Jahresrückblick:Sportmomente: Als Messi die Bayern zerrupfte

Barcelonas Stürmer wackelt alle aus, über Sepp Blatter regnet es Geld. Dazu gibt es Tränen von Nowitzki und einen Tennis-Rastafari. Die Sportmomente 2015.

21 Bilder

Sebastian Vollmer Patriots gewinnt zum ersten Mal den Super Bowl Super Bowl XLIX Seattle Seahaw; Vollmer

Quelle: imago/Schüler

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Erster deutscher Super-Bowl-Sieger

Dem Neusser Sebastian Vollmer ist es schon wichtig, dass die Menschen zu Hause seine Leistung als Footballspieler würdigen. Doch es gibt wichtigeres. Wie heute gefeiert werde, fragte ihn die Reporterin aus Deutschland im Moment des wichtigsten Erfolgs seiner Karriere. Vollmer hatte mit den New England Patriots die Super Bowl gewonnen. Er sagte: "Wahrscheinlich viel. Ich muss los" - zum Feiern. Er reckte noch einen Daumen in die Luft, der erste deutsche Sieger in der Geschichte der bombastischsten Sportveranstaltung der Welt.

Die Szene zeigte Vollmer als Sportsmann, der nicht ins Rampenlicht drängt - was seine Rolle auf dem Feld ganz gut charakterisiert. Vollmer ist einer der Spieler, die für den Quarterback - an jenem Abend der große Tom Brady - den Weg frei halten, aber nicht selbst glänzen. Die Szene zeigte auch, dass es trotz allem Hype in der Finalnacht hierzulande schwer bleiben wird, Begeisterung für American Football zu entfachen.

(fse)

Ski alpin WM; Fritz Dopfer Vail 2015

Quelle: Stephan Jansen/dpa

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Fritz Dopfer bei der Ski-WM

Es war das schönste Selbstgespräch des Sportjahres. "Komm, Fritz, dieses Mal machst du den Fehler nicht", schwor sich der Ski-Rennläufer vor dem Finaldurchgang des WM-Slaloms in Colorado. Dopfer saß im Sessellift nach oben, als sich Teufel rechts und Engelchen links wieder einmal fetzten. Er wollte endlich mal ein wilder Hund sein, angreifen, Vollgas geben, wie die Sportler sagen. Dopfer ist von seinem Wesen her das Gegenteil: zurückhaltend, rational, freundlich. Um zwei Hundertstelsekunden hatte er im Januar im Schweizer Adelboden seinen ersten Weltcup-Sieg verpasst, weil er zu vorsichtig, zu sauber gefahren war.

Bei den Olympischen Spielen in Sotschi im Jahr davor hatten fünf Hundertstelsekunden zur Bronzemedaille gefehlt. Er wollte endlich diese verdammte Medaille. Er bekam seine Medaille. Das Teufelchen hatte sich durchgesetzt. Dopfer gewann nach einem angriffslustigen Lauf Silber vor Felix Neureuther, diesem wilden Hund.

(schma)

Biathlon World Championships

Quelle: Ralf Hirschberger/dpa

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Weltmeister Erik Lesser und sein Antreiber

Andreas Stitzl heißt offiziell "Disziplintrainer", ist beim Biathlon aber der Kreischer vom Dienst: Wann immer die deutschen Männer an ihm in der Loipe vorbeihetzen, hat er feinste Unterhaltung parat. So zum Beispiel im Verfolgungsrennen bei der WM in Kontiolahti: Erik Lesser kämpft sich den letzten Anstieg hoch, da hört er Stitzl schon Juchzen und Jubeln und muss folglich selber anfangen zu lachen. Der Deutsche liegt in Führung und vor dem größten Sieg seiner Karriere, neben ihm dieses aufgedrehte Männchen im orangen Anorak, das schreit, klatscht und springt.

"Die gehen unten erst in den Anstieg rein", sagt Stitzl zum Verbleib der Konkurrenten und rüttelt die Siegerfaust. "Des isch so geil!", ruft er, jubelt noch einmal, streckt die Arme in die Höhe und rennt ein paar Meter mit. Dann noch ein schriller Pfiff - und schon drei Minuten später rutscht Lesser über die Ziellinie. Als Weltmeister. Ein Moment, der für immer auch Stitzl gehört.

