50 Jahre nach dem Wunder von Bern:"Wir haben verloren. Das bleibt."

Jenö Buzansky und Gyula Grosics über die Niederlage der ungarischen Wundermannschaft im Berner WM-Finale 1954. Ein Interview von Andreas Burkert und Ludger Schulze

An diesem 4. Juli jährt sich zum 50. Mal das so genannte Wunder von Bern, der unerwartete 3:2-Erfolg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Ungarns vermeintlich unbezwingbare Elf im verregneten Wankdorfstadion. Aus deutscher Sicht ist das epochale Ereignis für die Nation in der jüngsten Vergangenheit umfangreich beleuchtet worden. Doch wie haben die Verlierer den ersten deutschen WM-Sieg erlebt? Woran ist die legendäre Mannschaft der Ungarn letztlich gescheitert?

Und: Haben die verhinderten Helden die Niederlage mit dem Abstand von fünf Jahrzehnten verkraftet? Im SZ-Interview geben Jenö Buzansky und Gyula Grosics Antworten. Buzansky, 79, war damals Ungarns rechter Außenverteidiger, und Grosics, 78, stand im Tor, als Rahn hätte schießen müssen und er dann auch wirklich schoss und ... Die beiden Veteranen leben heute in der Nähe von Budapest. Fußball spielen sie nicht mehr, höchstens im Internet, wo sie sich für ein internationales Elfmeterspiel engagieren (www.11meter-superstar.com). Helmut Rahn läuft dort höchstens virtuell zum Schuss an.

SZ: Herr Buzansky, Herr Grosics, 1953 hat Ungarn 6:3 in England gewonnen, eine Fußball-Sensation, weil in 90Jahren nie zuvor eine Mannschaft auf der Insel gewonnen hatte. Fortan galten Sie als "Wundermannschaft" - fühlten sie sich danach als unschlagbar?

Jenö Buzansky: Nein, wir waren zwar 34 Spiele lang unbesiegt, wir wussten um unsere Stärke, aber wir mussten uns jedes Mal alles erkämpfen.

SZ: Hatten Sie mit dieser Mannschaft denn überhaupt mal verloren vor dem WM-Finale 1954?

Buzansky: Im März 1950 in Prag gegen die Tschechoslowakei war das letzte Mal. Bis zum 4. Juli 1954 haben wir alles gewonnen, wir wurden Olympiasieger 1952. Dann gab es einen Vorläufer der Europameisterschaft, da siegten wir bei der Eröffnung des Olympiastadions in Rom 3:0 gegen Italien. Die Engländer haben wir sogar zweimal geschlagen, beim zweiten Mal ein paar Tage vor Beginn der EM in Budapest 7:1.

Die Deutschen in der WM-Vorrunde 8:3, Brasilien 4:2, Uruguay 4:2...Aber zehn Tage vor dem Londoner Match hatten wir erst durch einen Elfmeter daheim in Budapest ein 2:2 gegen Schweden gerettet. Das war eine Warnung. Wir waren ja alle, wie man sagt, freche Straßenfußballer, aber wir neigten nicht zur Selbstüberschätzung.

Gyula Grosics: Das hat es nie vorher und nie nachher gegeben, dass eine Mannschaft vier, fünf absolute Weltklassespieler in ihren Reihen hatte: Boszik, Hidegkuti, Koscis ... Buzansky:...er auch, Grosics...

Grosics:...Puskas. Andere Teams hatten einen, die Brasilianer Pelé, die Deutschen Beckenbauer - wir hatten fünf davon! Wir waren auch die ersten, die ein 4-2-4-System gespielt haben wie später auch die Brasilianer. Wir waren dem Weltfußball einen Schritt voraus.

SZ: Das heißt, nichts hat darauf hingewiesen, dass Sie sich übertrieben Sorgen machen mussten vor dem Spiel gegen die Deutschen?

Buzansky: Ich war ja auch Journalist. Deshalb meine Frage: Haben die Deutschen geglaubt, Weltmeister werden zu können? Meine Antwort: Nein, die haben es nicht geglaubt! Fußball ist das Spiel mit den größten Variationsmöglichkeiten. Würde man eine halbe Stunde nach Schlusspfiff ein Spiel noch einmal spielen, hätte man ein ganz anderes Spiel...

„Wir haben verloren. Das bleibt.“

SZ: Soll heißen, sie hätten kein zweites Mal verloren?

