Jahreshauptversammlung des FC Bayern:Im Schwindel der Zahlen

Jahreshauptversammlung FC Bayern München

Es läuft beim FC Bayern: Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge

(Foto: dpa)

Danken, loben, applaudieren: Von der Jahreshauptversammlung bleibt hängen, dass der FC Bayern der reichste und beste Fußballverein des Universums ist. Die Klub-Kultur allerdings hat sich erheblich gewandelt.

Von Thomas Hummel

Früher war es bei einem zünftigen bayerischen Fest so: Es wurde viel getrunken, möglichst noch mehr blöd dahergeredet, sehr viel gelacht und wenn es sein musste, auch mal gerauft. Der Rest der Welt blickte voller Unverständnis auf diesen seltsamen Landstrich. Doch das war den Bayern egal. Mia san mia, mia san stärker ois de Stier, mia san stärker ois de Bam, weil mia echte Bayern han.

Früher, da waren auch Jahreshauptversammlungen des FC Bayern München solch zünftige Feste gewesen. Als diese noch drüben auf dem Nockherberg stattfanden, floss das Bier oft lange bevor der Wortmelder Matthäus Hammerl in seiner Loisacher Tracht das Freibier ausrief. Fürs Raufen war Uli Hoeneß gut, zumindest verbal. Irgendjemand musste immer dran glauben, manchmal sogar die eigenen Fans. Fürs blöd daherreden, sogar für witzige Satire auf Giesinger Art, sorgte der Präsident Franz Beckenbauer. Bei seinen Reden hielten sich die Leute den Bauch vor Lachen. Wenn er den ewigen Finanzchef Karl Hopfner bat, die Bilanzen vorzutragen, wies er das Publikum gleichzeitig an, jetzt wäre es an der Zeit, zum Biseln zu gehen, also die Toilette aufzusuchen. Wer will schon diese Zahlen hören?

Am Freitagabend nun in der zum Audi Dome umbenannten Rudi-Seldmayer-Halle am Münchner Westpark bedankte sich Präsident und Aufsichtsratschef Karl Hopfner bei seinem Vize Rudolf Schels für die hervorragenden Zahlen, die der FC Bayern e.V. zu bieten habe. Um sich später bei Finanzchef Jan-Christian Dreesen für die "hervorragende Präsentation und das hervorragende Zahlenwerk" der FC Bayern AG zu bedanken. Danach bat er die vielen Leute, die gerade auf dem Weg nach draußen waren, doch bitte im Saal zu bleiben.

Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern München im Jahre 2014 verdeutlichte, wie rasant sich dieser Fußballverein zuletzt wandelte. Dieser Klub lebte jahrzehntelang nicht nur vom sportlichen Erfolg, sondern auch von seiner barocken Art. Immer gab es Figuren, die sich zwar nach allgemeinem Befinden zweifelhaft benahmen, die dem Klub damit aber eine Einzigartigkeit verliehen. Die Folklore gehörte dazu wie der Bauch vom Uli, der Charme vom Franz und am Ende kam der Mann des Volkes, Hansi Gehrlein vom Fanklub "13 Höslwanger". Doch nicht einmal der ließ sich am Freitag blicken.

Diesmal regierten nicht die Figuren, sondern die Zahlen. Die sind derart imposant, dass einem der Schwindel packen konnte. 528,7 Millionen Euro Umsatz, fast 100 Millionen mehr als vor einem Jahr. 405 Millionen Euro Eigenkapital. Mit 251.315 Mitglieder erstmals der größte Verein der Welt nun vor Benfica Lissabon. In jeder Grafik wurden nach rechts die Balken immer größer. Das 345 Millionen Euro teure Stadion binnen neuneinhalb Jahren abbezahlt, weshalb nun 20 Millionen Euro mehr pro Jahr für Mannschaft zur Verfügung stehen. 1,3 Millionen verkaufte Trikots, 16 Millionen Euro Gewinn.

So ging das weiter und weiter. Überall blieb hängen: Der FC Bayern ist der reichste und beste Fußballverein des Universums. Es wurde gedankt und gelobt. Die Mitglieder in der Halle lauschten still, manche sanken in ihre Stühle oder hielten sich den immer schwerer werdenden Kopf. Sie applaudierten aber rechtzeitig und brav, wenn es was zum applaudieren gab.

Globales Wirtschaftsunternehmen

Die FC Bayern AG machte am Freitag den Eindruck eines ganz normalen, globalen Wirtschaftsunternehmens. Mit Dreesen, Schels oder Vizepräsident Dieter Mayer sitzen überall anerkannte Fachmänner, die andeuteten, auch weiterhin den Klub fachmännisch betreuen zu wollen. Dem "Brand" FC Bayern, wie es Dreesen nannte, also der Marke zu neuen Größen zu verhelfen. Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge erzählte den 2421 Mitgliedern in der Halle, dass am Samstag der erste Fanshop in Berlin eröffnet werde, zudem werde bald ein neuer Online-Shop für den chinesischen Markt starten. Denn: "Wenn man als chinesischer FC-Bayern-Fan ein Trikot bestellen will, ist das nicht einfach."

Vom nationalen Sportbetrieb kapselte sich Rummenigge fast schon ab. Mit Gegnern oder Kritikern muss der Klub sich nicht mehr befassen. Er gab den Mitgliedern den lateinischen Rat: "Ignorare, was zu Deutsch ignorieren heißt." Seiner Ansicht nach schauen sowieso alle zum FC Bayern auf: "Ich bin zutiefst überzeugt, dass alle, die den FC Bayern kritisieren, ihn insgeheim bewundern." Und wohl in Richtung Dortmund zitierte er den Dichter Wilhelm Busch: "Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung. Das sollte sich vielleicht so mancher Märchenerzähler zu Gemüte führen." Mehr Hiebe gegen die Konkurrenz haben die Bayern nicht mehr nötig.

Der Klub gab deutlich zu erkennen, dass ihm national die Gegner abhanden gekommen sind. Er schwebt soweit über dem Rest, dass er sich keine Scharmützel liefern muss. Die Besucher reagierten darauf wie zuletzt in Heimspielen in der abbezahlten Arena, wenn das eigene Team nach einer Stunde 5:0 führt: mit anerkennender Stille.

Pep soll möglichst lange bleiben

Damit alles weiterhin so schön bleibt, versprach Rummenigge den Mitgliedern sportliche Kontinuität. Trainer Pep Guardiola sei "ein Segen für den FC Bayern. Ein großartiger Trainer, ein taktisches Genie, und ein besonderer Mensch. Ich werde alles tun, dass dieser besondere Mensch so lange wie möglich in München bleibt. Das gleiche empfinde ich für unsere Mannschaft. Der Mix aus Deutschen und Super-Ausländer funktioniert."

Dieser Mix soll weiterhin bestehen, weshalb die Bayern ein neues Nachwuchsleistungszentrum im Norden der Stadt planen. Natürlich soll das einzigartig gut werden, der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Uli Hoeneß hat angekündigt, demnächst als Freigänger im Jugendbereich arbeiten zu wollen. Die Nachfolger von Schweinsteiger, Lahm oder Müller sollen bald heranwachsen. Wer den FC Bayern am Freitagabend erlebt hat, der ahnt, dass er auch dies akribisch, fachmännisch angehen wird.

Nur das mit dem zünftigen bayerischen Fest, daraus wurde nichts. Trotz Freibier wurde auch zu später Stunde nirgends blöd dahergeredet. Und Raufen? Hat der FC Bayern momentan nun wirklich nicht nötig.

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