(ska)

Ski Jumping World Cup in Planica

Quelle: Antonio Bat/dpa

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Skiflug-Drama in Planica

Dicke Wolken hingen am 22. März über der Flugschanze von Planica, als Severin Freund zum Himmel blickte. Ein Springer stand noch oben - gleich würde sich alles entscheiden. Sollte der Slowene Peter Prevc den Wettkampf gewinnen, würde Freund den Gesamtweltcup noch verlieren. Beim letzten Wettkampf der Saison, beim allerletzten Sprung. Freund nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. Prevc landete nach 233,5 Metern - und schaffte es nicht. Freund holte die Kristallkugel, es war die knappste Entscheidung der Skisprung-Geschichte. Nach 35 Springen hatten beide genau 1729 Punkte gesammelt - doch Freund hatte mehr Saisonsiege. Der Deutsche flog nun nicht mehr, er hüpfte auf und ab und umarmte alle um ihn herum.

Ausgerechnet Jurij Tepes, der slowenische Teamkollege, vermieste Prevc mit seinem Tagessieg den Erfolg. Vor einigen Wochen erinnerte sich Freund im SZ-Interview an die Momente in Planica: "Der Tepes konnte gar nicht anders", erklärte er. "Wenn du in der Luft merkst, dass es dich packt, dann kannst du nicht bremsen, da kannst du nicht einfach früher landen." So ist Skifliegen.

(sonn)

Bayern München - Borussia Dortmund

Quelle: Andreas Gebert/dpa

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Klopps letzter Coup

Hier Pep Guardiola, genialischer Fußball-Ästhet, diszipliniert und elegant bis in die Stoppeln. Dort Jürgen Klopp, Ausbilder von Balljägern, der seine Gefühle nicht kontrolliert, sondern ausdrückt. Eine faszinierende Rivalität verdichtete sich am Abend des 29. April in einem Moment. Dortmund hatte den FC Bayern im Pokal-Halbfinale im Elfmeterschießen geschlagen, Lahm und Alonso waren ausgerutscht, Götze scheiterte, Neuer knallte an die Latte. Da sprang Klopp von der Bank auf, fletschte die Zähne und rannte auf den Rasen, an Guardiola vorbei. Klopps BVB-Jogginghose flatterte im Wind.

Guardiola hatte die Hände in den Taschen seines Seidenanzugs vergraben. Er schaute Klopp hinterher, abschätzig und anerkennend zugleich. Niemand hat die Bayern in den vergangenen 20 Jahren so gefordert wie Klopp, er hat die dominanten Bayern von 2015 mit erschaffen. Den Blumenstrauß dafür hat Klopp im April abgelehnt, er hat lieber nochmal gewonnen. Ein echter Rivale eben.

(fse)

FC Barcelona v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Semi Final; Messi

Quelle: Shaun Botterill/Getty Images

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Messi gegen den FC Bayern

Sein Name dröhnte mehrfach durch das riesige Camp Nou. Die Massen riefen seinen Namen, als verberge sich dahinter kein Mensch, sondern eine Erscheinung. Und war es nicht eine? War er nicht plötzlich aufgetaucht zwischen all den tollen Spielern auf dem Platz und hatte gezeigt, dass er noch viel toller ist? Ein Spieler "in einer anderen Dimension", wie sein Trainer Luis Enrique formulierte.

3:0 gewann der FC Barcelona im Halbfinal-Hinspiel der Champions-League gegen den FC Bayern. 1:0 Messi, 2:0 Messi, 3:0 Neymar auf Pass von Messi. Lionel Messi zeigte es diesmal den Deutschen, die ihn schon so oft geärgert hatten. Besonders im WM-Finale. Vor allem mit dem 2:0 zeigte er es ihnen. Messi bekam den Ball vor dem Strafraum und hatte plötzlich freie Bahn, besser gesagt, Jérôme Boateng stand noch da. Immerhin Weltmeister. Der beste Münchner Verteidiger. Und dennoch chancenlos. "Ich dachte, ich gehe rechts vorbei, weil ich ahnte, dass er glaubte, ich gehe links", erklärte Messi hinterher. Gut geahnt. Boateng kam vollends aus dem Gleichgewicht und dem herauskommenden Neuer hob er den Ball mit seinem schwächeren rechten Fuß wunderschön über die Schulter. Rafinha verfing sich beim Rettungsversuch fast im Tornetz. Eine Szenerie wie geschaffen für Legenden.