Buzansky: Jedenfalls hatte Liebrich beim 8:3 Ferenc Puskas durch Foul eliminiert, das kam dazu. Ohne unseren besten Mann mussten wir im Viertel- und Halbfinale gegen Brasilien und Uruguay in die Verlängerung. Das war äußerst strapaziös. Zur gleichen Zeit gewannen die Deutschen gegen Österreich 6:0...

SZ:...6:1.

Buzansky:...für die war das jedenfalls keine Belastung, sondern nur ein Spielchen. Sie hatten einen deutlichen physischen Vorteil. SZ: War Ihnen bewusst, dass der deutsche Bundestrainer Sepp Herberger beim 3:8 in der Vorrunde nur eine Reservemannschaft aufs Feld geschickt hatte?

Grosics: Wir haben da zum ersten Mal gegen Deutschland gespielt. Wir kannten nur einige Namen: Rahn, Schäfer, Fritz Walter. Aber eine Reservemannschaft? Im Finale sind doch acht von ihnen wieder aufgelaufen.

SZ: Aber dieser Kantersieg muss Ihnen doch das Gefühl grenzenloser Überlegenheit gegenüber den Deutschen gegeben haben. Oder nicht?

Grosics: Nachdem wir auch im Finale nach acht Minuten 2:0 führten, haben wir einen Gang zurückgeschaltet. Im Unterbewusstsein dachten wir: Jetzt kriegen die noch eine Packung, und dann gehen wir nach Hause. Der Knackpunkt war: Uns war nicht klar, dass die Deutschen von der ersten bis zur letzten Minute nicht aufgeben. Von zehn Mannschaften geben acht in so einem Moment auf. Für die Deutschen trifft eben zu, was der englische Nationalspieler Gary Lineker sagte: "Fußball ist, wenn 22Mann hinter dem Ball herrennen, und am Ende gewinnen immer die Deutschen."

Buzansky: Für mich waren die Deutschen auch bei der EM in Portugal Favorit, die halten eigentlich immer durch. Fußball spielt man eben mit dem Kopf.

SZ: Noch mal zurück zum 8:3. Da hat Ferenc Puskas den deutschen Stopper Werner Liebrich nach Belieben ausgespielt, der hat sich, wie Sie bereits erwähnten, mit einem Foul revanchiert...

Buzansky:...drei! Mit drei Fouls!

SZ: Das dritte Mal hat er ihn so schwer am Knöchel erwischt, dass Puskas erst im Finale wieder einsatzfähig war. Dazu gibt es angeblich eine Vorgeschichte: Puskas soll dem Ungarisch sprechenden deutschen Verteidiger Jupp Posipal in der Halbzeit angesagt haben: "Sag deinem Liebrich, er kann machen, was er will, ich spiele ihm den Ball so oft durch die Beine, wie ich Lust habe." Und das soll Liebrich in Rage gebracht haben.

Buzansky: Es gibt immer Nickligkeiten zwischen Spielern. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Puskas das so gesagt hat.

Grosics: Und ich glaube nicht, dass es eine Anweisung an Liebrich gab, Puskas bewusst umzuhauen.

SZ: Aber Puskas' Ausfall war ein schwerer Nachteil für Ihr Team.

Buzansky: Natürlich.Dass wir ohne ihn die zwei Verlängerungen bestreiten mussten, hat die Ermüdungserscheinungen verstärkt, vor allem die im Kopf. Man hat das nach dem 2:0 gemerkt, da war der Kopf nicht mehr imstande, den Beinen die nötigen Befehle zu geben.

SZ: Man kann sich leicht vorstellen, wie ermüdend das war...

Buzansky:...das war ja noch nicht alles. Weil das Halbfinale in Lausanne (gegen Uruguay 4:2; Anm.d.Red.) so lange gedauert hatte, haben wir den Zug nach Solothurn verpasst, wo unser Quartier war. Umständlich wurden erst private Pkw organisiert, und schließlich sind wir erst um vier, fünf Uhr todmüde ins Bett gesunken.

SZ: Das war in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, zwei Tage vorm Finale.

Buzansky: Das Finale war am Sonntag. In der Nacht davor passierte noch etwas: In Solothurn war Volksfest. Direkt vor unserem Hotel! Es haben Blaskapellen gespielt, Chöre sangen, und angeblich hat eine deutsche Brauerei Freibier spendiert. Unglücklicherweise war es noch sehr warm, so dass man die Fenster öffnen musste - bis in die Morgenstunden haben wir kein Auge zugemacht.

