Jamaika-Sprinter:Bis zu fünf Dopingfälle

Kurz vor der Leichtathletik-WM droht Jamaikas Sprintern eine mächtige nationale Dopingaffäre. Weltrekordler Usain Bolt muss sich wohl keine Sorgen machen.

Thomas Hahn

Usain Bolt fühlt sich sicher, und er lässt sich auch nicht anfechten von den Verdächtigungen, die seinen Weltrekorden über 100 (9,69 Sekunden), 200 (19,30 Sekunden) und 4x100 Meter mit Jamaikas Staffel (37,10 Sekunden) bei Olympia in Peking folgten.

Jamaika-Sprinter: Jamaikas Sprintern (im Bild Shelly-Ann Fraser, Sherone Sympson und Kerron Stewart bei Olympia) droht ein Dopingskandal.

Jamaikas Sprintern (im Bild Shelly-Ann Fraser, Sherone Sympson und Kerron Stewart bei Olympia) droht ein Dopingskandal.

(Foto: Foto: dpa)

Erst kürzlich hat der Dreifach-Olympiasieger alle Misstrauensbekundungen vom Tisch gewischt, die unter anderem die Tatsache bedingte, dass er noch 2007 eine eher moderate 100-Meter-Bestzeit von 10,03 Sekunden besaß. "Mich stört das nicht. Ich laufe schnell und breche Rekorde, seit ich 14 bin", sagte er, und stellte gleich weitere Fabelzeiten in Aussicht. Er glaubt an 9,5 Sekunden über 100 Meter.

Bolt muss sich wohl auch gar keine Sorgen machen, auch wenn jamaikanische Medien Informationen gestreut haben, die auf eine mächtige nationale Dopingaffäre hinweisen mit bis zu fünf überführten Nationalsportlern, die für die WM in Berlin in drei Wochen nominiert sind.

Die wenigsten Profi-Doper haben sich je Sorgen gemacht, weil ihre Pharma-Pläne so ausgeklügelt waren, dass sie an den gängigen Antidoping-Tests vorbei führten - das ist eine der Lehren des Balco-Skandals von 2003 in den USA, in dessen Verlauf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ergaben, dass etwa die Dreifach-Olympiasiegerin von 2000, Marion Jones, über 150 Tests überstand, obwohl sie sich vom Doping-Labor Balco ausstatten ließ. Außerdem ist eine der wenigen Fakten, welche Jamaica Gleaner und Jamaica Observer übereinstimmend vermelden, dass keiner der nationalen Spitzensprint-Männer betroffen sei von dem geheimnisvollen Fall.

Wenn sich aber bewahrheitet, was sich vorerst nur andeutet, geht es im jamaikanischen Sport nicht viel anders zu als im russischen, der vergangenes Jahr mit Fällen von Teamdoping auffiel. Der Gleaner berichtet über "mindestens zwei" Fälle, kann aber weder Angaben über Namen, Zeitpunkt der Tests und gefundene Substanz machen.

Der Observer verweist auf "hochrangige Quellen", nach denen fünf Athleten - vier Männer eine Frau - aus Jamaikas 46-köpfigem WM-Aufgebot bei den nationalen Meisterschaften im Juni in Kingston positiv getestet worden seien. Drei der Überführten - zwei Männer, eine Frau - sollen zum 4x100-Meter-Staffel-Pool gehören, die restlichen zum 4x400-Meter-Staffel-Pool.

Weltverband IAAF bestätigte den Obeserver-Bericht am Freitagabend, der nationale Verband JAAA und Jamaikas Antidoping-Kommission JADCO waren zurückhaltender. Und ohne Namen kann den Fall noch niemand richtig bewerten. Wenn es sich bei den Überführten nämlich um unbekannte Reservisten handelte, könnte ein neuer Verdacht entstehen.

Jamaikas Funktionären ist nicht entgangen, dass ihre Olympia-Hausse (sechsmal Gold) und ihr schlecht ausgebautes Antidoping-System Misstrauen hervorriefen. Minder prominente Positiv-Fälle können da auch Teil einer Strategie für mehr Glaubwürdigkeit sein. Vorerst aber sieht es so aus, als wüssten Jamaikas Offizielle selbst nicht so genau, was sie sagen sollen. Jedenfalls erklärte Herb Elliot, Team-Arzt in Peking und als Mitglied der JADCO und der IAAF-Antidoping-Kommission gar nicht schlecht vernetzt: "Ich weiß nichts darüber, mich hat das noch nicht erreicht."

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