(hum)

Liverpool v Crystal Palace - Premier League

Quelle: Stu Forster/Getty Images

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Gerrard verlässt Liverpool

Nun ist er weg. Einfach so. Nach Amerika gewechselt. Dabei war der FC Liverpool doch Steven Gerrard. Und umgekehrt. Dieser Satz ist manchmal eine Phrase, aber wer selbst beurteilen will, ob sie diesmal zutrifft, sollte Gerrards Autobiografie lesen. Die Kurzfassung: Aufgewachsen im Liverpooler Vorort Huyton, sieben Meilen von der Anfield Road entfernt. Der Vater, selbst Fan, meldet den Jungen mit neun Jahren im Verein an.

Er wird nie ein anderes Trikot tragen. 2005 gewinnt er mit dem FC Liverpool die Champions League, nachdem das Team 0:3 gegen den AC Mailand zurücklag. Gerrard schoss den Anschlusstreffer. Seine Biografie hat er Jon-Paul Gilhooley gewidmet. Gilhooley war das jüngste der 96 Opfer der Katastrophe von Hillsborough, als Liverpool-Fans bei einem Pokalspiel zu Tode gedrückt worden waren. Steven Gerrard schreibt in dem Buch: "Ich spiele für Jon-Paul." Gilhooley war sein Cousin. Was für eine Geschichte!

(schm)

Bundesliga-Relegation - Karlsruher SC - Hamburger SV

Quelle: Daniel Naupold/dpa

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Marcelo Díaz rettet HSV

Draußen auf der Bank hatten die ersten Karlsruher Spieler schon die Aufstiegs-T-Shirts ausgepackt. Der KSC führte 1:0, es lief die Nachspielzeit. Kaum einer glaubte mehr daran, dass der HSV im Relegationsrückspiel noch ein Tor gelingen würde, der erste Abstieg aus der Bundesliga schien unvermeidlich. Die Karlsruher Spieler, Trainer, Betreuer und auch die Fans bereiteten sich auf die Aufstiegsfeier vor. Es war so laut, dass man kleinen Kindern die Ohren zuhalten musste.

Doch dann kam Marcelo Díaz, der Partyschreck mit dem genialen Füßchen. Ein fragwürdiger Freistoß, 18 Meter Entfernung: Der Chilene schnippelte den Ball über die Mauer hinweg ins Tor. Es war ein Geniestreich, der den HSV abermals vor dem Abstieg bewahrte und das tobende Stadion mit einem Schlag in einen Ort der Stille verwandelte. Marcelo Díaz machte sich in diesem Moment beim HSV unsterblich und holte den eigentlich schon für tot erklärten Patienten unverhofft ins Leben zurück. In der Verlängerung gelang dem HSV noch das 2:1.

(schma)

1860 Muenchen v Holstein Kiel - 2. Bundesliga Playoff Second Leg

Quelle: Daniel Kopatsch/Getty Images

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TSV 1860 in der Relegation

Viele Menschen in München haben ein blaues Herz, aber es schlägt unregelmäßig. Es wird zerrieben zwischen verhasster Arena, sportlichem Versagen und allgemeinem Chaos. Erst als der TSV 1860 München auf der Intensivstation liegt - im Fußball heißt das Relegation -, erinnern sich viele an den blauen Schal in der hinteren Ecke des Kleiderschranks. Sie fahren zur Arena und sehen einen TSV, der nach 75 Minuten gegen Holstein Kiel 0:1 hinten liegt, zwei Treffer braucht, aber noch nicht mal einen Torschuss schafft. Gleich ist das Spiel aus, 3. Liga, vielleicht Insolvenz.

Plötzlich schießt Daniel Adlung den Ball ins Tor und alles transformiert sich. Es gibt nicht mehr Fankurve und Tribüne, es gibt nicht mehr Mannschaft und Zuschauer, es gibt nicht mehr 1860 München und die bittere Realität. Alles verschmilzt zu einer pulsierenden Masse aus Euphorie, Hoffnung, Schallwellen und vergessen geglaubter Liebe. Wer jemals "Heimvorteil" anfassen wollte, hätte es jetzt tun können. In der 91. Minute schießt Kai Bülow das Tor, das eigentlich ein ganzes Stadion geschossen hat. 2:1. München wackelt.

