Jamie Vardy:Greifvogel mit Fußfessel

Leicester City v West Ham United - Barclays Premier League

Seine Geschichte ist die erstaunlichste: Jamie Vardy.

(Foto: REUTERS)

Wie wird aus einem straffälligen Feierabendfußballer der Stürmer, der Leicester zum Sensationsmeister schießt? Das ist die Geschichte von Jamie Vardy.

Von Sebastian Fischer

Brad Pitt? Lieber nicht. Der sei ein wenig zu alt und habe zu viel Bart, findet Jamie Vardy. Der amerikanische Schauspieler Pitt wird also wohl nicht die Hauptrolle übernehmen, wenn alsbald das Leben des britischen Fußballers Vardy in Hollywood verfilmt wird. Dessen Aufstieg ist ja einer, der eigentlich nur in Hollywood funktioniert: Mit 22 Jahren war er noch ein vorbestrafter Feierabendfußballer in der achten Liga, jetzt, mit 29, ist er der beste Stürmer des Meisters der reichsten Liga der Welt.

Am Montag lud Vardy seine Kollegen vom Leicester City FC zu sich nach Hause ein, um das Spiel anzusehen, das über den Titel in der Premier League entscheiden sollte. Weil sich Chelsea und Tottenham die Punkte teilten, steht Leicester, das erst 2014 in die erste Liga aufgestiegen ist, nun als Meister fest. Ein Video der Fußballer, die im Wohnzimmer jubeln, ist ein viraler Hit. Keiner der Spieler hatte zu Saisonbeginn an diesen Erfolg geglaubt. 5000:1 lautete die Quote der Buchmacher. Von allen Geschichten, die dieses Team erzählt, ist diejenige Vardys die unglaublichste.

Es hieß, Vardy sei zu klein

Als 16-Jähriger hatte Vardy einst verbittert mit dem Fußballspielen aufgehört, weil sie ihm bei seinem Heimatverein Sheffield Wednesday gesagt hatten, er sei zu klein. Fortan fertigte er Prothesen in einer Fabrik an. Nichts sah nach einer Profikarriere aus. Mit 20 - er hatte bei einem kleinen Klub in der achten Liga wieder zu spielen begonnen - prügelte er sich in einem Pub. Deshalb musste Vardy ein halbes Jahr eine elektronische Fußfessel tragen. Bei Auswärtsspielen lief er oft nach 60 Minuten nach Hause, um seine Ausgangssperre nicht zu überschreiten. Tore hat er trotzdem immer geschossen.

Der für einen Profisportler beinahe dürre Angreifer erfüllt die utopische, urbritische Fan-Fantasie, dass es auf dem Fußballplatz jeder zu etwas bringen kann, wenn er sich nur lange genug richtig reinhängt. "Jamie Vardy's having a party, bring your vodka and your Charlie", singen die Anhänger in Leicester ironisch: Charlie ist ein Synonym für Kokain. Ein Bier nach dem Spiel, findet Vardy, sei okay. Im Sommer 2015 musste er sich für ein Video entschuldigen, das ihn in einem Casino zeigte, wie er einen asiatischen Gast beschimpfte.

Spielweise wie ein Greifvogel

Da war er längst von einem Fünftligisten für etwa 1,2 Millionen Euro nach Leicester gewechselt. Seine einzigartige Spielweise war den Scouts aufgefallen. Vardy tritt auf dem Platz auf, wie er aussieht: wie ein Greifvogel. Er ist aggressiv, aufbrausend, schnell und erbarmungslos vor dem Tor. Zu Beginn der Saison traf er in elf Begegnungen in Serie und stellte einen Rekord auf. Für die englische Nationalmannschaft erzielte er gegen Deutschland und Manuel Neuer eine Frechheit von Tor: per Hacke. Die britischen Journalisten haben ihn zum Spieler des Jahres gewählt.

Der Film über ihn ist bereits in Vorproduktion. Als Hauptdarsteller wünscht sich Vardy den Briten Vinnie Jones. Der war früher selbst Fußballer - und als Rüpel berüchtigt.

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