sicher sind, dass es die beste Szene aus der Partie zwischen den Dallas Mavericks und den Phoenix Suns enthält. Das will was heißen, denn dieses Entscheidungsspiel um den Einzug ins NBA-Halbfinale war eines der verrücktesten der vergangenen, sagen wir: 100 Jahre. Außenseiter Dallas hat Titelkandidat Phoenix nicht nur besiegt und rausgekegelt aus den Playoffs, sondern gedemütigt. 123:90 hieß es am Ende, oder wie Mavericks-Trainer Jason Kidd kichernd meinte: "Die meisten hatten mit einer Abreibung gerechnet - war's ja dann auch."

Das Video zeigt überraschenderweise nicht die Ein-Mann-Zaubershow Luka Doncics, der nach jeder seiner Aktionen grinste wie ein Bond-Bösewicht. Das Video zeigt Kidd am Spielfeldrand - er hüpft und gestikuliert wie Rumpelstilzchen und brüllt schneller als ein Auktionator: "Bleib hinten! Bleib, bleib, bleib! Hinten! Geh' ran! Zurück! Spring! Grundlinie! Ran, ran, ran! Los jetzt, ran!" Es sind Anweisungen und Anfeuerungsrufe zugleich, und das sagt sehr viel darüber aus, warum die Mavs nun im Halbfinale gegen die Golden State Warriors stehen.

Es gibt nämlich noch ein Video, aufgenommen nach dieser Partie. Kidd steht in der Umkleide und fragt seine Spieler: "Habt ihr daran geglaubt?" Die antworten: "Yes, sir!" Kidd sagt: "Ihr wart 2:0 hinten und habt daran geglaubt. Ihr wart verletzt, und habt daran geglaubt. Jetzt seid ihr wahrscheinlich total müde, oder? Also Zapfenstreich 22 Uhr!" Auf wütende Proteste der Spieler verlängert er grinsend bis 22.15 Uhr, dann sagt er: "Wie gegen Utah: weiterkommen mit Auswärtssieg, auch da hatte niemand an uns geglaubt - niemand außer uns."

Jason Kidd hat als Co-Trainer in der NBA gelernt - jetzt ist er bereit als Chefcoach der Dallas Mavericks

Nur der Vollständigkeit halber, weil es auch wichtig ist: Die Dallas-Spieler durften freilich länger wach bleiben, Kidd sagte: "Heute wird gefeiert, dann bereiten wir uns aufs Halbfinale vor." Auch dieser Satz ist wichtig, wenn man den Trainer Kidd verstehen will und warum die ihn so schätzen. Er selbst nämlich, so ist von den Mavs zu hören, sei beim Feiern nicht dabei gewesen; er wollte sich sogleich auf die Warriors vorbereiten.

Kidd, 49, ist nun seit neun Jahren Basketballtrainer. Er war Chefcoach bei den Brooklyn Nets (2013-14) und den Milwaukee Bucks (2014-18), danach Co-Trainer bei den Los Angeles Lakers (2019-21, er gewann 2020 den Titel) - seit dieser Saison leitet er Dallas. Er hat aber noch nicht vergessen, dass er mal Spieler war, ein unfassbar guter sogar: zehnmaliger All-Star, fünf Mal bester Passgeber einer NBA-Saison; als Regisseur führte er die Nets zwei Mal in die Finalserie, die seine Rückennummer "5" deshalb nicht mehr vergeben.

Jason Kidd Dallas Mavericks

Jason Kidd debütierte Mitte der 90er als Rookie bei den Mavericks. Damals galt er als großes Spektakel auf der Aufbauposition - einer mit genialen Pässen. Später kehrte er nach Dallas zurück und gewann den Titel.

(Foto: Sauer/Imago)

Meister wurde er jedoch mit den Mavericks 2011. Anführer des Teams damals war natürlich Dirk Nowitzki, und während des überraschenden Playoff-Runs - Dallas hatte die fünftbeste Bilanz der regulären Saison - überließ der Spielmacher Kidd das Rampenlicht häufig seinen Kollegen JJ Barea und Jason Terry. Er war der General, der den Überblick in der oft chaotischen Finalserie gegen Miami Heat behielt. Er hatte schon damals ein feines Gespür dafür, wann einer gestreichelt werden musste, wann er einen gepflegten Anschiss brauchte und wann einen aufputschenden Brustklopfer.

Diese Qualität hat er sich nun als Trainer erhalten, und was für einen riesigen Unterschied das machen kann, war nun gegen die Suns zu sehen. Deren Spielmacher Chris Paul gilt als einer der besten Dirigenten der Geschichte, sogar besser als Kidd - aber noch ohne Titel. Im Entscheidungsspiel verkrampfte er und schaffte lediglich zehn Punkte und vier Zuspiele. Die Bilanz des locker grinsenden Doncic: 35 Zähler, zehn Rebounds.

NBA-Coach Jason Kidd bei den Mavs: Wenn Luka Doncic (re.) seine Würfe trifft, sind die Mavericks gefährlich. Deshalb lässt Kidd seinen Spielmacher gerne machen.

Wenn Luka Doncic (re.) seine Würfe trifft, sind die Mavericks gefährlich. Deshalb lässt Kidd seinen Spielmacher gerne machen.

(Foto: Jerome Miron/USA TODAY Sports)

Kidd ist also ein Spielerversteher, das hatte er als Profi bereits bewiesen - warum hat es also zunächst als Trainer nicht geklappt? Die Nets tauschten ihn nach nur einer Saison gegen zwei Draft-Picks mit Milwaukee, weil er zu viel Mitspracherecht gefordert haben soll; seine Zeit bei den Bucks verlief durchwachsen. Er brauchte ein wenig, um sein Händchen zu finden, um seine Autorität zu schärfen und zu reifen.

Kein Wunder, denn der Trainerneuling Kidd trat gerade mal neun Tage nach dem Ende seiner Profikarriere bei den Nets auf den Plan. Es war zu früh, wie er heute sagt. Er habe dann in LA erst eine Weile als Co-Trainer unter seinem Mentor Frank Vogel gebraucht, um zu lernen, was es bedeute, nicht nur für sich selbst, sondern für die komplette Mannschaft verantwortlich zu sein: "Er hat mich darauf vorbereitet, was passiert. Ich habe gelernt, wie man Akteure dorthin bringt, wo sie erfolgreich sind." Und er habe gelernt, auf den Leader im Team zu hören. "Wenn der Spaß haben will: Lass' ihn Spaß haben."

Im aktuellen Mavs-Team ist das Doncic, und der will in der Best-of-seven-Serie von Mittwoch an gegen die Wurfkönige der Warriors (Steph Curry, Klay Thompson) wieder möglichst viel Spaß haben. Die Serie dürfte schmackhaft werden für alle, die das Spektakel lieben. Damit sie noch interessanter wird, sollte die NBA Jason Kidd möglichst oft mit einem Mikrofon verkabeln.

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