Grosics: Unddann der letzte Höhepunkt: Am Sonntag war auch noch Fritz-Walter-Wetter - Regen, Regen, Regen.

„Wir haben verloren. Das bleibt.“

SZ: War Ihnen klar, dass der Regen zu Ihrem Nachteil wirken könnte?

Buzansky: Ja, obwohl solche Bedingungen normalerweise für Techniker besser sind. Wir waren Techniker, die Deutschen waren Kämpfer.

SZ: Wussten Sie, dass die Deutschen einen weiteren gravierenden Vorteil hatten? Der für die Ausrüstung zuständige Adi Dassler hatte Schraubstollen entwickelt, die man je nach Wetter und Tiefe des Bodens auswechseln konnte.

Buzansky: Nein, die wurden ja bei der WM erstmals verwendet.

SZ: Ihre Stimmung war vermutlich nicht die beste. Immerhin konnten Sie Puskas wieder einsetzen. Wie leistungsfähig war er nach seiner Verletzung?

Buzansky: Er schoss zwei Tore - eines wurde nicht gegeben. Er war gesund.

SZ: Schon nach sechs Minuten schoss er das 1:0. Zwei Minuten später fiel das 2:0. Im Fußball wünscht man sich doch ein frühes Führungstor, Ihre Mannschaft schien davon eher gelähmt zu sein.

Buzansky: Viel wichtiger war, dass die beiden Gegentore sehr, sehr unglücklich waren. Beim ersten rutschte Zakarias in den Ball hinein und hat ihn dabei zum Torschützen Morlock gelenkt. Und beim zweiten wurde Grosics behindert. Diese schnelle Antwort der Deutschen hat uns gezeigt, dass es diesmal nicht so einfach laufen würde. Zur Halbzeit in der Kabine habe ich in die Gesichter meiner Kameraden geschaut: Ich sah Müdigkeit und Leere. Da ist mir zum ersten Mal der furchtbare Gedanke gekommen: Heute ist der Tag, an dem wir verlieren können.

SZ: Was hat Ihr Trainer Gustav Sebes in der Halbzeit gesagt? Buzansky: Es herrschte Ruhe, absolute Stille, Betroffenheit, Mutlosigkeit. Sebes hat nichts gesagt. Er hat nur die Anweisung gegeben, dass Linksaußen Czibor, der bisher rechts gespielt hatte, nun auf seine angestammte linke Seite wechseln sollte. Und Toth ging auf die rechte Seite. Bis heute kann ich nicht verstehen, weshalb er Czibor auf die falsche Seite gestellt hatte.

Grosics: Toth! Der war schon alt - und plötzlich kam er neu in die Mannschaft. Wieso, wo wir doch Budai hatten, der wirklich stark war? Na ja, vielleicht dachte Sebes, ich stelle dem angeschlagenen Puskas das Arbeitstier Toth zur Seite.

Buzansky: Der Gedanke von Sebes war, dass der schnelle, nervöse Czibor gegen den langsamen Kohlmeyer spielen sollte. Umgekehrt sollte Toth dem linken Verteidiger Lantos, der auch langsam war, gegen Rahn und Fritz Walter helfen. Egal, die Entscheidung, Toth spielen zu lassen, war von vornherein falsch. Aber auch der Wechsel zur Halbzeit auf die rechte Seite machte es nicht besser. Im Gegenteil, das gab uns das Gefühl, dass irgendetwas in unserem Spiel, mit unserer Taktik, nicht in Ordnung ist.

SZ: Dann fiel das 3:2 durch Helmut Rahn, dem eine Flanke von Hans Schäfer voraus ging, Ihrem Gegenspieler, Herr Buzansky. Man kann auf den Fernsehbildern nicht genau sehen, wem Schäfer da den Ball abgeknöpft hat. Waren Sie das?

Buzansky: Das war Boszik. Boszik.

SZ: Und dann fiel eben das alles entscheidende Tor.

Buzansky: Ja, ein Albtraum.

Grosics: Ja, ich träume heute noch von Rahns 3:2. Immer wieder dieser Albtraum. Wir waren eine Wundermannschaft, die unsere Heimat, ja die ganze Welt begeistert hat. Aber an diesem Sonntag holte uns der graue Alltag ein.