(schm)

IMAGES OF THE YEAR 2015 - SPORT - Day Four: The Championships - Wimbledon 2015

Quelle: Ian Walton/Getty Images

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Dustin Brown in Wimbledon

Es war der 2. Juli, Centre Court in Wimbledon: Der 30-jährige Qualifikant Dustin Brown hatte soeben Rafael Nadal aus dem Turnier geworfen - und dabei viel mehr gewonnen als nur eine Partie. Der deutsche Spieler hatte auf dem berühmtesten Tennisplatz der Welt die Leute beeindruckt. Weil er so spektakulär Tennis spielt. Aber auch, weil er so anders ist als die meisten Sportler.

Brown denkt nämlich nicht daran, sich seine Dreadlocks abzuschneiden, auch wenn er mit ein paar Kilogramm Haaren weniger sicherlich beweglicher wäre und in der Weltrangliste vielleicht ein paar Plätze höher stehen würde. Eine Runde später schon sollte er in Wimbledon verlieren und danach wieder von kleinem Challenger-Turnier zu Challenger-Turnier tingeln, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Doch seine Rastas sind nun auf der ganzen Welt bekannt.

(sonn)

Banknotes are thrown at FIFA President Blatter as he arrives for a news conference after the Extraordinary FIFA Executive Committee Meeting at the FIFA headquarters in Zurich

Quelle: Arnd Wiegmann/Reuters

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Geldregen über Blatter

Wegen Korruptionsverdacht festgenommene Funktionäre, Schmiergeldvorwürfe bei den WM-Vergaben: Die Fifa strudelte zielsicher dem Untergang entgegen - und brachte den englischen Komiker Simon Brodkin auf eine Idee. Bei einer Pressekonferenz Ende Juli schritt Brodkin zum Podium, wo Sepp Blatter gerade ins Mikrophon sprach, und ließ 600 Dollar-Scheine über den Fifa-Präsidenten rieseln. Blatter versuchte noch, mit dem Drehstuhl nach hinten zu rücken, um dem Geldregen zu entkommen. Doch die Fotografen hatten längst ihre Bilder geschossen. Danach räusperte sich der verärgerte Fifa-Boss: "Jetzt muss hier erst einmal aufgeräumt werden", sagte er. Recht hatte er. Doch es gelang ihm nicht, seinen Laden in den Griff zu bekommen. Inzwischen ist auch er suspendiert, ja sogar gesperrt - für acht Jahre!

(sonn)

VfL Wolfsburg v FC Bayern Muenchen - DFL Supercup 2015

Quelle: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

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Spieler des Jahres: Kevin De Bruyne

Es sah aus, als würde Dante tanzen. Zwei Schritte nach rechts, Drehung nach links, Schritt, Drehung nach rechts, Schritt, Schritt. Doch Dante tanzte nicht. Ein junger Belgier namens Kevin De Bruyne führte den Ball am Fuß wie die Zügel einer Marionette. Jeder seiner Bewegungen folgte eine Gegenbewegung des brasilianischen Verteidigers. Und dann schoss De Bruyne den Ball zum 4:1 für den VfL Wolfsburg ins Tor des FC Bayern. Weltklasse. Zuvor hatte er schon ein Tor vorbereitet und eins geschossen, die ganze Bandbreite seiner Fähigkeiten demonstriert. Die Vergleiche sind überstrapaziert, aber am ersten Spieltag der Bundesliga-Rückrunde passten sie: De Bruyne narrte die Verteidiger Dante und Boateng wie Kevin allein zu Haus die schusseligen Gangster Marv und Harry.

Es war ein besonderes Jahr für De Bruyne. Er hat mit dem VfL Wolfsburg den DFB-Pokal gewonnen, wurde zum besten Fußballer der vergangenen Saison gewählt. Und dann wechselte er als teuerster Bundesligaspieler für geschätzte 75 Millionen Euro zu Manchester City. Es war ein Jahr, das für ihn traurig begann, mit dem Tod seines Freundes und Mitspielers in Wolfsburg, Junior Malanda. Ihm widmete er die Tore gegen die Bayern.

