James beim FC Bayern:Der WM-Schützenkönig dreht endlich auf

James beim FC Bayern: Glücklich auf dem Rasen: James Rodríguez vom FC Bayern.

Glücklich auf dem Rasen: James Rodríguez vom FC Bayern.

(Foto: AFP)
  • James Rodríguez zeigt sein erstes gutes Spiel für den FC Bayern.
  • Mit ihm wirkt die Offensive plötzlich viel weniger ausrechenbar.
  • Hier geht es zur Bayern-Einzelkritik, hier geht es zur Bundesliga-Tabelle.

Von Christopher Gerards, Gelsenkirchen

Am Ende war es ein Bild, das dieses Spiel vom Dienstagabend am besten einordnete. Mats Hummels kam vor, Thiago sah man, Arturo Vidal, Franck Ribéry, auch Jérôme Boateng zeigte sich. Leider nicht mehr aufs Bild geschafft hatten es Manuel Neuer, Arjen Robben und David Alaba, dabei hätten sie sich einen Platz verdient gehabt. Das Bild zeigte die Ersatzbank des FC Bayern, und all diese hochverdienten Nationalspieler waren entweder verletzt (Neuer, Robben, Alaba) oder von Trainer Carlo Ancelotti einfach nicht aufgestellt worden.

Niemand hat die genaue Lautstärke des Raunens erfasst, als der FC Bayern kurz vor dem Anpfiff seine Aufstellung für das ja doch recht wichtige Bundesligaspiel gegen Schalke 04 publik machte; aber es wird nach Lage der Dinge einige Dutzend Dezibel laut gewesen sein. Carlo Ancelotti weiß, welche Debatten gerade durch die Republik schwirren (Keine Taktik! Mangelndes Vertrauen mancher Spieler in den Trainer!), er weiß, wie gern Franck Ribéry auf Ersatzbänken Platz nimmt (gar nicht gern), und er weiß auch, dass sich just am Montag zwei der wichtigsten Spieler verletzt (Neuer) oder verschnupft (Robben) abgemeldet haben.

Einst war James der WM-Torschützenkönig

Aber er hat sich das wirklich getraut: Er hat eine Aufstellung gewählt, für die das Wort "mutig" eine rechtschaffene Untertreibung ist; eine Aufstellung die ihm, je nach Ergebnis, heftig auf die Füße hätte fallen können. Und am Ende muss man sagen: Das alles war vielleicht gar keine so schlechte Idee, womöglich war es nicht mal allzu riskant. Auf dem Platz stand ja immer noch James Rodríguez.

3:0 gewann der FC Bayern am Dienstagabend bei Schalke 04, es war eine Art Beweisführungstermin, dass die Mannschaft nach den anstrengenden ersten Wochen der Saison langsam aufhört zu ruckeln und zu rumpeln, selbst wenn die meisten Stammspieler nur zuschauen. Und es war zugleich eine gute Erinnerung daran, warum der FC Bayern diesen Kolumbianer namens James für 13 Millionen Euro von Real Madrid ausgeliehen hat.

Es gehe darum, "dass man die Spieler dort positioniert, wo sie der Mannschaft am meisten bringen", hat Thomas Müller hinterher gesagt, und im Falle von James war die geeignete Position jene, dass er gegen Schalke überhaupt spielte. Kurz zur Erinnerung: In einer fernen Zeit hatte der Kolumbianer es zum WM-Torschützenkönig gebracht, aber nach seinen ersten Wochen beim FC Bayern schien das eine ähnlich glaubwürdige Legende zu sein wie die von Wilhelm Tell oder Atlantis. James galt als Spieler, der dem FC Bayern zwar einige neue Instagram-Follower bringt; aber er galt auch als Spieler, von dem nicht ganz klar war, ob er die Mannschaft wirklich würde verbessern können. Nicht besonders schnell, keine hohe Meinung von Defensivaufgaben und jemand, der aufgrund seiner Verletzung einfach nicht fit wirkte - das waren die ersten Eindrücke, die er in München hinerließ.

