Süddeutsche Zeitung

Jared Jordans Wechsel nach Bamberg:"Das Gegenteil von Fairplay"

In der Basketball-Bundesliga sorgen neue Geschäftspraktiken für Aufregung. Bonn verliert den besten Aufbauspieler der Liga an Bamberg - und wertet die Abwerbung mitten in der Saison als Indiz für schwerwiegenden Sittenverfall.

Von Ulrich Hartmann

Für Jared Jordan lagen nur 17 Stunden zwischen Abschiedstränen im Bonner Trikot nach einem 82:80-Sieg in Vechta am Mittwochabend und einem Lächeln bei der Präsentation im Bamberger Hemd am Donnerstagnachmittag. Der 29-jährige US-Basketballer ist einen Tag vor Ablauf der Transferperiode von den Telekom Baskets Bonn zu den Brose Baskets Bamberg gewechselt. Er löst im Frankenland freudige Titelhoffnung aus - und im Rheinland hilflose Wut.

Bonns zorniger Präsident Wolfgang Wiedlich suggeriert "das Gegenteil von Fairplay". Dass sie dem ligabesten Aufbauspieler Jordan mit einem unmoralischen Angebot den Kopf verdreht haben, weist Bambergs Manager Wolfgang Heyder aber entrüstet zurück. "Es ging gar nicht ums Geld; er verdient bei uns bis zum Saisonende nicht mehr als in Bonn und hat sich aus rein sportlichen Gründen für diesen Wechsel entschieden." Heyder grollt: "Ich kann nicht nachvollziehen, dass wir jetzt die Bösen sein sollen."

Die Sensibilität für Spieler-Abwerbungen mitten in der Saison ist in der Ligazentrale in Köln nun allerdings geweckt. "Wir beobachten das, stellen bis jetzt aber keinen Trend fest, dass es Überhand nimmt", sagt Liga-Chef Jan Pommer. "Trotzdem könnte dies bei der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft ein Thema werden." Geheimniskrämerei hat im Bonner Stadtteil Hardtberg Tradition. Noch immer hat das Verteidigungsministerium seinen Hauptsitz auf der Hardthöhe.

Die Basketballer haben sich da offenbar inspirieren lassen. Eine Woche lang haben sie zu Gerüchten über den Wechsel ihres herausragenden Aufbauspielers schlicht geschwiegen. Nun, da er perfekt ist, sprudelt es aus dem Baskets-Präsidenten Wiedlich umso wütender heraus: "Der Umgang der Erstligisten untereinander verändert sich. Die Sitten werden rauer. Der Druck wird von oben nach unten weitergegeben."

Wohl oder übel haben die Bonner dem Wechsel ihres Pointguards zugestimmt, obwohl sie Jordan beim Kampf um die Playoffs selbst dringend gebraucht hätten. Der Trainer Mathias Fischer hatte Jordan zu Saisonbeginn noch als "unersetzbar" bezeichnet. Doch die Rheinländer bezweifelten, dass Jordans Herz nach Bambergs Angebot noch für Bonn schlagen kann und entschieden, Bambergs sechsstellige Ablöse anzunehmen. Als Ersatz holten sie den US-Amerikaner Eugene Lawrence vom ukrainischen Erstligisten BC Hoverla.

Bonns Freigabe für Jordan, behauptet wiederum Heyder in Bamberg, habe ihn überrascht. "Noch vor einigen Tagen hätte ich gewettet, dass sie ihn nicht hergeben", sagt er, gibt aber zu, "dass wir Bonn dafür gut entlohnen". Bereits zu Saisonbeginn habe man sich für Jordan interessiert, dann aber Zackary Wright verpflichtet, und nachdem man Wright kürzlich die Freigabe zum Wechsel nach Athen erteilt habe, sei man an Jordans Berater Patrick King herangetreten.

"Auch ich habe in der Vergangenheit immer wieder große Angebote für unsere Spieler abgelehnt - Pleiß, Suput, Roberts oder auch Gavel", sagt Heyder. "Die Bonner hätten zu unserem Angebot doch bloß Nein zu sagen brauchen."

Doch so einfach findet Wiedlich die Sache nicht. Er erklärt sich das offensive Gebaren der Bamberger mitten in der Saison mit einem Druck, der ursächlich von der Finanzkraft des FC Bayern ausgehe. "Im deutschen Basketball ist eine neue Zeit angebrochen, seit München aufgestiegen ist", behauptet Wiedlich, der die Basketballabteilung der Bayern "wirtschaftlich eine Mischung aus Basketball und Fußball" nennt. Was das für die Konkurrenten bedeutet? Wiedlich befürchtet: "Manche werden gequetscht, manchen geht die Luft aus, manchem platzen Titelträume."

Tatsächlich distanziert die Finanzkraft der Münchener und Bamberger den Großteil der restlichen Liga. Zur Übernahme sämtlicher Gesellschafteranteile durch die Firma Brose bei den Baskets Bamberg sagt Wiedlich: "Der Bamberger Basketball ist nun das Tochterunternehmen eines weltweit agierenden Autozulieferers." Und der FC Bayern ist sowieso der FC Bayern.

Wiedlichs Befürchtung, dass die Finanzkraft der neuen Mitspieler die Sitten verderbe, ist nicht neu. Im vergangenen Jahr hatte Alba Berlins Manager Marco Baldi Münchener Personal-Akquisen in Berlin mit den Worten verurteilt: "Man kann eigenes Scouting betreiben oder gucken, was die anderen machen."

Wiedlichs Entrüstung geht in ähnliche Richtung, nämlich dass München und Bamberg mit Zukäufen die Konkurrenz schwächen und den Titel auf Jahre hinaus unter sich ausmachen. Wolfgang Heyder ist sich allerdings überhaupt nicht sicher, dass seine Bamberger auch wirklich mit dem FC Bayern mithalten können. "Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass wir ganz schön kämpfen müssen", sagt er. "Das wird nicht so einfach" - selbst mit Jared Jordan.

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SZ vom 28.02.2014/jbe
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