„Wir haben verloren. Das bleibt.“

SZ: Für Sekunden kam ja noch Hoffnung auf: Puskas schoss kurz vor Schluss noch einmal ins deutsche Tor. Jedoch aus - umstrittener - Abseitsposition.

Grosics: Es gab zwei gravierende Fehlentscheidungen des Schiedsrichters (Ling aus England; d.Red.). Man hat in Ungarn eine Amateuraufnahme gefunden, die belegt, dass das Tor korrekt war. Der Schiedsrichter wollte es zuerst geben, hat aber dann auf seinen Linienrichter gehört. Und dann das zweite Tor der Deutschen.

Schäfer hat mich im Fünfmeterraum gerempelt, nur deswegen fiel das Tor. 1995 haben wir uns mit den deutschen Spielern mal getroffen, da hat Schäfer zugegeben, dass es ein Foul war. Er hat mir erzählt, dass Herberger ihm den ausdrücklichen Auftrag gegeben hatte, bei Eckbällen und weiten Einwürfen auf nichts zu achten außer auf den Torwart. Auf mich.

SZ: Die Deutschen hatten einen Teamspirit, den man den ,Geist von Spiez' nannte nach dem Ort, wo sie logierten. Hat es daran in Ihrem Team der Stars und Diven vielleicht gefehlt?

Buzansky: Wir hatten einen ähnlichen Geist, die meisten waren von Jugend auf befreundet. Aber ein weiterer Vorteil für die Deutschen lag darin, dass sie nichts zu verlieren hatten, sie waren ja mit dem zweiten Platz schon glücklich.

Grosics: Egal, was wir hier alles erzählen, die Leistung der Deutschen ist nicht zu schmälern. Nicht die Deutschen haben die Fehler begangen, das war der Schiedsrichter.

SZ: Auf den Fernsehbildern sieht man, dass Sie sehr faire Verlierer waren. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?

Grosics: Man muss im Sport eben Siege wie Niederlagen hinnehmen.

Buzansky: Es ist ein Unterschied, was man nach außen zeigt und was man innerlich fühlt. Ich dachte: Wieso ist dies der Tag der Deutschen, wieso ist das nicht unser Tag? Wäre das Spiel einen Tag später noch mal gespielt worden, hätten wir gewonnen, da bin ich sicher.

SZ: Man sieht auf den Bildern aber auch, dass Sie, Herr Grosics, nach dem Schlusspfiff ziemlich verärgert den Schiedsrichter verabschieden.

Grosics: Natürlich war ich sauer auf ihn. Seine Leistung war nicht gut. Andererseits wurde mir erst in diesem Moment bewusst, dass wir unwiderruflich verloren hatten. Es war ja schon alles für die Feierlichkeiten in Ungarn geplant!

SZ: Wie verlief die Busfahrt zurück ins Quartier?

Buzansky: Ich habe geweint, es war das letzte Mal in meinem Leben.

Grosics: In der Halbzeit hatte ich das Gefühl, am Rande der Gruft zu stehen. Jetzt waren wir drin.

SZ: Was geschah in Ihrer Heimat nach dem Abpfiff?

Grosics: Mehrere hunderttausend Ungarn sind auf die Straße gegangen und haben protestiert. Ursprünglich aus Trauer über die Niederlage, aber dann ging es über in eine politische Demonstration gegen die kommunistische Diktatur. Erst da bekamen wir richtig mit, was wir unseren Landsleute bedeuteten.

Dieses Spiel hat ja in beiden Ländern eine enorme, aber vollkommen gegensätzliche politische Entwicklung ausgelöst. In Deutschland im positiven Sinn: Wir sind wieder wer, Wirtschaftswunder und so weiter. In Ungarn mündete das direkt in den Aufstand von 1956.

SZ: War das 2:3 Ihrer Meinung wirklich das Signal dafür?

Buzansky: Ja, die Massenversammlung nach dem Spiel war das erste Mal, dass man in einer kommunistischen Diktatur auf die Straße gegangen ist und den Aufstand probte.

SZ: Nach Ihrer Rückkehr sind Sie vom damaligen Premierminister Rakosi, einem Vertrauten von Stalin, empfangen worden...

Grosics:...wir wurden erst gar nicht nach Budapest gebracht, sondern nach Tata, 60 Kilometer entfernt von der Hauptstadt, in unser Trainingslager.

„Wir haben verloren. Das bleibt.“

SZ: Was hat Rakosi Ihnen gesagt?

