Jahn Regensburg:Schon wieder grinst Adamyan

Jahn Regensburg - Hamburger SV

Der Auftakt zur Wende: Schiedsrichter Felix Zwayer zeigt Orel Mangala in der 68. Minute Gelb-Rot wegen absichtlichen Handspiels.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Fünf Monate nach dem 5:0 gegen den HSV besiegt Regensburg den ehemaligen Bundesligisten erneut. Beim 2:1 profitiert der Jahn von einem Platzverweis.

Von Johannes Kirchmeier

Der Besuch von fremdem Leben ist nie bürokratisch durchgeplant. Und daher schien auch der SSV Jahn Regensburg noch nicht ganz vorbereitet gewesen zu sein auf die Ankunft der blau gekleideten Wesen aus dem Norden. Zum ersten Mal gastierte ja der Fußballklub in der Oberpfalz, der in Deutschland auf so viele Bundesliga-Jahre zurückblickt wie kein anderer (55!), aber auch erst sein erstes Jahr in der zweiten Liga spielt: der Hamburger Sport-Verein. Und obwohl der Oberpfälzer an sich ein ruhiger Kerl ist, der so einen Besuch normal locker und mit einem Schulterzucken hinzunehmen vermag, war am Sonntag alles etwas ungeordneter. Schon weit über eine Stunde vor dem Anpfiff winkten die Polizisten und Parkplatzanweiser die auf sie zu tuckernde Autoschlange weg von den ausgewiesenen Parkplätzen - denn diese waren heillos überfüllt. Was nicht nur die Stellflächen betraf: Manch ein SUV-Fahrer entführte seinen Stadtwagen wieder mal in die Natur und visierte die Grünflächen daneben an. Die Autoschlange tuckerte also den Berg zum Klinikum hinauf, wo sie provisorisch geschaffene Parkplätze vorfand.

Sechsmal ist der HSV deutscher Meister geworden und zweimal Europapokalsieger (Jahn: je null Teilnahmen), er hat 86 000 Mitglieder (Jahn: 3000). Doch das hatte die kämpferischen Regensburger schon vor fünf Monaten nicht daran gehindert, 5:0 in Hamburg zu gewinnen. Am Sonntag erdreisteten sie sich dann erneut, gegen den ehemaligen Bundesliga-Dinosaurier und gegenwärtigen Zweitliga-Riesen zu siegen.

Ganz schön chaotisch ging es mehr als 90 Minuten lang auf dem Platz zu, wobei der SSV es verstand, dieses Chaos zu ordnen und für gefährliche Chancen zu nutzen. 2:1 (0:1) stand es am Ende für die Gastgeber. "Große Freude über drei Punkte", habe er beim Siegtreffer von Marco Grüttner (82.) empfunden, sagte Jahn-Trainer Achim Beierlorzer. So sicher war er sich da schon. Zehn Minuten später flitzten dann mehrere tausend Fäuste durch die Luft, Schiedsrichter Felix Zwayer bestätigte mit dem Abpfiff Beierlorzers Ahnung.

"Und dann hatten wir wieder diese Wucht, diese Dynamik in der zweiten Hälfte."

Anfangs dominierten noch die Hamburger, etwas Respekt vor den fremden Wesen hatten die Oberpfälzer schon: Der Südkoreaner Hwang Hee-chan kam nach einem Freistoß zum Abschluss, Jahn-Torwart Philipp Pentke konnte parieren, doch der HSV-Innenverteidiger David Bates traf per eingerutschtem Nachschuss zum 1:0 (16.). Wovon sein Team noch mehr Sicherheit bekam, kurz darauf scheiterte der zweite Innenverteidiger Rick van Drongelen mit einem Kopfball an Pentke (22.). Und Hwang flitzte Oliver Hein ein ums andere Mal auf der Außenbahn weg, schnell handelte sich der Jahn-Rechtsverteidiger eine gelbe Karte ein. Wenig später ließ er Hwang erneut passieren, dieser passte den Ball zu Pierre-Michel Lasogga in den Strafraum, der das 2:0 hätte erzielen müssen - doch er schoss neben das leere Tor (25.). Der Zeitpunkt mag verwundern, aber dies war schon die letzte Torchance des HSV.

"Wir haben dann schon besprochen, dass wir die Zuschauer mitnehmen wollen", sagte Beierlorzer über die Halbzeitpause, in der er seinem Team die nötige Selbstsicherheit vermittelte. "Und dann hatten wir wieder diese Wucht, diese Dynamik in der zweiten Hälfte." Eine Dynamik, die in der zweiten Liga ihresgleichen sucht. Keine Mannschaft kommt nach Rückständen so wehrhaft aus der Kabine wie die Regensburger. Sie brachten den Riesen ins Wackeln. Mittelstürmer Lasogga musste einige Male per Kopf im eigenen Strafraum klären. Als dann der defensive Mittelfeldspieler Orel Mangala einen Distanzschuss von Maximilian Thalhammer mit der Hand blockte, war der Jahn plötzlich in Überzahl, Mangala sah Gelb-Rot (68.).

Den freien Raum im Mittelfeld nutzte Jonas Föhrenbach, der Sargis Adamyan per Steilpass in den Strafraum schickte. Der Armenier schoss sofort aufs Tor, van Drongelen fälschte den Ball ab - und er flog über den HSV-Torhüter Julian Pollersbeck hinweg ins Tor. Adamyan grinste von diesem Zeitpunkt an, wahrscheinlich sogar bis er abends ins Bett ging. Denn er hatte bereits im September in Hamburg, wo auch seine Familie wohnt, dreimal getroffen. Die Hamburger Zeitungen schrieben schon da vom "HSV-Schreck". Und weil auch noch Grüttner sich den Ball im Strafraum brillant mit der Brust vorlegte und ihn aus der Drehung ins Tor schoss, darf man auch ihm den Ehrentitel guten Gewissens verleihen. Beierlorzer sagte: "Beide Tore durch unsere Stürmer, das zeigt mir nur, dass man da einfach weiterarbeiten muss." Zuletzt blieb sein Team dreimal ohne Treffer, nun springt es auf Tabellenplatz acht. So beschwingt sind die Regensburger wohl noch nie an einem Sonntag zum Klinikum gelaufen.

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