Zwei Mal hatte er vor dem Dienstag erst in Pflichtspielen für den FC Bayern gespielt, auch weil er den Saisonbeginn wegen einer Sache am Oberschenkel verpasst hatte. Und wenn es eine Szene gab, an die man sich erinnerte, dann eine aus dem Champions-League-Spiel gegen Anderlecht: Wie er an der Seitenlinie einen Ball auf sich zufliegen sah; wie er sprang, um ihn kunstvoll mit der Hacke weiterzuleiten; und wie er den Ball falsch traf und ins Aus kickte.

Und dann kam dieses Spiel auf Schalke.

Ancelotti lobt James

Es sind jetzt andere Szenen, die sich James ins Portfolio stellen kann. Wie er etwa in der 21. Minute flankte, der Ball erst an den Fuß von Schalkes Verteidiger Naldo sprang und dann an dessen Arm. Schiedsrichter Marco Fritz entschied nach Rücksprache mit dem Videoassistenten auf Elfmeter (was Manager Christian Heidel störte, da es für eine vergleichbare Szene beim Spiel gegen Hannover keinen Elfmeter gegeben habe), Robert Lewandowski trat an und traf. Wie James in der 29. Minute überlegt ins rechte Eck an Ralf Fährmann vorbei schoss, sein erstes Bundesligator. Und wie er eine Viertelstunde vor Schluss Arturo Vidal mit einem famosen Lupfer vor dem 3:0 bediente. "James hat sehr gut gespielt, sehr mannschaftsdienlich mit guten Kombinationen", lobte Trainer Ancelotti, schränkte aber ein: "Physisch ist er noch nicht bei 100 Prozent."

Wenn man so will, zeigt James' Leistung, dass der FC Bayern - und vor allem die Offensive - langsam eine vorzeigbare Form erreicht hat. "Wir hatten mit Sebastian Rudy und Coco (Tolisso) zwei neue Spieler im Mittelfeld, aber dennoch haben die Abläufe heute deutlich besser gepasst als in den Wochen zuvor", sagte Thomas Müller. Die Abläufe, das war vor allem ein Rochade-Spiel in der Offensive. Zuvorderst James wechselte ständig seinen Standort, im Grunde spielte er auf mehr Positionen als es gibt. Tauchte er, ursprünglich angetreten als Rechtsaußen, auf der linken Seite auf, schuf er mit Coman Überzahlsituationen - oder aber Coman war schon auf den rechten Flügel gelaufen.

Doch auch Schalke hatte einige Chancen

Dem FC Bayern gelang es auf diese Weise, sein jüngst allzu berechenbares Offensivspiel zu beleben. Mit Thomas Müller und/oder Robert Lewandowski besetzte zudem immer ein Spieler den Strafraum. "Es hat auch immer was mit Abstimmung zu tun. Wenn der eine genau weiß, dass der andere den Schritt nach links macht, dann ziehe ich mit", sagte Müller, "in den letzten beiden Spielen haben wir das besser in den Griff bekommen." Der Grund dafür war nach Aussage von Müller übrigens denkbar simpel: Die Mannschaft habe "viel drüber gesprochen".

Allerdings hatte dieser Sieg kleinere Schönheitsfehler. Zehn Torschüsse hatte Schalke am Ende abgegeben, und sowohl Bastian Oczipka als auch Leon Goretzka, Yevhen Konopljanka und Guido Burgsteller durften sich allesamt aussichtsreich versuchen. Vielleicht lag es daran, dass Müller hinterher zurückhaltend klang. 4:0 gegen Mainz, nun 3:0 gegen Schalke: "Waren das die zwei Spiele", so begann ein Reporter eine Frage an Müller, "die ihr gebraucht habt, um zu sagen: Jetzt ...", und an dieser Stelle fand die Frage auch schon ein Ende. Müller unterbrach ihn, er sagte nur: "Um sechs Punkte zu holen." Dann lächelte er fein.

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