(fse)

Beijing 2015 IAAF World Championships; Bolt segway

Quelle: Rolex Dela Pena/dpa

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Chinese stürzt Bolt

Usain Bolt hatte einiges zu überwinden: Erst eine genauso hartnäckige wie rätselhafte Verletzung im linken Bein, die fast seinen WM-Start verhinderte. Dann den genauso hartnäckig wie umstrittenen Amerikaner Justin Gatlin, der nach abgesessener Dopingsperre verdammt schnelle Zeiten lief.

Bei der WM in Peking stellte Bolt die Verhältnisse wieder her: Er holte sich drei Gold-Medaillen. Noch bei der Stadionrunde nach dem 200-Meter-Erfolg erwischte es ihn dann aber ganz hinterlistig: Ein chinesischer Kameramann wollte mit seinem Segway ganz nah an den Jamaikaner ran, kippte dann aber rücklings um - und fuhr Bolt von hinten um. Ungefähr so also, als hätte die Titanic das Manöver mit dem Eisberg gewonnen, um sich dann von einem landenden Ufo vernichten zu lassen. Bolt machte im Fallen einen Salto, mehr als ein Schreck blieb von dem Vorfall nicht zurück. Wobei, doch: Der Kameramann überreichte ihm später entschuldigend ein Freundschaftsarmband. Schadenersatzforderungen wären ihn teurer gekommen.

(ska)

Island - Italien; Isländische Fans

Quelle: Rainer Jensen/dpa

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Island bei der Basketball-WM

Bei der Basketball-EM im September in Berlin haben die Veranstalter allerlei Statistiken erhoben: Wer wie oft am Korb vorbeiwirft, wer am meisten foult - die elementaren Dinge des Basketballs eben. Worüber es leider keine Erhebung gab: Wieviel Bier und andere Getränke im höherprozentigen Bereich im Berliner Friedrichshain von all den Isländern getrunken wurden. Schade eigentlich, denn einen solch lautstarken "friendly takeover" gab es (abgesehen vom Feiervolk im angrenzenden Club "Berghain") selten rund um die Halle am Ostbahnhof.

Der Schlachtenruf "Áfram Ísland" wurde zu einer Art Dauerbeschallung und es ließ einem das Herz hüpfen, der Hundertschaft isländischer Fans beim Feiern zuzusehen. Auch wenn ihr Team (trotz heldenhaftem Kampf) in der Vorrunde kein einziges Spiel gewann - die meist blonden Frauen und Männer johlten sich die Seele aus dem Leib. Am rührendsten war der Moment, als ihr Team endültig raus war: Da nämlich knuddelten Spieler mit Namen wie Hörður Vilhjálmsson oder Hlynur Bæringsson auf der Tribüne beinahe jeden einzelnen mitgereisten Anhänger. Man kennt sich halt in Island.

(jbe)

Deutschland - Spanien; nowitzki

Quelle: Lukas Schulze/dpa

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Nowitzkis Abschied

Das versöhnliche am Sport ist ja, dass traurige und euphorische Momente gleichermaßen die Gemüter bewegen. Dirk Nowitzkis Abschied aus dem Basketball-Nationalteam geriet bei der EM in Berlin zu einem Gefühls-Spektakel. Ganz und gar aufrichtig, so wie viele Jahre zuvor in seinen größten Momenten, durchlebte Nowitzki auch jenen vielleicht bittersten: Als er und seine Kollegen gegen Spanien auch das dritte Spiel hintereinander so knapp verloren, dass es einem die Seele zertrümmert, schlich der 37-Jährige unter Ovationen vom Parkett.

Als Nowitzki begriff, dass er soeben das letzte Mal für Deutschland gespielt hatte, kullerten bei ihm ein paar Tränen. Es war der Abschied eines echten Sportsmannes und irgendwie war die sportliche Enttäuschung dann auch wieder verflogen, wenn man Nowitzki hinterher zuhörte: "Die Fans haben mich toll verabschiedet, das war sehr emotional und ein schöner Moment in meiner Karriere. Dafür möchte ich mich bedanken", sagte der NBA-Mann aus Dallas. Er hatte es noch einmal versucht, aber die anderen waren bei dieser EM einfach besser. Trotzdem gilt mehr denn je: Was für ein Sportler, was für ein Herz, was für eine Karriere!

