Das war „natürlich eine große Umstellung“, sagte der überglückliche Ben Kieffer auf dem Weg in die Kabine, er sei ja eher an die Bayernliga gewöhnt, das hier „war eine richtig coole Erfahrung, ich bin echt glücklich jetzt“, sagte er mit leuchtenden Augen. Kieffer ist im Februar 17 Jahre alt geworden, in der laufenden Saison spielte er 13 Mal 90 Minuten in der U21, und eine Minute in der zweiten Liga. Am Freitag sagte ihm der Trainer Andreas Patz, dass er seine Chance bekommen würde. „Von Anfang an?“, hatte Kieffer ungläubig gefragt. „Von Anfang an“, sagte Patz. Und so bekam er es am Sonntag in einem ausverkauften Stadion mit dem Nationalspieler Amin Younes als Gegenspieler zu tun und machte seine Sache ziemlich gut.
Vor dem Anpfiff war Trainer Patz mit einem Transparent auf der Haupttribüne begrüßt worden, auf dem „Neuaufbau nicht verpatzen“ stand, die Silbe „patz“ stach in roter Farbe hervor. Das sollte wohl eine Anspielung auf die kommende Saison sein, wenn der SSV wahrscheinlich wieder in der dritten Liga spielt. In Wahrheit aber orchestriert Patz den Neuaufbau schon jetzt, und verpatzt dabei recht wenig, zumindest bei den Heimspielen. Nach dem 2:0 (1:0) über Schalke 04 hat der Jahn aus den vergangenen fünf Heimspielen die Hälfte aller seiner Punkte in der laufenden Saison gesammelt (elf von 22).
Der durchaus verdiente Sieg gebe natürlich noch einmal „einen Push“, sagte Verteidiger Leopold Wurm, der übrigens auch erst 19 Jahre alt ist und unter Patz zum Stammspieler reifte, nachdem dieser im Oktober die Mannschaft übernommen hatte. Aber im Fokus stand nach dem Sieg gar nicht so sehr, dass die Mannschaft immer noch die Möglichkeit hat, die Liga zu halten – sechs Punkte Rückstand sind es jetzt auf den Relegationsplatz, und Eintracht Braunschweig, sieben Punkte entfernt, ist bald noch in Regensburg zu Gast. Ärgerlich war dabei, dass es am Wochenende gerade einmal zwei Heimsiege gab – ausgerechnet der Letzte und der Vorletzte Ulm gewannen. Eine Aufholjagd wurde also nicht gestartet.
In erster Linie ging es darum, das Umfeld wieder milde zu stimmen nach einem schwer erklärbaren 0:6 bei der SV Elversberg eine Woche zuvor. „Wir wollten das nicht einfach so stehen lassen“, sagte Patz nach dem Sieg. Es war ihm auch wichtig zu betonen, dass es unter der Woche „gefetzt“ hatte im Training, dass also niemand abschenke. Bei Jahn Regensburg könnte bisweilen der Eindruck entstehen, dass ein interner Streit in diesem familiär geführten Klub schlimmer wäre als ein Abstieg.
Mehr als zehn Spieler haben auch Vertrag für die dritte Liga. Noch nicht endgültig geklärt ist die Zukunft von Coach Patz
Auf den ist man zumindest gedanklich ganz gut vorbereitet. Eine zweistellige Zahl an Spielern ist auch in der dritten Liga vertraglich an den Verein gebunden, und auch, wenn der direkte Wiederaufstieg generell ein schweres Unterfangen ist: Er ist dem Jahn vergangenes Jahr gelungen, und die dritte Liga darüber hinaus auch vereinshistorisch betrachtet kein Schreckgespenst.
Doch natürlich hat für den 41-jährigen Patz, der die Cheftrainer-Rolle bislang nur aus der Regionalliga mit Carl Zeiss Jena kannte, der Ligaverbleib erst einmal Priorität, und ob es danach mit ihm weitergeht, ist dem Vernehmen nach auch noch nicht hundertprozentig sicher. Er beschreitet dafür einen Weg, den er selbst für „durchaus mutig“ hält. Bezogen hat er diese Aussage darauf, dass er Kieffer gegen Schalke in die Startelf beorderte und zugleich den fast doppelt so alten Kapitän Andreas Geipl auf die Bank setzte – obwohl der eigentlich als kampfbetonter Spieler für den Abstiegskampf prädestiniert wäre. „Ich habe ein tolles Gespräch mit Andreas gehabt“, sagt Patz, es gehe ja zudem darum, dass der Kapitän seine Anführer-Rolle auch neben dem Platz erfülle. Wie gesagt, Harmonie ist in Regensburg besonders bedeutsam.
Auf dem Feld trafen die Regensburger dann auch noch auf einen Gegner aus dem Niemandsland der Tabelle, dem schnell klar wurde: hier was mitzunehmen, das wird anstrengend. Der Jahn verteidigte mit enormer Laufbereitschaft, ein Tunneltor von Christian Kühlwetter (21.) ebnete dann den Weg – der eingewechselte Dejan Galjen, ein 23-Jähriger mit einigen Kurzeinsätzen, sorgte in der Nachspielzeit für die Entscheidung. Um das „kleine Wunder“ Ligaverbleib noch zu schaffen (Patz) müsste ihm allerdings dringend auch noch auswärts Siege gelingen. Der Coach kündigte mit Blick auf das Spiel beim 1. FC Magdeburg am Ostersonntag auch schon an, etwas verändern zu wollen. Er hätte sicher nichts dagegen, den Neuanfang nicht nur in der zweiten Liga zu beginnen, sondern ihn dort auch fortzuführen.