Süddeutsche Zeitung

Japan bei der WM in Katar:Deutschlands Bezwinger, made in Germany

Lesezeit: 3 min

Sieben japanische Spieler aus der Bundesliga zeigen bei der WM ihr Können. In der Hauptrolle: Takuma Asano, Flügelstürmer vom VfL Bochum und Torschütze zum 2:1. Der sagte vor ein paar Monaten noch: "Hansiflick - was ist das?"

Von Ulrich Hartmann

Der VfL Bochum ist bis Anfang Dezember im Winterschlaf. Andernfalls hätten sie beim Bundesligisten im Ruhrpott am Mittwoch gewiss zusammen Fußball geschaut. Vielleicht hätten sie ihren japanischen Kollegen sogar bejubelt, heimlich natürlich, schließlich hat er Fußball-Deutschland ins Unglück geschossen. Takuma Asano ist der einzige VfL-Profi, der zurzeit nicht im Urlaub ist. Er ist der einzige Bochumer Spieler bei der Weltmeisterschaft in Katar.

Der 28 Jahre alte Flügelstürmer, der auch schon für den VfB Stuttgart und Hannover 96 gespielt hat, ist gegen Deutschland in der 57. Minute eingewechselt worden und hat in der 83. Minute den 2:1-Siegtreffer für Japan geschossen. Asano hatte zuvor zweieinhalb Monate lang kein einziges Fußballspiel mehr gemacht, seit er nämlich am 10. September im Bochumer Gastspiel auf Schalke in der vierten Minute ausgewechselt worden war mit der Diagnose: Innenbandanriss im rechten Knie. Die Verletzung wurde konservativ behandelt und so fachmännisch, dass Asano nun das wichtigste Tor seiner Laufbahn schießen konnte.

Seither geht im Internet ein acht Monate altes Video viral, in dem Asano nach Hansi Flick befragt wird und irritiert antwortet: "Hansiflick - was ist das?" Solch eine lakonisch anmutende Aussage kommt jetzt natürlich lustig rüber, seit Asano dem Bundestrainer am Mittwoch eine Art Nasenstüber versetzt hat. Allerdings war die Interviewsituation damals so, dass Asano nach einem Bochumer Sieg gegen Hoffenheim von einem ZDF-Mann unvermittelt nach dem im Stadion anwesenden Bundestrainer befragt wurde, die Frage nicht gleich verstand und im allgemeinen Lärm mit dem nur bedingt im Zusammenhang stehenden Namen akut nichts anzufangen wusste.

Die sieben Samurai mit deutschem Hintergrund werden im japanischen Fußball jetzt gefeiert

Spätestens seit Mittwoch, das ist klar, kennt man sich. Flick wusste um Asanos Stärken gewiss auch schon früher und allemal besser als der Dortmunder Innenverteidiger Nico Schlotterbeck, der Asano beim Gegentreffer eher höflich als störend eskortierte. Seit Shinji Kagawa (bis 2019) hat beim BVB kein japanischer Fußballer mehr gespielt. Ein solcher hätte Schlotterbeck bestimmt vorgewarnt.

Dabei sind Japaner im deutschen Fußball schon lange eine feste Größe. Sieben von ihnen haben am Mittwoch im WM-Spiel gegen Deutschland mitgewirkt: die Innenverteidiger Maya Yoshida von Schalke 04 und Ko Itakura von Borussia Mönchengladbach, die Mittelfeldspieler Wataru Endo vom VfB Stuttgart, Daichi Kamada von Eintracht Frankfurt und Ao Tanaka vom Zweitligisten Fortuna Düsseldorf sowie die Angreifer Asano vom VfL Bochum und Ritsu Doan vom SC Freiburg. Auch Doan ist eingewechselt worden (71.), auch Doan hat getroffen (1:1, 75.). Zwei japanische Joker haben Deutschland ausgestochen - und ausgerechnet zwei Bundesliga-Spieler.

Die sieben Samurai mit deutschem Hintergrund werden im japanischen Fußball jetzt natürlich gefeiert. "Die sieben Samurai" heißt ein Film von 1953, in dem der japanische Kultregisseur Akira Kurosawa davon erzählt, wie sich sieben mutige Krieger in den Dienst einer vermeintlich unterlegenen Dorfgemeinschaft stellen und obsiegen. Ein bisschen was davon hatte dieses Spiel zwischen Japan und Deutschland. Hinterher sagte der japanische Torwart Shuichi Gonda: "Dass zwei Bundesliga-Stürmer unsere Tore erzielt haben, macht diesen Sieg so besonders."

Dass die Ambitionen des favorisierten Kontrahenten und selbsternannten Titelkandidaten Deutschland von zweien seiner Bundesliga-Gastarbeiter zerschossen wurden, fasste der japanische Nationaltrainer Hajime Moriyasu hernach in einen größeren Rahmen, als er die Stärke seines Nationalteams auch mit der fußballerischen Fortbildung in Deutschland begründete. "Viele unserer Spieler sind nach Deutschland gegangen, um dort besser zu werden", sagte Moriyasu und verkündete genüsslich den Erfolg dieser Mission: "Ihre Qualität haben sie nun allen gezeigt."

Geht es nach dem 54-Jährigen, dann dürfte der deutsche Fußball auf den japanischen Sieg am Mittwoch sogar ein bisschen stolz sein, denn die Experten in Deutschland, die tollen Klubs und die optimalen Rahmenbedingungen haben Japans Stärke mitgeprägt. Nach dem 2:1-Sieg sagte Moriyasu: "Es gibt in Deutschland so viele tolle Menschen und Spieler, die zur Entwicklung des japanischen Fußballs beigetragen haben, dass wir weiter von Deutschland lernen wollen - all das wird die Zukunft des japanischen Fußballs mit ausmachen."

Was so anerkennend klingt, beinhaltet freilich eine suggestive Drohung. Bereits am Sonntag, sollte Japan ab 11 Uhr gegen Costa Rica gewinnen und Deutschland ab 20 Uhr gegen Spanien verlieren, wäre Japan im Achtelfinale und Deutschland ausgeschieden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5702705
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.