(jbe)

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Quelle: Jewel Samad/AFP

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Flavia Pennetta bei den US Open

Da stand Flavia Pennetta und konnte nicht anders. Die Augen feucht, ein sanftes Lächeln, Siegerehrung vor 23 771 Zuschauern - auf diese Weise verkündete die Italienerin im größten Tennisstadion der Welt in New York ihren Abschied vom Profisport. Nach dem ersten Sieg bei einem der vier großen Major-Turniere. Mit 33 Jahren. Märchenhafter und auch überraschender kann eine Kariere nicht enden, wie in diesem Moment am 12. September 2015. "So wollen alle Spieler aufhören", hauchte Pennetta. "Das war mein letztes Match bei den US Open." Es war ihr letztes Match bei einem Grand-Slam-Turnier. Ein Abschied, den es eigentlich nur im Bilderbuch gibt, und der im wahren Leben den meisten Sportlern ein Leben lang verwehrt bleibt.

(schma)

South Africa v Japan - Group B: Rugby World Cup 2015; Rugby

Quelle: Charlie Crowhurst/Getty Images

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Japan bei der Rugby-WM

"It's a rugby miracle", rief der englische Kommentator ins Mikrofon. Das größte Wunder der Rugby-Geschichte. Der 1000:1-Außenseiter bezwang einen der großen Turnier-Favoriten. Japan siegte gegen Südafrika. Und nicht nur das: die Dramaturgie sorgte am Ende für eine Art Rocky-Balboa-Moment, für eine Eruption der Jubelschreie und Freudentänze. Überall auf der Welt, wo dieses Spiel übertragen wurde.

Man neigt ja gerne dazu, sich mit dem Außenseiter zu verbrüdern. Mit dem Kleinen, Chancenlosen. Doch die Japaner leisteten Widerstand, heftiger und immer heftiger. Die Zuschauer im Stadion in Brighton, in den Pubs, vor den Fernseher verschmolzen mit diesen Japanern, die so mutig und schlau den Südafrikanern entgegen spielten. Karne Hesketh schaffte in der vierten Minute der Nachspielzeit den entscheidenden Versuch zum 34:32-Sieg, japanische Spieler heulten auf dem Rasen, Zuschauer schrien, hüpften, weinten auf den Tribünen.

Für die WM hatte das Spiel kaum eine Auswirkung, doch die Japaner hatten sich in die Herzen und Seelen des Sports gespielt.

(hum)

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Quelle: Christof Stache/AFP

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Verlassen ist es da draußen im Münchner Norden zwischen Autobahn und Klärtürmen. Die Arena in Fröttmaning steht halt da, wo sonst nicht mehr viel los ist. Aber an diesem Abend war gewaltig was los, es war so viel los, dass man ernsthaft befürchten musste, dass das Gemäuer dieses wuchtigen Stadions einstürzt. Der Meteroit Lewandowski hatte eingeschlagen - und zwar mit einer solchen Wucht wie es das selten gegeben hat im Fußball.

Fünf Tore binnen neun Minuten! F-Ü-N-F Mal "Bumm" im Wolfsburger Tor, das übertraf fast alles jemals Dagewesene. Dieser wahnsinnige Robert Lewandowski, dieser Über-Athlet aus einer fernen Galaxie, diese Ein-Mann-Bisonherde trampelte den armen VfL Wolfsburg ganz alleine über den Haufen. Dabei hatten die Gäste nach 45 Minuten noch geführt. Doch das war dann später auch wurscht. Später wehte nur noch ein laues Lüftchen vor den Stadiontoren. Der Orkan Lewandowski hatte kurz und effektvoll gewütet, beim Teutates!

(jbe)

Pk DFB-Präsident Niersbach

Quelle: Arne Dedert/dpa

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Auftritt Niersbach

Herr Niersbach, warum haben Sie sich das Geld nicht bei einer Bank geliehen?

Keine Ahnung.

Herr Niersbach, wieso soll man 6,7 Millionen Euro bezahlen, um 170 Millionen zu bekommen?

Das entzieht sich meiner Kenntnis.

Herr Niersbach, wieso ist diese Summe nicht in den Büchern verzeichnet?

Auch das kann ich ihnen nicht beantworten.

Herr Niersbach, werden Sie morgen Muskelkater vom Schulterzucken haben?