Grosics: Er hat eine kleine Ansprache gehalten, etwa so: "Das war eine Niederlage, so etwas kann immer passieren. Bei der nächsten Weltmeisterschaft machen wir es besser. Bis dahin braucht niemand Angst zu haben." Von diesem Moment fing die ganze Mannschaft an, Angst zu haben. Das war eine nackte Drohung.

SZ: Wurden Sie verhört?

Grosics: Ich hatte ein Problem mit dem ungarischen Geheimdienst. Man hat mich der Spionage beschuldigt. Ich wurde 13 Monate lang beobachtet und musste mich immer bei den Behörden melden. Natürlich war die Angst da. 1950 war ein Auswahlspieler hingerichtet worden, nur weil er angeblich abhauen wollte.

SZ: Vor dem Haus von Trainer Gustav Sebes gab es Menschenansammlungen, bei denen die Leute ihn wüst beschimpften. Wurden die Spieler auch schlecht behandelt von den Leuten?

Grosics: Nein, wir wurden weiter mit Respekt behandelt.

SZ: Es gab ein Gerücht, die Mannschaft habe absichtlich verloren, weil sie im Gegenzug mit Mercedes-Limousinen beschenkt worden sei. Buzansky: Ich kenne das Gerücht. Der Staat hatte ein paar Mercedes gekauft, aber nicht für die Spieler, sondern für die Herren Genossen. Die Erklärung ist so: In Ungarn gab es vorher nur das russische Modell Popjeda, vor dem hatten alle Angst, weil sie schwarz waren und drinnen die Leute vom Geheimdienst saßen.

In ein solches Auto wollte man vor dem Gastspiel der Engländer beim 7:1 den damaligen Fifa-Präsidenten Sir Stanley Rous nicht hineinsetzen, deshalb hat man die Mercedes gekauft. Gustav Sebes ist nach der WM in einem solchen Auto zur Berichterstattung abgeholt worden, was man in der Wochenschau sehen konnte. So entstand das Gerücht.

SZ: Es heißt, Sie hätten trotzdem eine finanzielle Belohnung bekommen.

Grosics: 8000 Forint für die, die im Finale standen, etwa 4000 Euro nach heutiger Rechnung.

Buzansky: Es waren 10 000 Forint, die 2000 hat er seiner Frau verschwiegen.

SZ: Nach dem Finale wurde Ferenc Puskas vom DFB für alle Spiele gegen deutsche Teams gesperrt, weil er behauptetet hatte, die Deutschen seien gedopt gewesen. Haben Sie sich nicht gewundert, als nach dem Finale ein deutscher Spieler nach dem anderen an Gelbsucht erkrankte? Buzansky: Ich glaube nicht, dass Doping dahinter steckte. Damals kannte man das Wort ja nicht einmal.

SZ: Haben Sie Kontakt zu den noch lebenden deutschen Spielern?

Buzansky: Wir wurden 1990 von Bundeskanzler Kohl zum 70. Geburtstag von Fritz Walter eingeladen, später auch zum 100. von Sepp Herberger. Seitdem wurde das Verhältnis immer herzlicher.

SZ: Heißt das, dass Sie versöhnt sind mit Ihrem Schicksal?

Grosics: Das Weltmeisterschaftsfinale ist das Größte, was es im Sport gibt. Und trotzdem: Wenn man nur Teilnehmer daran war, dann fehlt etwas. Der Albtraum von Rahns 3:2 verfolgt mich.

SZ: Herr Buzansky, sind Sie einigermaßen versöhnt?

Buzansky: Zwischen Platz eins und Platz zwei ist ein riesengroßer Unterschied. Niemand interessiert sich für den Zweiten - außer bei unserer Geschichte. Wer würde über uns sprechen, wenn wir gewonnen hätten?

SZ: Aber ein Stachel bleibt...

Buzansky:...also, wenn ich vor dem zweiten Tor statt zur Ecke den Ball ins Aus geschossen hätte...

SZ: Der berühmte Radioreporter György Szepesi hat seinen Freund, Trainer Gustav Sebes, am Totenbett besucht. Sebes konnte angeblich nicht mehr viel sagen, nur diesen einen Satz: "Wir haben verloren." Sind Sie, Herr Buzansky, ein glücklicherer Mensch als Sebes?

Buzansky: Eine gewisse Verbitterung ist schon noch da: Nicht die Deutschen haben das Spiel gewonnen, wir haben verloren. Das bleibt. Ein Leben lang.

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