Tennisprofi Jan-Lennard Struff:Der verlässliche Adjutant

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Jan-Lennard Struff feiert seinen Sieg gegen das kanadische Team. (Foto: Matt McNulty/ITF/Getty)

Jan-Lennard Struff, Deutschlands zweitbester Tennisspieler, ist seit Jahren eine Stütze des Davis-Cup-Teams. Im Halbfinale kommt ihm die Aufgabe zu, die Niederländer um Nadal-Bezwinger van de Zandschulp in Schach zu halten.

Von Barbara Klimke, Malaga

Die Welt des Tennis ist voller wundersamer Statistiken und Zahlenrätsel. Etwa dieses: Welcher Spieler hat sechs Dreisatz-Matches bei einem ATP-Turnier hintereinander gespielt und zusätzlich die Qualifikation bestritten? Die Antwort: Jan-Lennard Struff. Oder dieses: Wer war mit 33 Jahren der drittälteste Profi bei seinem ersten ATP-Titelgewinn? Antwort ebenfalls: Jan-Lennard Struff.

Diese späte Premiere, vor sieben Monaten in München, hat für Struff allerdings keine Auswirkung auf seine Arbeitsleistung. Er hätte sich gewünscht, es wäre früher passiert, sagte er einmal, weil so ein Titel im Berufsalltag wie ein Schwungrad wirken kann. „Aber meine Karriere wäre nicht weniger wert ohne den Sieg.“ Man muss die Dinge nicht künstlich überhöhen, um ihren Wert zu sehen.

Allerdings lassen sich die beiden erwähnten Statistiken auf ihre Substanz reduzieren, nämlich Beharrlichkeit und Beständigkeit. Und damit ist man mitten in der Erklärung, weshalb das deutsche Davis-Cup-Team mit Jan-Lennard Struff, inzwischen 34 Jahre alt und Nummer 43 der Tennisweltrangliste, wie letztmals 2021 im Halbfinale dieses traditionsreichen Mannschaftswettbewerbs steht. Am Freitag (ab 17 Uhr) wird sich Struff in Malaga mit dem besten Niederländer messen, mit dem Team um Botic van de Zandschulp, 29, der am Dienstag die Weltkarriere von Rafael Nadal beendet hat.

Struff ist nicht der Kapitän des Teams, dieser offizielle Titel fällt dem Bundestrainer Michael Kohlmann zu, aber er ist dessen verlässlicher Adjutant. Seit acht Jahren spielt er in der Nationalmannschaft, noch länger als der unverwüstliche 37-jährige Doppelspezialist Tim Pütz; 20 Länderduelle hat Stuff bestritten, 14 seiner 23 Matches im Einzel erfolgreich absolviert. Wenn der Teamchef anruft, packt er die Taschen, nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern weil er als Tenniseinzelunternehmer Vorfreude auf das Gruppenabenteuer verspürt. „Wir verstehen uns gut, wir haben einen guten Teamspirit, auch abseits, viele Abläufe sind geil, es macht Spaß, und alle haben den Ansporn, gut zu spielen“, hat er nach dem Viertelfinalsieg gegen Kanada am Mittwoch aufgezählt. Reichlich gute Gründe für Auftritte in Kohlmanns Kollektiv.

„Wir brauchen jeden Mann“, betont Teamchef Michael Kohlmann

Inzwischen ist er auch daran gewöhnt, dass er in Abwesenheit von Alexander Zverev, was häufig vorkommt, die Last zu schultern hat, mit den jeweiligen Spitzenspielern und deren Spezialfähigkeiten des Gegners klarzukommen. Im Viertelfinale hieß das, ein Mittel zur Entschärfung der Aufschläge des kanadischen Kanoniers Denis Shapovalov zu finden. Sie kennen einander gut aus den Duellen der ATP-Tour, und Struff, der ebenfalls „serviert wie ein Henker“, wie der Kollege Andreas Mies einmal sagte, wusste, wie schwierig die Aufgabe war. Shapovalov, ein früherer Wimbledon-Halbfinalist, schlug 27 Asse, gewann mit dem ersten Service 90 Prozent seiner Punkte, sogar den zweiten Aufschlag feuerte er noch mit 180 km/h, mal links, mal rechts, auf die Linien. „Das ist schwer zu lesen“, sagte Struff, „und es ist schwer, ruhig zu bleiben.“ Nach verlorenem ersten Satz wehrte er den Angriff im Tiebreak des dritten Satzes ab, 4:6, 7:5, 7:6 (5). Weil Struff die 2:0-Matchführung sicherstellte, blieb dem Team ein Auftritt im Doppel erspart.

Allerdings wäre Struff der Letzte, der die Erzählung des Sachverhalts ausschließlich auf sich selbst zuschneiden würde. Vielmehr verwies er auf den wichtigen ersten Punktgewinn durch Daniel Altmaier, 26, der zuvor Gabriel Diallo geschlagen hatte – im erst dritten Match für die Tennis-Nationalmannschaft. Und er vergaß nicht zu erwähnen, dass er am Erreichen der Finalrunde sogar gänzlich unbeteiligt war: Eine Hüftverletzung hatte ihn im Sommer nicht nur die Olympiateilnahme gekostet, sondern auch sein Mitwirken an der Davis-Cup-Zwischenrunde in China verhindert. Am Erstrundensieg im Februar in Ungarn wirkte er allerdings mit.

Zverev stand das ganze Jahr nicht zur Verfügung, und der Teamchef hat mittlerweile eine Mannschaft gefunden, die in unterschiedlicher Besetzung das Nichtmitwirken des Weltranglistenzweiten ausgezeichnet kompensieren kann. In Malaga stehen ihm neben Struff und Altmaier auch Yannick Hanfmann und die ATP-Doppelweltmeister Tim Pütz/Kevin Krawietz zur Verfügung, nach China hatte er Maximilian Marterer und den 24-jährigen Henri Squire eingeladen, auf die Reise nach Ungarn Dominik Koepfer. Der Ansatz, auf Vielfalt zu setzen, hat sich für Kohlmann bewährt: „Dieses Jahr ist ein Paradebeispiel dafür, dass man in einer Davis-Cup-Saison sehr breit aufgestellt sein muss, um erfolgreich zu sein“, sagte er: „Wir brauchen jeden Mann.“

Er sieht durchaus Ähnlichkeiten zum Team des Kollegen Paul Haarhuis, der mit der niederländischen Auswahl die favorisierten Spanier um Nadal und Carlos Alcaraz schlug. Auch den Niederlanden komme das Format einer Endrunde mit maximal je drei Matches entgegen, sagt Kohlmann, weil sie über „zwei ausgeglichene Einzelspieler“, Tallon Griekspoor und Botic van de Zandschulp, sowie dank Wesley Koolhof stets über ein ausgezeichnetes Doppel verfügen. Andererseits: Auch Jan-Lennard Struff muss man erst einmal schlagen.

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