Ich kann das nicht bestätigen, möchte es aber auch nicht ausschließen.

Okay, die letzte Frage ist erfunden. Aber manchmal würde man gerne wissen, wie diverse Entscheidungen zustande kommen. Zum Beispiel, wie der Medien-Profi Wolfgang Niersbach auf die Idee kommt, eine Pressekonferenz zur Schmiergeld-Affäre um die WM 2006 zu geben, und vorher weiß, dass er keine Frage beantworten kann. Das Ergebnis: Eine Pressekonferenz, die ihn eigentlich entlasten sollte, wurde zu einer bizarren Vorstellung.

(schm)

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Quelle: Franck Fife/AFP

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Terror in Paris

Das Stade de France im Pariser Vorort Saint-Denis sollte am Freitagabend, den 13. November, ein Ort des Sports sein. Es war ein Ort der Angst. Ein Tatort. Einer von vielen in einer Terrorserie, die Frankreich an diesem Tag erschütterte.

Frankreich, der Gastgeber der EM im kommenden Jahr, hatte den Weltmeister aus Deutschland begrüßt. Nach etwa 20 Minuten schallte eine Explosion durch das Stadion. Wenig später war eine zweite zu hören. Nun werden Fußballspiele nicht selten von Donnerhall begleitet. Hooligans oder sogenannte Fans zünden bisweilen so laute Böller, dass das Stadiondach vibriert. Die Pariser Explosionen waren zwar extrem laut, doch wer wollte gleich an einen Terroranschlag denken? Es stellte sich heraus, dass sich zwei Menschen in die Luft gejagt hatten, in der Pause noch ein dritter. Ein Passant kam zudem ums Leben. Während drinnen das Spiel lief, Frankreich später das 2:0 schoss.

Fast 80 000 Menschen verließen nach dem Schlusspfiff das Stadion. Niemand wusste, ob die Gefahr gebannt war. Es gab eine Panik, Menschen liefen zurück ins Stadion auf das Spielfeld. Irgendwann gingen alle nach Hause, auf einem stillen, gespenstischen Weg. Die deutsche Nationalmannschaft übernachtete aus Angst im Stadion.

(hum)

Wladimir Klitschko v Tyson Fury - IBF IBO WBA WBO Heavyweight World Championship

Quelle: Lars Baron/Getty

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Es gibt Dinge, die tut man in seinem Leben höchstens alle paar Jahre mal: Autoreifen erneuern zum Beispiel, den Keller entrümpeln oder Impfungen auffrischen. Bei Wladimir Klitschko ist es das Verlieren: Elf Jahre und sieben Monate, 4249 Tage insgesamt war der Boxer ungeschlagen. Am 28. November passierte das Ungeheuerliche: Er verlor. Gegen einen Boxer, der an den Teufel glaubt und das Weltende bevorstehen sieht: Der Brite Tyson Fury bezwang ihn in Düsseldorf einstimmig nach Punkten und schnappte ihm alle Gürtel weg. Der 26-Jährige spielte den Clown im Ring, zuckte und täuschte Klitschko mehr als dass er boxte - eine erfolgreiche Strategie. Auch weil er mit 2,06 Meter den 39-Jährigen um acht Zentimeter überragte, konnte er ihn sich vom Leib halten. Klitschko war so ratlos wie ... alle paar Jahre Mal.

Und er kam sich vor wie im falschen Film. Da waren Beulen an seinem Kopf! Schrammen und Kratzer! "Es ist ungewohnt, in einer anderen Haut zu stecken", sagte Klitschko nach dem Kampf und fand es ganz seltsam, auf einer Pressekonferenz der Verhauene zu sein. Gewöhnungssache, könnten ihm zahlreiche Gegner aus den Vorjahren zuflüstern, aber so weit soll es nicht kommen. Zwar wirkte der Ukrainer zunächst so, als würde er noch im Ring zurücktreten, aber nach ein paar Tagen berappelte er sich. "Ich will zeigen, dass mehr in mir steckt", sagte Klitschko, und: "Fortsetzung folgt". Einen Rückkampf wird es wohl im Mai 2016 geben, vorher will Klitschko nicht abtreten. Vor allem nicht mit einer Niederlage gegen einen wie diesen Tyson Fury.

(ska)

© SZ.de/jbe/rus
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